Jedes Jahr ein neues Smartphone? Das ist für viele längst normal. Mit Blick auf den Ressourcen- und Energieverbrauch ist das jedoch der blanke Wahnsinn. Nun gibt es das französische Startup Back Market, das eine Art Kreislaufwirtschaft für Elektrogeräte in Gang bringen will.

In Frankreich ist die Plattform schon erfolgreich. Nun ist das Startup auch im deutschsprachigen Raum gestartet: Back Market (www.backmarket.de) ist quasi ein Online-Elektronikfachmarkt, bei dem es alles aus zweiter Hand gibt. Lisa Sievers ist für den Aufbau der deutschen Niederlassung zuständig und hat uns in einem Interview genauer erklärt, wie das funktioniert – und vor allem auch, warum das die Welt verbessert.

Wie funktioniert Back Market: Kann ich da künftig einfach meinen alten Fön verkaufen?

Lisa Sievers: Das läuft ein bisschen anders. Wir arbeiten mit Partnerwerkstätten zusammen, die die gebrauchten Geräte organisieren, prüfen, gegebenenfalls reparieren und dann über die Plattform bereitstellen. In Frankreich, wo wir ja gestartet sind, sind wir schon ein bisschen weiter und an dem Punkt, dass wir zum Teil auch Geräte direkt von Endverbrauchern ankaufen.

Das funktioniert derzeit vor allem mit Smartphones und Tablets gut. Langfristig wollen wir das aber auch auf andere Elektrogeräte ausweiten. Für die Kunden heißt das letztlich, dass sie bei uns 100 % funktionierende Produkte bekommen, die die Umwelt schonen – und dafür bezahlen sie sogar weniger.

Geplante Obsoleszenz: Es erscheinen immer schneller neue Smartphone-Generationen

Der Abstand zwischen den neuen Smartphone-Generationen wird immer kürzer. Das erzeugt natürlich auch immer mehr Nachfrage. Geplante Obsoleszenz nennt sich dies. Die Folge: Immer mehr Elektroschrott

Warum ist so ein Second-Hand-Elektromarkt wie Back Market überhaupt sinnvoll?

Lisa Sievers: Back Market ist entstanden, weil es eine rasant wachsende Menge an eigentlich noch gebrauchsfähigem Elektroschrott gibt. Ein gutes Beispiel dafür sind die Smartphones. Der Rhythmus, mit dem diese Geräte auf den Markt kommen, wird immer schneller. Von 2007 bis 2013 hat zum Beispiel Apple jedes Jahr eine neue iPhone-Generation herausgebracht. Das ist an sich ja eigentlich schon relativ viel. Doch seit 2014 erscheint jedes halbe Jahr eine neue Generation.

Das nennt sich geplante Obsoleszenz: Die Hersteller entwickeln ihre Produkte so, dass sie entweder tatsächlich oder auch nur in der Wahrnehmung der Verbraucher unheimlich schnell veralten. Das führt dann dazu, dass ich mit einem Smartphone, das gerade mal ein Jahr alt ist, schon das Gefühl habe, dass ich gar nicht mehr auf dem neuesten Stand bin und dringend ein neues Gerät brauche. Die Konsequenz: Immer mehr Elektroschrott.

Allein in Deutschland sollen laut einer Studie so pro Person über 21 Kilo Elektroschrott im Jahr zusammenkommen. Insgesamt beläuft sich das auf rund 1,8 Milliarden Tonnen Elektroschrott jedes Jahr. Davon wird noch nicht einmal die Hälfte richtig entsorgt. Der größte Teil von dem, was richtig entsorgt wird, wird übrigens recycelt. Das ist allerdings gar nicht immer die beste Lösung, weil die Recyclingprozedur auch wiederum aufwendig ist – und gar nicht geprüft wird, ob sich das Gerät weiter benutzen ließe.

Elektroschrott in Deutschland: Viele entsorgte Geräte ließen sich noch nutzen

Etwa die Hälfte aller alten Elektrogeräte werden richtig entsorgt. Die andere Hälfte endet in Schubladen oder auf illegalen Müllhalden. Bei kaum einem Gerät wird geprüft, ob es sich noch nutzen lässt.

Die andere Hälfte der Elektrogeräte, die nicht richtig entsorgt wird, endet entweder in Schubladen, was eine ziemliche Ressourcenverschwendung ist. Oder sie landet dort, wo sie nicht hingehört: Im Hausmüll oder auf illegalen Müllhalden in Indien oder in Afrika, wo der Elektroschrott zum Teil unter freiem Himmel verbrannt wird – mit katastrophalen Folgen für die Umwelt und die Gesundheit der Menschen. Genau hier setzen wir an: Wir reduzieren den Elektromüll und installieren eine Art Kreislaufwirtschaft.

