Drei Monate saß der Solziologe Andrej Holm unschuldig im Gefängnis. Fast ein Jahr lang, wurde er observiert, wurden seine Festnetz- und Mobilfunktelefonate mit gehört, seine Emails mit gelesen und die Bahnverbindungen seiner Freunde ausspioniert. Warum? Er nutzte als Soziologe Worte wie »Gentrifizierung« und »Prekarisierung« – die gleichen Worte, die in Bekennerschreiben von Brandanschlagsgruppen zu lesen gestanden haben sollen. Eine Farce? Nein, Realität – dank der Überwachungsmöglichkeiten, die Regierung und Ermittlungsbehörden mittlerweile haben…
Die Lizenz zum Bespitzeln…
Ein Radio-Bericht des Bayerischen Rundfunks zeigt am Bespiel des Soziologen Andrej Holm recht anschaulich, was es für einen Einzelnen bedeuten kann, wenn Regierungen die Lizenz zum Bespitzeln nach und nach ausweiten. Dann geraten nämlich alle unter Generalverdacht – Du und ich und unser Nachbar und der Kollege, die Mutter der Klassenkameradin unserer Tochter oder der Supermarktkassierer um die Ecke.
Andrej Holm weiß immer noch nicht genau, was die Behörden so alles über ihn gespeichert haben – und in welchem Licht die Ermittlungen sein Leben und seine Handlungen interpretieren. Die Akten, die er einsehen konnte (ein paar Sätze daraus werden in dem o.g. Radiobeitrag vorgelesen), klingen in meinen Ohren bedenklich stark nach Stasi-Unterlagen. Da wird aus dem arglosen Public-Viewing mit Fußballkumpels schon mal ein konspiratives Treffen zwecks Planung des nächsten Brandanschlags (und ich hoffe, ich gerate mit der Anhäufung dieser Begriffe in diesem Post nicht selbst ins Fadenkreuz).
Stützen können sich die Ermittler auf einen Paragraphen, den es seit den Tagen der RAF gibt. Aufgrund dieses Paragraphen seien zwar bislang nur sehr Wenige angeklagt oder verurteilt worden, meint ein Verfassungsrechtler in dem bereits genannten BR-Beitrag – doch für Bespitzelungen sei er eine gern genutzte Grundlage. Dazu kämen seit 9/11 über 20 neue Gesetze sowie 100 Gesetzeserweiterungen – alles im Dienste des »Kampf gegen den Terrorismus und des organisierten Verbrechens«.
Wahre Terroristen werden kaum entdeckt
Doch gerade Terroristen und Mitglieder des organisierten Verbrechens wüssten wie sie Maßnahmen wie die Vorratsdatenspeicherung etc. umgehen könnten, meinen Experten. Sie befürchten vielmehr die Ausweitung der Anwendung dieser Gesetze auch auf andere Straftaten – sowie eine Ausweitung der Weitergabe dieser Daten. Bereits jetzt hätten Geheimdienste – also sowohl der inländische, wie auch ausländische – Zugang zu solchen Informationen.
Ok, wirklich neue Informationen bietet der Radio-Beitrag interessierten Menschen nicht. Doch liefert er eine gute Zusammenfassung der aktuellen Entwicklungen – und durch das praktische Beispiel auch einen Anknüpfungspunkt für all die Menschen, die (noch) denken, das Ganze ginge sie nichts an, da sie ja nichts zu verbergen hätten…
Damit lässt sich dann vielleicht auch der ein oder andere überzeugen, bei der Demonstration »Freiheit statt Angst« mit zu machen: Am 10. September geht es um 13 Uhr am Pariser Platz am Brandenburger Tor los. Die Kundgebung findet um 14 Uhr an der Karl-Liebknecht-Straße am Alexanderplatz statt. Weitere Infos dazu gibt es unter: http://blog.freiheitstattangst.de
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