Der Sarrazin-Faktor: Man wird ja noch mal was sagen dürfen…

Die wilde Diskussion um Buch und Thesen des (Noch-)Bundesbankers Thilo Sarrazin hat Deutschland fest im Griff. Und sie treibt ganz seltsame Blüten. Kaum ist die Finanz- und Bankenkrise nur ein paar Zentimeter aus dem Blickfeld der Medien verschwunden, sorgt ausgerechnet ein Banker für ganz neue Schlagzeilen, brennt sich geradezu in die Titelseiten ein und teilt Deutschland in zwei Gesinnungshälften. Vordergründig geht es um Ausländer, Migration, Kriminalität, Gewalt, vererbliche Intelligenz und verpasste Integrationschancen. Das Ziel der Debatte könnte aber ein ganz anderes sein.

In diesen Tagen wünscht man sich manchmal einen Satz Augenbinden, Ohrenstöpsel oder einfach nur die Fähigkeit auf Durchzug zu schalten. Dann wiederum könnte einem der imaginäre Hut hoch gehen, angesichts der kruden Argumente die von beiden Seiten – Pro und Contra Sarrazin – ausgetauscht werden. Da gibt es auf der einen Seite diejenigen die mit dem Türöffnersatz „Man wird ja noch mal was sagen dürfen!“ eine ganze Stafette indifferenter, lange unter dem Deckel gehaltener Slogans von sich geben. Und dann die andere Gruppe, für die alles nur missratene Polemik und rechtes Geschwafel ist.

Die einen heizen die Migrantendebatte durch jede Menge Glut die sie ins Feuer werfen an – die anderen machen auf Betroffenheit oder zeigen mit dem Finger auf andere. Und da kommen wieder die Blätter, die Medien und weichkauenden TV-Talkshows ins Spiel. Nur die Wenigsten nehmen den sarrazinschen PR-Ball nicht auf, um ihn (mit Effet) weiter zu spielen, oder suchen nach einem Ausweg aus dem Dilemma. Denn eins ist klar, in dieser Diskussion geht es nicht nur um die Toleranz gegenüber Migranten, sondern ganz generell um die Toleranz gegenüber anders lautender Meinungen.

Eine lange Vorgeschichte

Deutschland hat einen Krieg gegen die Welt geführt und in diesem Millionen von Menschen in den Tod geschickt. Diese Lücke wurde durch die „Gastarbeiter“ geschlossen. Italiener, Türken, Griechen usw. die man für niedere Arbeiten einsetzte, und das zu einem entsprechenden Lohn. Sie waren nicht mehr als Arbeitskräfte, die von uns zwar gerade eben geduldet, aber niemals wirklich akzeptiert wurden. Man wollte ihre Arbeitskraft… und das war es. Man brachte sie in ausgesuchten Stadtteilen unter, um im Alltag möglichst wenig Berührungen zu haben, man erfand Türkenwitze und – „man wird ja noch mal was sagen dürfen…“ – hinter ihrem Rücken nicht gerade die feinsten Worte. Alles zu einer Zeit, wo es genug Arbeit für alle gab.

Doch als mit den 80er Jahren ein Umdenken stattfand und aus einer Solidaritätsgesellschaft die Leistungsgesellschaft wurde, in der jeder gegen jeden anzutreten hatte, verfielen nicht nur gesellschaftlichen Strukturen. Auch wirtschaftlich änderte sich so ziemlich alles, verfielen die Binnenmärkte, zerfiel das Kleingewerbe weitgehend, drängten die großen Unternehmen in diese Märkte und besetzen sie fast vollständig.

Übrig blieben nur einige wenige Kleinstgewerbe, wie der in dieser Diskussion so gern angeführte Gemüsehandel. Wen wundert es, dass in diesen die Migrantengruppen ihre Chance sahen und diese in den 90er Jahren beherzt ergriffen? Arbeit für die sich die Deutschen nun mal zu schade waren – als es ihnen noch gut ging. Doch nun geht es ihnen eben nicht mehr gut, schwinden die Kapazitäten im Arbeitsmarkt, drängeln sich immer mehr Menschen um die weniger werdenden Jobs. Die Grundlage für den Sozialneid war geschaffen, als Folge verfehlter Arbeits- und Binnenmarktpolitik.

Und heute?

