Auf dem Narrenschiff: Grüne vs. CSU

Wer öffnet die unterste Schublade? Vor einiger Zeit macht ein Hetzvideo der CSU die Runde, in dem die Grünen als dumbatzige Gewaltlinge verunglimpft wurden. Der Stil war einfallslos, die Machart ziemlich primitiv und böse. Jetzt – anlässlich seines Fußnotenskandals – kommt von den Grünen die Retourkutsche: Eine Seite auf der die „besten Gutti-Witze“ gesammelt werden. Und, man darf raten… die ist genauso stumpfsinnig in ihrem Ansinnen, gerade dann, wenn man sich mal die Qualität der Witze ansieht. Alles in allem kratzt man sich am Kopf. Gibt es nicht größere Probleme? Und, was ja noch wichtiger ist, ist das Ansehen aller (!) Parteien nicht ohnehin schon schlecht genug?

Die CSU hat übrigens auf ihrer YouTube-Seite die Kommentarfunktion geschlossen. Denn: Kritik austeilen fällt ja immer wesentlich leichter, als welche einzustecken. Ist auch verständlich, bei diesem nicht nur dramatisch schlecht gesungenen, sondern gleichfalls dilettantisch gedichtetem Text:

„Ein Männlein steht im Walde,
ganz grün und dumm.
Es hat vor lauter Protest,
eine Steinschleuder um.

Grün sein und dagegen sein,
mit Pflaster-, Schotter- und Ziegelstein.
Ach wie bin ich froh,
doch kein Grüner zu sein.

Schlechter geht es doch kaum noch… oder?

Und nun halten wir mal das Niveau der Grünen-Webseite dagegen

„Warum will Ursula von der Leyen nicht mehr neben Guttenberg am Kabinettstisch sitzen? Weil der immer abschreibt.“

Ein echter Schenkelklopfer. Wirklich. Noch ein Beispiel?

„Schlagzeile in der BILD: “Brutalstmögliche Aufklärung: Guttenberg feuert Doktorvater!”“

Ein echter Kracher und Kissenkraller. Wirklich ganz selten so gelacht…

Ich frage mich: Muss das wirklich sein? Warum bitte schön verhalten sich die Parteien wie im Kindergarten?

Überhaupt bin ich schwer enttäuscht von den Parteien. Morgen sind Wahlen bei uns in Hamburg und tatsächlich weiß ich bis jetzt noch nicht, wen ich wählen soll – und ob. Ich beobachte die Politik der Hansestadt nun schon seit den 70er Jahren und kann sagen: Alle Parteien haben es versiebt. Das die Linken sich nun im Brustton der Überzeugung als DIE Lösung ins Gespräch bringen ist absolut absurd. Denn man kann natürlich den Mund gut und weit aufreißen, wenn man weiß, dass man ohnehin nicht in Regierungsverantwortung kommen wird. Und überall dort, wo es dann doch mal gelingt, ist es mit dem sozialen Gehabe ganz schnell vorbei. Da braucht man gar nicht erst nach Berlin zu schauen (rot-rote Regierung), um das zu erkennen. Kommt eine Partei erst an die Macht, ist alles Gerede von vorher nur noch Makulatur.

Wenn Parteien die unterste Schublade erst einmal geöffnet haben, darf und kann man auch nichts Gescheites mehr erwarten.

Schaut man z.B. mal auf die Site  „GuttenPlag Wiki„, eine Seite auf der die Plagiatstellen der Doktorarbeit von Karl-Theodor zu Guttenberg gesammelt werden, fällt einem doch sofort der große Werbebanner auf. Das ist nur noch peinlich.

Meine Güte, dass hat schon etwas von der „18“ die sich Guido Westerwelle seinerzeit mal auf die Schuhsohlen hatte malen lassen, als die Partei noch voller Hoffnung war.

Ist nichts mehr peinlich?

Der politische Stil nimmt ständig weiter ab. Einerseits boulevardisiert sich die Politik als Ganzes, andererseits scheint es die Menschen auch gar nicht mehr wirklich zu interessieren, wes Geistes Kind ein Politiker ist, wenn er nur nett rüber kommt und klug daher redet.
Gestern, bei der Bundespressekonferenz zeigte Guttenberg was schlechter Stil ist. Er lies sich ganz einfach entschuldigen, nahm nicht zu den Vorwürfen Stellung, sondern gab lieber im Hinterzimmer ausgesuchten (geneigten) Journalisten ein exklusives Interview. Ein Eklat. Die Pressesprecher von ihm und der Regierung machten lange Gesichter.

Und lässt man die Politiker dann erst mal in die weite Welt hinaus, zeigt sich noch so manche schlechte Haltungsnote:

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=-RrEQ8Ovw-Q&feature=related[/youtube]

Es ist wohl wie es ist. Wir haben genau die Politiker die wir verdienen. Denn wir wählen sie ja. Wir glauben den Parteien, hängen an den Lippen der Politiker, analysieren ihre Reden und wundern uns trotzdem, dass sie oft ihre Aussagen und Meinungen wechseln, wie es ihnen gerade in den Kram passt. Irgendwo auf diesem Weg den wir als Gesellschaft nehmen, bleibt dann auch das Niveau auf der Strecke. Selbst wenn wir uns wichtig geben und so tun, als sei Boulevard, Chic und Eleganz wichtiger als unsere Zukunft, werden wir schon demnächst erkennen, dass alles das gar nichts wert ist.

