So wird Politik gemacht: Um nicht unter das Brennglas völkerrechtlicher Kritik zu geraten, wurde  alles getan, um den Krieg in Afghanistan ja nicht als solchen beim Namen zu nennen. „Kriegsähnliche Auseinandersetzungen“ oder „Asymmetrischer Konflikt“, waren die (zynischen) Bezeichnungen für das was Einheimische und Soldaten vor Ort jeden Tag mitmachen. Nachdem jedoch immer weniger Menschen den politischen Wortverdrehern glauben wollen, schreien die Medien geradezu nach einer neuen Definition. Afghanistan soll den Deutschen jetzt wohl endlich den Pazifismus austreiben.

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg kommt zwar aus einer christlichen Partei – der CSU – das schließt aber wohl das Töten (lassen) für eine gute Sache nicht aus. Was an unseren militärischen Engagements christlich sein soll, dass wird selbst gestandenen Hardlinern nicht so richtig klar. Denn das Gebot „Du sollst nicht töten“, weicht höheren hier Interessen, wie zum Beispiel der Freundschaft gegenüber den USA die ihre Interessen gewohnt sind dort zu vertreten, wo immer es irgend etwas zu holen gibt: Patriotismus, Energiequellen, Rohstoffe, geostrategische Positionen und womöglich auch Drogen (immerhin produziert Afghanistan über 90 Prozent des weltweiten „Drogenbedarfs“).

Schon der dünn argumentierte Angriff auf den Irak hatte gezeigt, dass die als Ursachen genannten Massenvernichtungswaffen einer Überprüfung nicht standhalten; was aber noch schlimmer ist, anscheinend gar nicht standhalten müssen. Hauptsache, man ist erst einmal da, macht sich breit, besetzt strategisches Gelände, übernimmt Einrichtungen wie die der städtischen Versorgung, die Exekutive und nimmt sich alles was lohnt.

Umgekehrt hier mal die Kosten des Krieges (Website Live-Kostenuhr)
(drei Mal dürft Ihr raten, wer das bezahlt).


(Quelle: costofwar.com)

Die Massenvernichtungswaffen eines Saddam Hussein sind heute kein Thema mehr. Heute kann der Feind quasi in jedem Land Unterschlupf finden. Der Feind ist nämlich kein Land mehr, kein Staat gegen den man sich wehren muss, sondern ein über die ganze Welt versprengter Haufen Terroristen. Wenngleich das Konzept im Falle des Iran aufweicht – denn hier ist es doch ein ganzer Staat – so werden hier eben zwei Gründe zu einem zusammengefasst. Der Iran sei als Staat mit „Atomwaffenpotenzial“ gefährlich UND zudem eine Brutstätte des internationalen Terrorismus. Da mutet es seltsam an, das der sog. „War on Terror“, also der Krieg gegen den Terror, durchaus als Krieg bezeichnet wird, die Aktion in Afghanistan aber nicht. Nebenbei: An menschenrechtlich bedenkliche Länder mit Atomwaffen wie China traut man sich dann lieber nicht ran.

Nie wieder Krieg?

Die Verwirrung der Sprache lässt sich insbesondere in Deutschland auf die Geschichte zurück führen. So sollte nach 1945 vom deutschen Boden nie wieder ein Krieg ausgehen… Es darf eben nicht sein, was nicht sein darf. Allein deshalb verbot es sich bisher, den Deutschen zu sagen, dass in Afghanistan nun mal Krieg herrscht. Ein Krieg der alles andere als davor ist „gewonnen“ zu werden. Und je mehr das deutsche Engagement zum Desaster wird, desto unmöglicher ist nun mal die Verklärung durch Rhetorik. Die jüngsten Ereignisse – mehrere tote deutsche Soldaten – werden genutzt, um die Bevölkerung daran zu gewöhnen. Erst wagen sich ein paar Politiker vor und sprechen aus, was sich auszusprechen gehört. Dann folgen die Medien. Und dann die Duldung des neuen Sprachgebrauchs durch die Bundeskanzlerin, Medien, Experten usw.

Die Medien stellen es so dar, dass die deutsche Bevölkerung schon weiter sei und den neuen Terminus durchaus akzeptieren würde – ja geradezu nach Ehrlichkeit schreie. Die logische Konsequenz der Bewertung – also die Frage nach den eigentlichen Kriegsgründen, nach Zielen und der militärischen Strategie werden jedoch umso mehr ausgeklammert. Gerade ganz aktuell hat sich Bundeskanzlerin Merkel in den Definitionsstreit eingeschaltet, um darauf hin stockend und wortkarg auf die Gründe zu verweisen.