Worüber heute „ganz Deutschland“ spricht ist nur oberflächlich die Frage, ob die Migranten, ihre Lebensweise, ihre Weltanschauungen, ihre Religion und ihre Art zu leben eine Gefahr für unsere Kultur sei. Nur oberflächlich geht es um die Gefahr die von einzelnen ethnischen oder religiösen Gruppen ausgeht. Es geht vielmehr um eine moralische Frage die in der Gesellschaft nie offen diskutiert wurde: „Wie gehen wir miteinander um?“ Denn: Das Misstrauen, der Neid und Aggression gegenüber Anderen hört ja bei diesen nicht auf (oder beginnt auch nicht mit ihnen), sondern richtet sich in den letzten Jahren zunehmend bei allen gegen alle. Gehen wir selbst denn so tolerant, friedlich und herzlich miteinander um? Sind wir gute Vorbilder? Zeigen wir den anderen wie es geht? Sind WIR selbst überhaupt anders?

Die Entwicklungen der letzten 30 Jahre haben uns hart werden lassen. Hart miteinander und hart gegen uns selbst. Und das hat erst einmal überhaupt nichts mit Migranten, mit Ausländern, mit Moslems zu tun. Alt gegen Jung, Mann gegen Frau, Arm gegen Reich, Arbeitende gegen Arbeitslose – darin sind wir wirklich gut. Sei es im Verborgenen und heimlich, oder lauthals und demagogisch.

Und gleichzeitig geben wir uns den trivialen Dingen des Lebens hin, genießen den Nichtsnutz und tun alles, um nur ja nicht gedanklich an die ethischen Grundlagen unserer Gesellschaft heran zu müssen. Doch hier gäbe es wahrlich viel zu tun. Da wir uns diesen Fragen auch Anfang des 21. Jahrhunderts nicht stellen, zerbröselt das was man bräuchte um die Probleme die vor uns liegen zu lösen, noch bevor es eine Chance bekommt auf breiter Ebene wahrgenommen und diskutiert zu werden. Und nun haut es uns um die Ohren.

Wo sind die Lösungen?

Ganz simpel gesagt, wir zerreißen uns lieber das Maul als Brücken zu bauen. Wir predigen selbst nicht gerade Liebe. Ein Einfallstor für Demagogen, rhetorische Brandbeschleuniger und Volksverführer tut sich auf. Denn wo es keine Gemeinsamkeit gibt, wird man schwach für deren Argumente. Dabei liegen nicht nur die Probleme, sondern auch ihre Lösungen auf der Hand…

Politische Lösungen

Die politische Kultur in den 70er Jahren war bestimmt von einem Höchstmaß pädagogischer Toleranz. Antiautoritäre Erziehungsmethoden sollten die Freiheit von Kindern fördern, Ihnen Selbständigkeit und Selbstvertrauen geben. Doch dieses Konzept schuf kleine Tyrannen, die die Gunst der Stunde schnell erkannten und dazu gebrauchten, egoistische Interessen durchzusetzen. Da half es auch nicht mehr, selbst harmlose Märchen als pädagogisch gefährlich einzustufen und die Kinder von diesen fern zu halten.

In den 80er Jahren stieß der Geist der „Selbstverwirklichung“ hinzu und verband sich mit dem Prinzip der Leistungsgesellschaft die den Einzelnen über seine Leistung definierte. So konnte dem Restsatz Antiautorität ein neuer Drall verpasst werden, der aus dem sich selbst verwirklichenden Individuum einen Ellenbogenmenschen machte. Wer an die unbegrenzte Freiheit glaubte, wer glaubte, dass er im Leben alles schaffen kann (wenn er es nur will), kommt in einer Gesellschaft nun mal nicht ohne Ellenbogen aus. Wer jedoch über diese „Qualitäten“ nicht verfügt, bleibt zwangsläufig außen vor. So hatte man beides: eine nach Außen tolerante Gesellschaft und im Kern ein Prinzip, das beim Sieben half – denn alle können es nun mal nicht schaffen.

In diesen 20 Jahren wurde jedoch kein ernsthafter Versuch gemacht, die Gastarbeiter zu „vollwertigen Mitbürgern“ zu machen. Auch die Einsatzgebiete und Gehälter wurden nicht besser. Dem Gefühl nach waren sie ja nur Gäste und Gäste gehen nun mal irgendwann wieder. Die Politiker nutzen den Vorteil und sprachen sich nicht klar aus. Man versäumte es schließlich, klare Worte an die Gesellschaft zu richten und beiden, Einheimischen wie auch Zugezogenen, eine gemeinsame Perspektive zu offerieren.

