Die Kontrakte des Kaufmanns. Oder: Was für ein Theater, diese Finanzkrise…

»Elfriede Jelinek war mal wieder die Schnellste«, schreibt die Süddeutsche über ihr Theaterstück »Die Kontrakte des Kaufmanns«, das im April in Köln seine Erstaufführung hatte. In Hamburg spielte vergangenen Freitag die Occupy-Hamburg-Bewegung mit.

kraft des theaters

Die Kraft des Theaters

Ein denkwürdiges, ein nachdenklich stimmendes Spektakel. Ich persönlich liebe ja Elfriede Jelinek und halte sie für ein Genie. Aber sie ist umstritten. Und sie ist schwierig. Es gibt keine klare Handlung, noch nicht mal klare Sätze. Ein im Hals stecken bleibendes Sprachspiel reiht sich an ein sarkastisches Sprachbild an ein misstönendes Liedchen an eine provokante Präsentation der Banalität des Bösen. Wie immer sind es aber nicht nur die gut gewählten Wortcollagen, die da unablässig auf einen einströmen! Es sind auch die szenischen Bilder und symbolischen Inszenierungen, die die Kraft der Theaterstücke ausmachen:

Echte Baugerüste, die da auf die Bühne krachen. Riesige Luftballons, auf die die Gesichter der Bankengeier projiziert werden. Gierige Banker, die sich Geldscheine in den Mund stopfen, bis sie daran krepieren.

theaterstück
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Banale Alltagssorgen

An besagtem Abend kamen im Hamburger Thalia Theater gerade mal 99 Seiten des Stücks zur Aufführung. Auch das dauerte immerhin schon mal vier Stunden. Aber sie lohnen sich soweit man sagen kann, dass sich der Besuch eines Theaterstückes lohnen kann. Denn sie führten mir einmal mehr drastisch vor Augen, wie banal doch unsere vielen, kleinen Alltagssorgen sind – verglichen mit der Größe des systemischen Wahnsinns, den unsere dekadente Gesellschaft prägt.

Aktionismus ist gefragt!

Wie gesagt spielten an diesem Abend – neben dem Hamburger Gewerkschaftschor und Stephane Hessel (zugeschaltet per Video aus Paris) – viele Aktivisten der Hamburger Occupy-Bewegung mit. Sie stürmten die Bühne, sie verlasen ihre Anschuldigungen, sie riefen ihre Appelle. Ja, sie tun etwas, sie wagen etwas, sie bleiben nicht passive Konsumenten, sie machen den Mund auf, nehmen Anstrengungen auf sich, lassen nicht locker (auch jetzt, wo der Winter mit Minusgraden Einzug hält!). Wir – im Zuschauerraum – starrten ihnen entgegen ins Rampenlicht. Ja, wir blieben sitzen. Wir stürmten die Bühne nicht. Wir stellten auch am Tag danach nicht unsere Zelte dazu. Sind wir die Jelinek-Protagonisten? Es scheint so.

geld und tod

Ja, wenn Theater dieser Tage überhaupt noch etwas bewegen kann, dann solche Stücke, wie mir scheint. Am 8. Februar gibt es die nächste Aufführung. Wenn ich das richtig verstanden habe mit den nächsten 99 Seiten und den nächsten Gastdarstellern. Ich kann nur jedem den Theaterbesuch empfehlen. Natürlich in der Hoffnung, dass dieser bleibende »Schäden« hinterlässt ;-).

Weitere Infos gibt es auf der Website des Thalia Theaters. Danke auch für die Bilder!