Dass sich unser Wirtschaftssystem verbessern ließe, daran zweifelt sicherlich niemand: die Zerstörung unserer Umwelt, die selbst geschaffenen Krisen, die systematische Missachtung von Menschenrechten – all das spricht dafür, dass wir eine Ökonomie brauchen. Eine Ökonomie, die sich nicht an Wachstum orientiert, sondern Kriterien jenseits der Rendite und dem BIP (Brutto-Inlandsprodukt) kennt. Das fordern nicht nur immer mehr Menschen – sie probieren es auch aus! In allen Ländern dieser Welt finden sich mehr und mehr Kooperativen, Genossenschaften, selbstverwaltete Unternehmen und andere Initiativen. Ein Thema, das mehrere sehr interessante Bücher unter dem Stichwort »Solidarische Ökonomie« von unterschiedlichen Seiten beleuchten. Ein Überblick.

Den besten Einstieg ins Thema liefert mit Sicherheit das nur 86 Seiten dünne Büchlein »Wegweiser Solidarische Ökonomie – Anders wirtschaften ist möglich« von Elisabeth Voß. »So lange Menschenrechte nicht überall und unterschiedslos für alle Menschen durchgesetzt sind, kann ich mit dieser Welt nicht einverstanden sein«, schreibt sie in ihrem Vorwort. Und so hat sie sich aufgemacht, die Möglichkeiten und Potential einmal auszuloten. So schmal das Büchlein auch geworden ist, so proppenvoll ist es mit Informationen.

Fast stichpunkthaft – aber dennoch ausführlich genug, um einen Überblick zu bekommen – sind die Kapitel eng beschrieben. Es geht um selbstverwaltete Betriebe, Kooperationen, Hausverwaltungen und -besetzungen, Wagenburgen, Kommunen und Ökodörfer, Frauenbetriebe, solidarische Finanzierungen (also Alternative Banken, siehe auch Attac-Kampagne »Kröten wechseln«), Tauschringe, Umsonst-Ökonomien (wie der erste Umsonstladen Deutschlands in Hamburg), Regionalwährungen, Fair Trade, Alternative Medien und und und.

Der große Vorteil des Buchs: Es schildert Zusammenhänge und gibt einen Überblick über Geschichte, Entwicklung und Status Quo alternativer Ökonomie-Projekte in Deutschland. Geeignet für Einsteiger also. Besonders gut finden wir zudem, dass es zu diesem Buch auch eine stetig aktualisierte Linkliste in Form eines herunterladbaren PDFs gibt. Weitere Infos unter mensch.coop/solioeko.

Den Blick über den Tellerrand wirft der zweite Titel, den ich hier vorstellen möchte: »Solidarische Räume & kooperative Perspektiven« lautet der Titel. Zusammen gestellt wurde das rund 250 Seiten starke Softcover vom kollektiv orangotango – einer »offenen, bunten, freien Plattform von Aktivisten, Wissenschaftlern und Künstlern« (Selbstbeschreibung). Denn das Buch versucht den Brückenschlag zwischen Deutschland und Südamerika – von letzterem erwarten ja immerhin nicht gerade wenige richtungsweisende Impulse für eine andere (bessere!) Welt von morgen.

In einer guten Mischung aus Erfahrungsberichten, Interviews und Reportagen liefert das Buch einen genaueren Einblick in die Motive, Erfahrungen und Potentiale solidarischer Ökonomie-Projekte. Der Fokus liegt auf praktischem Wissenstransfer und der Frage, inwieweit dieser zwischen den Ländern Südamerikas und Deutschland, zwischen ländlichen Regionen und Städten, zwischen Aktivisten und schutzbedürftigen Menschen möglich ist.

Welche Parallelen und Unterschiede gibt es zum Beispiel zwischen den alternativen Wohnprojekten Freiburgs und denen der Obdachlosenbewegung in Rio de Janeiro? Welche Erfahrungen kann der Aktivist Timo Bartholl weiter geben, der nach seinem Geographiestudium in die Maré zog – dem Favela-Komplex im Norden Rio de Janeiros? Und wie lässt sich mittels internationaler Mini-Kooperationen gegen transnationale Megaprojekte Widerstanden leisten?

Der große Vorteil des Buches: Es lebt durch seine Vielfalt. Zum einen dadurch, dass uns das Buch die Sorgen und Nöte aber auch die Ideen, Lösungen und Kreativität anderer Kulturen noch mal sehr anschaulich ins Bewusstsein bringt. Zum anderen auch durch die Vielzahl der Autoren, ihre Blickwinkel, Schreibstile und Ansichten. Letzteres führt jedoch auch manchmal dazu, dass einem der rote Faden ein bisschen abhanden zu kommen scheint – ein klares Ziel oder Fazit bleibt aus.

Aber das muss wohl auch so sein bei diesem Thema, denn: »Um neue Bestandteile einer neuen Welt zu finden, können wir diese Bestandteile nicht schon vor skizzieren … Deshalb brauchen wir uns erst gar nicht einen geradlinigen Weg vorzustellen, den gibt es schlicht nicht. Während jedes neuen Schritts treffen wir auf andere und überdenken deswegen erneut unseren nächsten Schritt, ohne aber zu wissen, wie der Weg enden wird…«, berichtet Nico vom selbstverwalteten Kulturzentrum LaCasita in Mendoza, Argentinien. Will heißen: auch ein Buch wie dieses kann uns leider ein Kochrezept an die Hand geben. Weitere Infos zu Orangotango und dem Buch gibt’s auf der Website www.orangotango.info

Die bibliografischen Hinweise:

1// „Wegweiser Solidarische Ökonomie“ von Elisabeth Voß (Hrsg.), AG SPAK Bücher, ISBN 978.3.930830-50-3, Preis: 9 Euro

2// „Solidarische Räume & kooperative Perspektiven. Praxis und Theorie in Lateinamerika und Europa“ vom kollektiv orangotango, AG SPAK Bücher, ISBN 978.3.940865-07-6, Preis: 18 Euro