Die 90er Jahre machten es nur schlimmer. Die Leistungsgesellschaft war das alles beherrschende Prinzip. Millionen von Menschen machten sich auf, ein Stück vom großen Kuchen zu bekommen, wenn möglich kraft ihrer „geistigen Überlegenheit“… Spekulationen an der Börse, New Economy, 16-Jährige als Millionäre – alles schien möglich. Und unsere Gäste? Diese mussten für ihr eigenes Glück sorgen und besetzten die Felder die ihnen offen standen. Noch war es gut, denn anfangs gab es noch genug Arbeit (so schien es) für alle.

Doch eine Leistungsgesellschaft birgt in sich die Gefahr, dass um Leistung zu steigern ganz neue Methoden Einzug halten… Rationalisierung, Konzentration und Sparen, sparen, sparen. Ausländer die es geschafft hatten unterzukommen, genossen den Schutz der Belegschaften, wurden Teil von ihnen und waren zumeist akzeptiert. Doch die anderen drängelten sich nun in immer kleiner werdenden Nischen.

Das Jahr 2000. Man schaute voller Zuversicht auf das neue Jahrtausend, glaubte alle Gefahren überwunden zu haben und einer Welt voller Verheißungen entgegen zu gehen. Doch die Blase zerplatze schnell. Die New Economy zerstäubte und löste eine Finanzkrise aus. Die Welt war genauso schwierig und ungerecht wie zuvor. Und der Anschlag am 11. September 2001 änderte alles. Nun wurde aus dem unliebsamen Gast den man am liebsten wieder loswerden wollte ein potenzieller Feind. Man hatte Angst vor den muslimischen Migranten; ein Zustand der durch zahlreiche Artikel der Mainstreammedien, Filmberichte, Buchveröffentlichungen etc. noch angeheizt wurde. Die Rede war nicht nicht mehr von den Verfehlungen der Gesellschaft und ihrer Politikerkaste, sondern von Gewalt, Terror und Gotteskriegern. Ein Zustand der sich seither immer weiter hoch schaukelte.

Die Gewalt

Wir lesen häufig von Gewalttaten. Nicht so sehr von denen die wir anderen Menschen militärisch und wirtschaftlich zufügen, sondern von denen die uns ausländische Mitbürger antun. Wir erfahren von Schulen in denen deutsche Kinder verprügelt werden, von Übergriffen auf der Straße, von Strassenbanden und auch von muslimischen Mitbürgern die sich abfällig über die Deutschen und ihre Kultur äußern. Wir erfahren von Geistlichen die gegen uns Stimmung machen und drohen unsere Gesellschaft zu unterwandern. Ganz klar, dass uns dabei mulmig wird. Vielleicht leben wir sogar inmitten der Brennpunkte und wurden selbst schon mit dieser Gewalt konfrontiert. Und dagegen soll es kein Mittel geben?

Deutschland hat seine Kultur auf die es so stolz ist, den Geist der Dichter und Denker längst über Bord geworfen. Was zählt ist Besitz, Prestige und Image. Philosophische oder auch nur ethische Grundlagen zählen da nicht mehr so viel. Was zählt ist das Hauen und Stechen, das zähe Verteidigen der eigenen Vorteile, das Recht haben und durchsetzen. Und obwohl der Feind somit in uns selbst schlummert, suchen wir ihn in der Nachbarschaft, bei unseren Mitmenschen und Mitbürgern. Wir haben keinerlei Vision für eine gemeinsame Zukunft. Die eigentlichen Probleme und eben auch die Frage der Emigranten haben wir unter dem Teppich gelassen. Doch die heimlichen Anschauungen und Ressentiments haben wir nie abgelegt. Jetzt kommen sie wieder hoch.

Wie anders wäre eine Welt in der wir die Grundpfeiler der Gesellschaft, die Werte der Gemeinsamkeit höher achten würden, als uns selbst. Doch wer das tut wird eher verlacht und meist gar nicht verstanden. Hier haben 30 Jahre verordnete Gesellschaftserziehung das ihrige getan. Uns fehlt schlichtweg eine moralische Basis, denn die haben wir als Ego-Kämpfer bereits hinter uns gelassen. Wer keine Perspektive hat, wer nichts leistet, wer nicht mitspielt, gehört einfach nicht dazu.

Auf der anderen Seite die Migranten die wir ja derzeit medial im Fokus haben. Sie hatten nie wirklich eine Chance und so wie es aussieht, bekommen sie auch keine mehr. Doch anstatt über einen gemeinsamen Weg nachzudenken, haben wir sie in diesem Gefühl belassen. Wo noch genügend Arbeit vorhanden war im Stillen, jetzt wo es eng wird, werden auch die Stimmen lauter.

