Engagement macht stark

Die Woche des bürgerschaftlichen Engagements hat begonnen und das ist natürlich ein mehr als willkommener Anlass für uns, das Thema „Ehrenamt“ und „Engagement“ einmal genauer anzusehen. Und Erfreuliches gibt es zu berichten: Wer sich in Gemeinschaft mit anderen für seine Interessen, Träume und Ideen einsetzt, der lebt glücklicher heißt es.

Immer mehr Menschen in Deutschland scheinen diese Einstellung zu teilen – und engagieren sich ehrenamtlich. Der „Freiwilligen Survey“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Fragen und Jugend zeigt, dass sich 2004 rund 36 Prozent aller Deutschen ehrenamtlich engagieren (d.h. sie übernehmen über einen längeren Zeitraum eine feste, ehrenamtliche Tätigkeit).

Die Entwicklung in Deutschland

Vor allem junge Menschen zwischen 14 und 30 sowie Ältere über 60 gehören zu den tragenden Säulen des deutschen Ehrenamts. Männer engagieren sich noch stärker als Frauen, doch letztere holen der Untersuchung zufolge deutlich auf (37 zu 32 Prozent). Sport ist dabei der Favorit, gefolgt von Schulen und Kindergärten sowie Kirche und anderen religiösen Institutionen. Als Motiv für den ehrenamtlichen Einsatz wurde meistens der Wunsch angegeben, die Gesellschaft mit zu gestalten – aber auch der Wunsch nach Gemeinschaft ist ein weiteres wichtiges Motiv für eine ehrenamtliche Position.

So weit, so gut. Der Survey zeigt aber auch, dass das so genannte „Engagementpotential“ – also die Bereitschaft von Menschen, die sich (noch) nicht engagieren, dies zu tun – steigt: 1999 waren dies noch 26 Prozent, 2004 32 Prozent. So könnten sich beispielsweise die Hälfte aller Arbeitslosen vorstellen, sich ehrenamtlich zu engagieren. Ein wichtiger Punkt scheint uns demnach zu sein, die Engagement-Willigen die richtigen Anknüpfungspunkte zu liefern, ihnen also zu zeigen, wo und wie sie sich einsetzen könnten.

So findet man das richtige Ehrenamt

Das denken nicht nur wir (und diese Überlegung ist mit ein Grund, warum es diesen Weblog gibt), sondern natürlich auch etliche andere Insitutionen, Organisationen und Initiativen. So gibt es beispielsweise in jeder größeren Stadt so genannte Freiwilligen-Agenturen oder auch -Börsen. Sie vermitteln Engagement-Willige an NGOs, Vereine und andere Gruppen, die ehrenamtliche Mitarbeiter suchen. Eine Übersicht gibt es beispielsweise bei der bafga, der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen e.V.

Die bagfa, der Verbund Freiwilligen-Zentren im Deutschen Caritasverband und die Stiftung Mitarbeit haben zudem gemeinsam ein so genanntes Zeitspendenportal entwickelt. Das ist eine Datenbank gestützte Interneanwendung, die sich einfach und schnell in die eigene Website einbauen lassen soll und dann der Vermittlung von Ehrenamts-Interessenten und offenen Positionen dienen soll.

Kleine Geschichte des Ehrenamts

So essentiell Engagement für eine Gesellschaft ist – so lange ist auch seine Tradition. Bereits im alten Griechenland sollten sich gute Bürger für das Gemeinwesen interessieren und engagieren – andernfalls galten sie als „Idiotes“, als Privatmensch: „Wer an den Dingen der Stadt keinen Anteil nimmt, ist kein stiller, sondern ein schlechter Bürger,“ formulierte es der Athener Perikles etwa 500 vor Christus. Dieses Wertesystem galt lange. Erst mit der Entstehung des Bürgertums etablierten sich andere Ideale:

„Ein moralischer und tugendhafter Mensch wurde nicht mehr von seiner öffentlichen, für das Gemeinwohl einstehenden Tätigkeit her definiert, sondern von seiner ökonomischen Tätigkeit her bestimmt. Während dieser Zeit begannen sich die bürgerlichen Gesellschaften mehr und mehr als reine Interessengesellschaften zu verstehen, in denen der ursprüngliche politische Freiheitsbegriff auf die Freiheit, die eigenen ökonomischen Interessen durchzusetzen, verkürzt wurde.“ (Ehrenamt in kulturellen Institutionen im Vergleich zwischen den USA und Deutschland, Dissertation von Gesa Birnkraut, Hamburg 2003).