San Francisco – Merkel zu Afghanistan

Auch wer sich den Wortlaut näher anhört, wird auf nichts Konkretes, sondern lediglich auf Phrasen stoßen. Allein das Wort „Verantwortung“ kommt gefühlte 600 Mal vor. Die wichtigsten Argumente für das militärische Engagement – da wir ja „viele Verantwortungen haben, an denen nur ein gemeinsames Herangehen eine Chance auf Erfolg in sich birgt… um die wirklich wichtigen Fragen unserer Zeit erfolgreich lösen zu können…“ bleiben wage und in ihren Konsequenzen unabsehbar.

Es geht zwar immer um jene „gemeinsame Verantwortung um die große Herausforderung der Sicherheit zu bewältigen“. Denn Sicherheit sei die Voraussetzung dafür, dass wir in Freiheit leben können… Doch inwieweit gerade das militärische Handeln die Sicherheit gefährden könnte, wird mit keinem Satz reflektiert.

Die ganze Welt ist gefährlich!

Angela Merkel respektiert die Zweifel am Afghanistan-Krieg… doch das Land müsse nun mal stabilisiert werden, bis es selbst für seine Sicherheit sorgen kann. „Sie wissen, dass der 11. September sehr viel damit zu tun hat, dass wir heute in Afghanistan sind. Denn damals war unsere Sicherheit in Gefahr geraten.“, so die wässrige Umschreibung der Hauptargumentation für die Invasion. Und zur Verkündung der neuen Strategie (Afghanistan sollen auch gefragt werden) „Wir müssen mehr wissen, über die Wurzeln der Gewaltbereitschaft“. Genau an dieser Stelle müsste die Selbstreflexion folgen, doch die bleibt aus.

Aber Länder wie Somalia, der Sudan, zentrale Teile von Afrika, den nahen und mittleren Osten, ebenso Teile Lateinamerikas oder Asiens seien alles ebenso Länder, denen man „schon allein um der eigenen Sicherheit willen große Aufmerksamkeit widmen müsse“… Es sei also umso wichtiger, eine „Sicherheitspolitik“ zu betreiben, welche „auf globale Gefahren“ ausgerichtet ist. Im Grunde ist also die ganze Welt ein Hort der Gefahr, bestünde überall die Berechtigung militärischer „Lösungen“.

Also alles nicht Fisch und nicht Fleisch. Was bleibt sind die Soldaten vor Ort die für das waghalsige Afghanistan-Abenteuer ihr Leben riskieren, die Einheimischen die dieses Abenteuer mit dem Verlust an Sicherheit und nur viel zu oft mit ihrem Leben bezahlen. Was bleibt ist ein Land, dass gerade eben nicht stabiler wird, sondern genauso ins Chaos fällt wie der Irak – und viele Länder zuvor, denen der Krieg aufgezwungen wird.

Tatsache ist, dass wir Deutschen uns im Krieg befinden. Und… das wir ihn angefangen haben. Vom deutschen Boden IST also Krieg ausgegangen und tut er das noch immer. Da helfen auch Engelszungen nicht weiter. Die Gründe für die militärische Intervention sind genauso profan wie das Vorgehen grausam: Länder die nun mal nicht mitspielen im geostrategischen Konzept der Großen, werden für gewöhnlich finanziell platt gemacht. Geht das nicht, so rücken die Panzer an. Das ist geopolitischer Alltag. (Hier sei das Buch „Bekenntnisse eines Economic Hit Man“ von John Perkins ans Herz gelegt!)

Die Doku gibt es hier (ORF 2):

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=FfWcZJtP6NI[/youtube]

Und eine ebenso informative Videodokumentation über die Kriege im Orient des Journalisten und Publizisten Peter Scholl-Latour:

Zwischen Hass und Trauer – Der unheilige Krieg im Orient
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=6dI7mGN6-VY[/youtube]

Mission Accomplished?

Wie man sehen kann, führen die militärischen Strategien des Westens genau zum Gegenteil dessen was proklamiert wird. Mehr Sicherheit und Frieden für die Region? Pustekuchen. Denn dies würde voraussetzen, dass die Bewohner eines Landes wie zum Beispiel der Irak, oder jetzt Afghanistan sich auch wirklich in einer für sie besseren Situation wiederfänden. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Als George W. Bush 2003 den Krieg im Irak für beendet erklärte (siehe Video unten), ging der Ärger doch erst richtig los. Die Iraker sahen das ganz anders und zeigten, was sie von den Invasoren hielten. Eine Welle von Attentaten durchzog das Land und richtete sich ganz eindeutig gegen die Besatzer.