Wir sind gewohnt nach Leistungsträgern und Leistungsempfängern zu unterscheiden, und nicht nach menschlichen, gesellschaftlichen Werten. Doch als was sollten sich diejenigen selbst sehen, die in diesem Wertegerüst  scheitern? Wenn Besitz, Prestige und Image die Bedeutung des Einzelnen ausmachen, dann holt man sie sich eben auf anderen Gebieten. Diebstahl, Gewalt und Gehabe stoßen uns auf? Dann sollten wir uns fragen, warum diese für manche der einzige Weg zu sein scheinen, überhaupt als etwas zu gelten…

Wir haben die zivilrechtlichen Mittel, um Straftaten zu verhindern. Es wäre kein Problem dem Treiben von Jugendbanden, von Kleinkriminellen und Gelegenheitstätern beizukommen. Dafür braucht es keine Ächtung ganzer Volksgruppen, sondern einer klaren Ansage und Durchsetzung rechtsstaatlicher Mittel. Wir haben jedoch keine Mittel, um unsere Gesellschaft zu befrieden. Diese haben wir aufgegeben, in Unkenntnis der Gefahr dass sie viel systemrelevanter ist, als die Banken es von sich selbst behaupten.

Unsere Gesellschaft ist bereits zerbrochen und wir haben aus egoistischen Motiven zugesehen. Nicht alle, aber die meisten. Gewalt ist die Folge. Gewalt die wir uns jederzeit und jeden Tag selbst und untereinander antun. Eine Bekämpfung der Gewalt von Migranten ist jedoch nur dann glaubwürdig, wenn wir offen (und ehrlich) zugegeben, dass wir selbst hier erhebliche Defizite haben. Wir gehen vielleicht nicht auf die Straße um uns zu prügeln, doch es gibt noch 1000 andere Wege einander zu schaden.

Das Gewaltproblem stellt uns vor eine Herausforderung. Eine Herausforderung die größer ist als die Frage der Integration von Migranten. Wir hatten unlängst die Gelegenheit die Werte unserer Gesellschaft zu diskutieren, vielleicht sogar neue zu etablieren. Die Weltwirtschaftskrise zwang uns eigentlich dazu. Doch wir haben lieber Schulden auf die Zukunft gemacht und lassen nun alles weiter laufen. Doch das Problem ist nicht weg. Im Gegenteil, es droht die Gesellschaft zu spalten und uns kopflos werden zu lassen – wie schon häufiger in der Geschichte. Eine willkommene Gelegenheit für manche, politische Macht zu erlangen..

Hinter dem Vorhang

Anstelle einer Wertediskussion keimen nun Vorwürfe, Schuldzuweisungen, Verdächtigungen und öffentliche Angriffe auf. Wir zerfleischen uns. Und vielleicht ist es genau das was sich manche wünschen. Denn schon seit Jahren gibt es Bestrebungen der wieder erstarkten Linken etwas entgegen zu setzen – eine Partei rechts der CDU, die mit den Verhältnissen aufräumt, Schmarotzer auf ihre Plätze verweist und die Daumenschrauben ansetzt, wo die nie stattgefundene Integrationspolitik versagte. Gerade titelt die Bild-Zeitung dass 18 Prozent der Deutschen für eine solche Partei wären. Alles riecht nach einer noch größeren PR-Story die hier gefahren wird. Das Ziel: die Zerschlagung der großen Volksparteien CDU und SPD. Die CDU, weil sich in ihr schon längst rechte Kräfte immer lauter artikulieren und auf der Ressentiment-Welle reiten, die SPD, weil immer mehr Menschen weiter nach links rücken, um rechten Bestrebungen etwas entgegen zu setzen.

Am Ende könnten sich womöglich zwei neue Parteien gegenüber stehen; eine noch stärker gewordene Linke und eine neue, radikalere Rechte im bürgerlichen Gewand. Zwei große Gegner die die Menschen hinter sich vereinen und gegeneinander aufwiegeln werden, denn beide Seiten agieren mit Extremen. Was, wenn dieser Streit ausufert und sich die Menschen auf den Straßen gegenüber stehen?