Ehrenamt und Gesellschaft

Viele wissen: Die US-amerikanischen Bürger gehören wohl mit zu dem engagement-freudigsten Völkchen. Ehrenamtliches Engagement für soziale, kulturelle und politische Belange haben hier eine lange (Siedler)Tradition. Klar, denkt sich da vielleicht der ein oder andere: Die haben ja auch so gut wie kein soziales Netz etc. Die können ja gar nicht anders.

Das stimmt anscheinend aber nicht ganz. Robert D. Putnam scheint in seiner Untersuchung „Gesellschaft und Gemeinsinn. Sozialkapital im internationalen Vergleich“ (2001) heraus gefunden zu haben, dass es einen Zusammenhang zwischen wohlfahrtsstaatlichen Aktivitäten eines Staates und der Bereitschaft zum ehrenamtlichen Engagement gibt:

„Festgestellt wurde, dass die beiden Länder mit dem höchsten Werten staatlicher sozialer Verantwortung und Wohlfahrtspolitik, die Niederlande und Schweden, auch die höchsten Werte an unentgeltlichem Bürgerengagement aufweisen. In Frankreich zeigte sich ein direkter Zusammenhang zwischen den Kurven politischer Entscheidungen, den Sozialstaat betreffend, und denen der Entwicklungen im Vereinssektor: die Spitzen- und die Tiefstwerte korrespondieren jeweils miteinander. Ähnliche Tendenzen wurden in den USA, in Schweden und Australien gefunden“, berichtet Wikipedia.

Zieht sich der Staat aus der sozialen Verantwortung…

Zieht sich der Staat hingegen aus seiner sozialen Verantwortung, soll die Bereitschaft sinken sich ehrenamtlich zu engagieren. Wolfgang Engler, aus dessen Buch Bürger, ohne Arbeit diese Untersuchung zitiert wurde (S. 240ff), folgert daraus: „Soziales Kapital wird in der Lebenswelt gebildet, bleibt an soziale, rechtliche, infrastrukturelle Rahmenbedingungen gebunden … Wo der Staat sozial abrüstet, abdankt, entfernen und entfremden sich die Menschen voneinander, … schläft ihr sozialer Sinn unwiderruflich ein.“

Und nach Beobachtungen verschiedener Freiwilligenagenturen „wächst das Problembewusstsein bei den neuen Engagierten, dass ehrenamtliche Arbeit bezahlte Arbeit bei den wichtigen Aufgaben ersetzen könnte, die eigentlich der Staat zu finanzieren hat“ (zitiert nach Frankfurter Rundschau, S-Ausgabe, Thema des Tages, Seite F2 vom 15. Juni 2007).

Ehrenamt darf kein Hauptamt ersetzen

Und richtig: Laut Social Times entschied das Bundesarbeitsgericht in Erfurt unlängst, dass einer angestellten kommunalen Gleichstellungsbeauftragten zugunsten einer ehrenamtlichen Kraft betriebsbedingt gekündigt werden darf. Woraufhin Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) gleich in der Frankfurter Rundschau erklärte: „Ehrenämter sind nicht dazu da, Kürzungen beim Hauptamt zu ermöglichen“.

Hoffen wir es. Denn das zunehmende Engagement vieler Menschen für die Gemeinschaft dürfen Politiker und Wirtschaft keineswegs mit einer Entlassung aus der eigenen Verantwortung verwechseln. Es kann und darf nicht sein, dass bspw. Eltern die Klassenzimmer ihrer Kinder streichen, weil der Staat kein Geld locker macht – gleichzeitig den spekulierenden Banken Millionen zur Verfügung stellt. Aber schätzungsweise wird sich auch hier nur dann ein angemessenes Gleichgewicht herstellen lassen, wenn es Menschen gibt, die sich dafür einsetzen – ehrenamtlich, versteht sich.