So traurig es ist, mir fällt im gesamten politischen Spektrum keine Partei ein, der ich meine Stimme geben mag. Und ich bin weder politik-, noch demokratiemüde. Ich bin nicht verdrossen, sondern „lediglich“ entsetzlich enttäuscht von der sogenannten Parteiendemokratie, von den Medien die sie stützen und von ihr leben. Und am Ende auch von unserer Gesellschaft, da sie anscheinend bereit ist, sich immer wieder neu auf das Spielchen einzulassen, immer wieder auf dieselben Sprüche rein zu fallen und sich blenden zu lassen.

Welche Probleme löst das Parteiensystem noch?

Es wird Zeit, dieses System ganz grundsätzlich zu hinterfragen, bevor es alles in die Brüche legt, was uns etwas bedeutet. Bevor es unsere Zukunft, unsere Hoffnungen und Chancen als Menschen miteinander auszukommen auf Jahre ruiniert – oder es  in einem Akt unendlich brutaler Konkurrenz beiseite fegt. Wir können und wir dürfen nicht mehr auf die Politik starren wie die Kaninchen auf die Schlange. Wenn wir nicht aus den letzten Jahren gelernt haben, dann gibt uns 2011 nochmals Gelegenheit dazu. Nach dem Superwahljahr wird in Deutschland ein neuer Wind wehen und dieser dürfte vielen Menschen zu kalt sein.
Es gibt in jeder Krise auch eine Chance, aus jedem Dilemma einen Ausweg. Doch das Schlimmste was wir uns selbst und untereinander antun könnten, wäre diese Chance nicht zu ergreifen und den Ausweg noch nicht einmal zu wollen – aus Bequemlichkeit, aus Angst oder aus egoistischer Berechnung. Die Politiker sind nur noch wie kleine Kinder die sich die Ohren zuhalten und so laut wie möglich gegenan schreien. Sie wollen sich nicht selbst abschaffen, sondern hängen an ihren Positionen. Doch solange sie sich festkrallen, werden sie in einer sich verschlechternden Gesamtlage auch ihr Niveau ständig weiter herabsetzen (müssen). Sie ziehen sich gegenseitig herunter, wie man sieht. Doch der Preis dafür – und den zahlen wir – ist einfach zu hoch.

Ein Kanzler der sein Land in den Ruin treibt, ein weiterer Kanzler der die Armen dafür bestraft und eine Kanzlerin die dem Amt dann die letzte Würde nimmt – was soll die Gesellschaft noch ertragen müssen? Was muss sie noch erdulden? Auf wie viele wohlfeilende Worte wird sie noch herein fallen, wie vielen vorgesetzte Träume sollen noch zerplatzen, bevor die Menschen erkennen, dass sie alleine sind und ihre Zukunft allein in die Hand zu nehmen haben? Hilfe wird es keine geben. Nicht einmal Verständnis oder aufmunternde Worte, die ehrlich gemeint sind. Das erleben wir in Hamburg derzeit, doch genauso wird es auch in den anderen Bundesländern geschehen. Genauso wird es in gesamt Deutschland passieren, in Europa und letztlich in der Welt. Wir erleben eine Umwälzung die aus diesem Dilemma entspringt. Wir zeigen zwar nicht viel Solidarität mit den Menschen im Nahen Osten, doch irgendwie begreifen wir tief in uns, dass dies der Anfang ist und es nicht an den Grenzen Europas enden wird.

Wem nur die Zukunft überlassen?

Noch haben wir die Chance der Niveaulosigkeit, den Banalitäten, den Täuschungen, den leeren Versprechungen, den Winkelzügen, den Gemeinheiten und Ungerechtigkeiten etwas entgegen zu halten. Noch ist das Fenster der Geschichte einen kleinen Spalt geöffnet. Doch je mehr wir uns im politischen und wirtschaftlichen Dilemma verstricken, desto weniger werden wir ihm letztlich entkommen. Wir haben an der falschen Stelle gespart, überall dort, wo wir unsere menschliche Verantwortung an Parteien abgegeben haben. Nun erkennen wir, dass das nicht funktioniert, das wir sie uns zurück holen müssen. Diese Erkenntnis beginnt jedoch in uns selbst, in dem Gefühl, dass wir alle in einem Boot sitzen, selbst dann, wenn wir uns sicher und für die Zukunft gerüstet fühlen. Wenn wir alle anderen nicht mitnehmen auf dem Weg in eine gemeinsame Zukunft, dann werden dies andere für uns übernehmen. Wir sollten uns fragen, was das dann für eine Zukunft wird, und ob wir wirklich sicher sein können, in ihr einen Platz zu finden – für uns, unsere Familie und die Menschen die wir lieben, sofern wir das am Ende nicht auch noch verlernt haben.
Man kann sagen: Die Karten sind gemischt, aber noch nicht wirklich verteilt. Die  Zukunft ist noch nicht geschrieben. Doch das Narrenschiff fährt noch. Ziel ungewiss.

Bildquelle:
Pixelio.de, Gerd Altmann