Die größte Gefahr geht nicht von Muslimen aus, sondern von der gesamten Gesellschaft. Denn wir werden den Egoismus-Virus nicht mehr los. Obwohl alles knapper wird und für immer weniger genug da ist, fällt uns nichts besseres ein als auf noch mehr Leistung zu setzen, noch mehr zu sparen… und noch mehr uns gegenseitig auszustechen. Doch wo wird das hinführen? Je emotionaler die Gegensätze, desto einfacher würde es sein, eine neue Parteienlandschaft zu etablieren. Je größer der Hass, desto weniger würden die tatsächlichen Verluste vermerkt – und diese sind gravierend. Es sind die Verluste all dessen was uns zu Menschen macht, Werte für die die Menschheit hunderte von Jahren gekämpft hat, Werte die wir zum überleben brauchen.

Hinter dem Vorhang braut sich was zusammen und wir täten gut daran, mal alles Unwichtige (und sei es nur einen Augenblick) beiseite zu schieben und dem Zerfall der Gesellschaft entgegen zu wirken, eine Dritte Kraft zu bilden die

  1. nicht die Leistung höher schätzt als den Menschen und
  2. dort Mäßigung und Annäherung schafft, wo sie dringend geboten sind, die
  3. eine Vision entstehen lässt die für alle genügend Perspektiven offen lässt, die
  4. nicht zuletzt den Schwächsten, Armen und Habenichtsen um ihrer Selbst Willen unter die Arme greift (damit ist zunächst nicht Geld gemeint) und nicht zuletzt
  5. die sich der Durchsetzung gesellschaftsfeindlicher Werte entgegen stellt – nicht nur der Imigranten, sondern auch – und insbesondere – der eigenen. Ohne diese Werte werden wir von der Brutalität überrollt werden und wir werden als vermeintlich letzten Ausweg die Gewalt wählen. Die Linke und die Rechte werden uns solange dabei nicht unterstützen, solange sie selbst auf Kampf und Eigensinn setzt. Von hier ist keine Hilfe, sondern nur noch mehr Gefahr für die Gesellschaft zu erwarten.

Fazit

Was tun? Die Diskussion um die Thesen von Sarrazin sind im vollen Gange. Doch sie bleibt stets an der Oberfläche. Selbstkritik ist selten im Spiel. Die Stimmen werden lauter, immer mehr Politiker mischen sich ein und versuchen für sich das Beste heraus zu holen. Damit muss Schluss sein. Wenn wir schon durch die Wirtschaftskrise nichts lernen wollten, dann doch bitte schön aus unserer eigenen Vergangenheit.

Wir wissen, wohin es führen kann. An diesem Scheidepunkt unserer Geschichte bleibt es fraglich, ob wir den Politikern und ihren Meinungssatteliten trauen können. Deshalb sind wir selbst gefragt, sollten wir uns persönlich für den Dialog entscheiden, sollten im Schlamm wühlen als wir bisher bereit waren. Dann würden wir erkennen, dass das Problem tiefer liegt, aber nicht tief genug, um es zu lösen. Wer auch immer sagt, dies sei unrealistisch, der gibt sich mit der Entwicklung zum Äußersten ab oder scheint diese sogar zu wünschen. Wer sich raus hält, der könnte bald selbst auf der moralischen Strecke bleiben.

Alle Seiten brauchen eine Chance. Genau die Chance die wir uns seit den 80er Jahren versagen. Unser Gesellschaftssystem, unser Wirtschaftssystem und unsere Selbstüberschätzung, unser Versuch uns über Besitz zu definieren und nur an der Leistung zu messen, laufen auf ein zerstörerisches Ziel hinaus. Solange wir an ihnen festhalten, werden wir dem unausweichlichen Dilemma nicht entkommen. Entweder ist es uns egal… entweder vertrauen wir auf die da oben, oder wir gehen es selbst an. In den kommenden Zeiten wird der Streit zunehmen.

Wir werden immer häufiger mit der bösen Fratze aus Angst und Hass konfrontiert. Der einzige Ausweg ist dieser Perspektive etwas entgegen zu stellen. Aus Angst Vertrauen und aus Hass wenn nicht Freundschaft so doch erst einmal Respekt werden zu lassen. Aus dem Egokampf muss Gemeinsamkeit werden, denn ohne die bleibt unserer Gesellschaft nicht mehr viel Zeit und am Ende kaum eine Chance. Es lohnt sich also nicht nur, sondern es ist zugleich unsere Pflicht die großen Werte neu zu beleben und zu retten, für die unsere Vorfahren sich so innig einsetzten. Ansonsten haben wir sie schlichtweg nicht verdient und müssen ohne sie auskommen – auch wenn sich die Entwicklung irgendwann mal gegen uns selbst richtet.

Bildquelle: Pixelio.de, Angela Parszyk