Kaum ist die Afghanistan-Konferenz zu Ende, kommt Beschuss von allen Seiten. Die Nachricht, die gestern und heute wohl am meisten durch’s Internet rauschte: Wikileaks hat 92.000 zum Teil streng geheime US-Dokumente über den Afghanistan-Krieg online gestellt.

„So etwas gab es noch nie“, schreibt der Spiegel, der – zusammen mit dem Guardian und der New York Times die Dokumente als echt einstuft. Nur wenige Tage zuvor hatte die Washington Post mit einer aufwendigen Recherche-Arbeit für Aufsehen gesorgt: Sie berichtet über rund 2000 streng geheime US-Organisation und 50.000 Geheimdienstberichte jährlich – die schon lange nicht mehr kontrollierbar seien bzw. für effizienten Terror-Schutz sorgten.

Wikileaks hat bereits unter Journalisten, Medienmachern und Regierungen erheblich für Aufruhr gesorgt. Die 2006 gegründete Plattform beschreibt sich selbst als „unzensierbar“ – und hat sich der Aufgabe verschrieben, wichtige Dokumente anonym zu veröffentlichen. Nun sorgte sie einmal mehr für Aufregung: mit anscheinen hoch brisanten Geheimdokumenten (hier der Link, auch wenn es mir nicht gelang, dort hin zu kommen – sicherlich ist der Server überlastet oder ähnliches). Das Ergebnis: die Lage in Afghanistan ist anscheinend schlimmer als von vielen „Normalbürgern“ befürchtet. Auch für die Deutschen.

Auf Spiegel-Online kann man einige wichtige Ergebnisse der Aktensichtung nach lesen. Auch wenn – nach Aussagen von Spiegel – die drei großen Verlagshäuser vereinbart haben, keine „besonders sensiblen Informationen“ zu veröffentlichen. Hier gibt es Infos zu „Task Force 373: Die geheimen Jäger„, Die Naivität der Deutschen: Wachsende Probleme im Norden“, Die Pannen der leisen Killer: Wenn Drohnen versagen„, Heimlicher Gegner Pakistan: Probleme mit dem angeblichen Partner“ und „Agenten in der Datenflut: Die Schwächen der US-Geheimdienste„.

Während also Außen der Putz des globalen Imperiums USA bröckelt, sieht es Innen anscheinend nicht weniger vermodert aus. Oder sagen wir lieber „chaotisch“? Rund zwei Jahre ist ein Journalisten-Team der Washington Post den geheimen Organisationen nach gegangen – und ihrer Inflation seit dem 11.September. Die Informationen findet man interaktiv und schick aufgereitet auf der Micrositer der Washinton POst: http://projects.washingtonpost.com/top-secret-america/.

Das grobe, aber wenig überraschende Fazit: Seit 9/11 sitzt das Geld in Sachen „Innere Sicherheit“ locker. Laut Washington Post arbeiteten rund 1270 Regierungsorganisationen und 1930 private Einrichtungen in den USA in Programmen, die mit Terrorbekämpfung und Innerer Sicherheit zu tun haben. Die meisten der 50.000 jährlich eingehenden Geheimdienstberichte und Analysen würden von den entsprechenden Leuten im Verteidigungsministerium gar nicht mehr gelesen, so die Washington-Post-Autorin Dana Priest.

Schätzungsweise 850.000 Angestellte haben eine Zugriffserlaubnis auf „Top-Secret-Informationen – doch offiziell weiß das niemand so genau… „Das System ist so groß und schwerfällig geworden und zugleich so abgeschottet voneinander, dass selbst Führungskräfte nicht wissen, wie viele Leute in dem System arbeiten, wieviel es kostet und ob es effektiv arbeitet oder nicht“, meint Priest. Selbst der Verteidigungsminister blicke nicht mehr durch…

Schlechte Karten für die Weltmacht. Harte Zeiten. Man fragt sich einfach nur, wie und wann man diese gewaltige Maschinerie nur wieder anhalten kann. Die Trägheit der Masse könnte hier zum Verhängnis werden.