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=XzrJwzYBUkU[/youtube]

Und in Afghanistan? Hier kann überhaupt keine Rede davon sein, dass der Krieg gewonnen sei: Die Lage wird immer schlimmer. Immer mehr Menschen richten ihren Hass auf die „Schutztruppen“ und fordert lauthals „Hört auf uns zu töten!“.

Die „Mission“ ist keinesfalls erfüllt – zumindest nicht, wenn man sich die offiziellen, strategischen Ziele anschaut, die ihrerzeit Grund für die Intervention waren. Wo man hinschaut wurde das Chaos vergrößert, mussten Zivilisten sterben und Soldaten für eine unseelige Sache ihr Leben lassen.  Denn an der Sache ist nun mal nichts seelig und gerade deshalb ist sie auch unchristlich. Sie tritt die tiefsten Überzeugungen und Grundwerte des Christentums mit Füßen.

Ausstiegsszenario gesucht

Bis heute gibt es kein konkretes Ausstiegsszenario.  Stattdessen wurde der Rückzugstermin ständig nach hinten verschoben, Truppen und Gerät sogar aufgestockt. Mal abgesehen davon, dass Afghanistan eine Landesgrenze mit dem Iran hat und bei einem etwaigen Angriff ohnehin die Truppe aufgestockt werden müsste, sieht alles nur nach noch mehr Krieg und nicht nach weniger aus.

Und Deutschland marschiert ganz weit vorne mit, hat seine Geschichte anscheinend komplett vergessen und gleichfalls die aus ebendieser Geschichte erwachsende Chance zum Mahner der Welt zu werden. Es gibt nichts Gutes an einem Krieg und das er Freiheit und Sicherheit brächte ist ein Gerücht. Man mag immer wieder auf die Alliierten verweisen, die damals Deutschland bremsten. Doch weltweiten Frieden gab es danach keinesfalls. Das 21. Jahrhundert sollte nicht die Fehler des 20. Jahrhunderts wiederholen.

Die Welt ist instabil geworden. Der ideologische Streit zweier großer Heimsphären und der daraus resultierende kalte Krieg im letzten Jahrhundert sind vorbei. Doch so wie damals die Rüstungsindustrie Billionen an der Abschreckungsstrategie verdiente, so verdient sie heute noch immer am weltweiten Waffenexport. Deutschland hat kürzlich die Waffenexporte verdoppelt (!) – obwohl davon gesprochen wird, Frieden und Freiheit in der Welt zu mehren. Allein daran kann man erkennen, dass nichts aber auch gar nichts an diesen Beruhigungsfloskeln stimmt. Denn Waffen werden gekauft, um benutzt zu werden. Heute gehört Deutschland was den Waffenexport betrifft zur ersten Liga. Und die Waffen werden auch in Regionen verkauft, vor deren Instabilität Frau Merkel in San Franciso warnte. Wie das zusammen passt werden wir wohl erst merken, wenn es knallt.

Was tun?

Neben der Ächtung von Waffenproduktion und -export, steht die Aufklärung an erster Stelle. Warum führen wir Kriege? Was wird beabsichtigt? Was sind die langfristigen Ziele? Erst wenn hier Wahrheit gesprochen wird, können wir einschätzen, ob sich ein militärisches Engagement damit rechtfertigen lässt. Wenn dies nicht der Fall ist, kann und sollte jeder der diese Kriege nicht will, es (lauthals) zeigen. Denn immerhin wird er in unser aller Namen geführt.

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Einige Seiten zum Thema

DVG-VK
www.dfg-vk.de/thematisches/afghanistankampagne

Oxfarm – Bekämpfung der Armut in Afghanistan

www.oxfam.de/afghanistan

Nachrichten.de
www.nachrichten.de/panorama/Protest-Afghanistan-Eugen-Drewermann-Brandenburger-Tor-Demonstration-cid_2282329

Online-Petition „Truppenabzug jetzt!“
https://www.frieden-mitmachen.de/29/truppenabzug_jetzt!_frieden_statt_krieg

Online-Petitionen „Afghanistan-Krieg beenden“ (Hans-Christian Ströbele MdB)
www.afghanistankrieg-beenden.de/index.html

Auswärtiges Amt
www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/01-Laender/Afghanistan.html

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Bildquelle: www.care.de