Aber müssten wir nicht einfach grundsätzlich länger mit unseren Geräten auskommen?

Lisa Sievers: Das stimmt natürlich. Die erste Frage sollte natürlich sein, ob man wirklich ein neues Gerät braucht oder ob das alte Gerät noch funktioniert oder sich reparieren lässt. Wenn das nicht der Fall ist, reicht mir dann ein Gerät aus zweiter Hand? Wer unbedingt ein neues Gerät möchte, sollte eine möglichst faire und umweltfreundliche Alternative finden. Bei den Smartphones gibt es da bislang eigentlich nur das Fairphone – ein super Projekt, das wir übrigens echt gut finden. Es ist allerdings nicht ganz billig und kostet in etwa so viel wie ein neues iPhone.

Auf jeden Fall sind Konsumenten gefragt: Die Hersteller sind natürlich super darin, in uns den Wunsch nach dem neuesten Gerät zu wecken. Doch wir sollten darüber nachdenken, welche Auswirkungen die Geräte haben, die wir vielleicht sogar mehrmals täglich in der Hand haben.

Viele von uns gehen ja auch in den Bioladen, um dort Lebensmittel zu kaufen. Wir kaufen unser Gemüse regional und saisonal, weil uns die Umwelt wichtig ist. Auch bei Kleidung kommt es immer mehr in den Köpfen der Menschen an, dass es wichtig ist zu überlegen, wie diese hergestellt wurden. Da ist eigentlich der logische nächste Schritt, sich auch einmal bewusst zu machen, wo die ganzen Elektrogeräte herkommen.

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Das meiste CO2 entsteht bei der Herstellung eines iPhones. Es ist also überaus sinnvoll, ausgediente iPhones nicht einfach zu entsorgen, sondern weiter zu verkaufen oder zu verschenken.

Was sollten die Elektrokonzerne aus eurer Sicht besser machen?

Lisa Sievers: Zum einen wäre mehr Transparenz bei der Herstellung schön: Unter welchen Bedingungen sind die Geräte entstanden? Und zum anderen wäre es sinnvoll, die Geräte so herzustellen, dass man sie leicht reparieren kann. Zum Beispiel konnte man früher bei seinem Samsung-Gerät recht einfach selbst den Akku austauschen. Dann wurde das alles sehr viel komplizierter und man brauchte Werkstätten, die sich speziell damit auskennen. Am liebsten wäre es den Herstellern wahrscheinlich, dass wir ihre Geräte gar nicht mehr oder höchstens von ihnen selbst reparieren lassen können.

Doch der Fall mit dem iPhone 6 zeigte, wie einfach es sein kann: Dieses iPhone blockierte sich selbst komplett, wenn der Nutzer den Home-Button austauschte. Diejenigen, denen das passiert ist, waren natürlich nicht besonders glücklich. Das hat Apple so unter Druck gesetzt, dass das Unternehmen ein kleines Tutorial veröffentlichte, das zeigte, wie man das ganz leicht umgehen kann.

Wir müssen den Herstellern also auch zeigen, dass sie damit auf Dauer nicht durchkommen.

Was könnte die Politik bewirken?

Lisa Sievers: Es gibt bereits Pläne in der EU, die die Hersteller dazu verpflichten, einen bestimmten Prozentsatz an Elektrogeräten bis 2019 zurückzunehmen. Wobei diese Prozentzahl so gering ist, dass sie jetzt schon erreicht wurde. Aber es zeigt, dass es grundsätzlich Möglichkeiten gibt.

Was aus unserer Sicht überaus sinnvoll wäre, wäre die Geräte, die zu den Sammelstellen gebracht werden, erst einmal zu prüfen: Kann man sie noch benutzen? Denn sobald ein noch gebrauchsfähiges Gerät recycelt wird, wird dafür ein neues Gerät hergestellt. Untersuchungen zeigen, dass der weitaus größte Teil des CO2-Fußabdruck von beispielsweise Smartphones bei der Herstellung entsteht, und nicht durch die Nutzung. Das zeigt, wie sinnvoll es wäre, hier anzusetzen und die Geräte wieder zu verwenden, anstatt sie zu recyclen.

Vielen Dank und viel Glück für euren Start!