Mitten in der aufkeimenden weltweiten Wirtschaftskrise trommeln Banken und Versicherungen weiterhin, jeder solle möglichst zeitig mit der Altersvorsorge beginnen. Je zeitiger Geld bei diesen Institutionen deponiert wird, umso kräftiger wirkt der Zinseszins-Effekt, der eingezahltes Geld über die Zeit verdoppelt und verdreifachen kann. Aus individueller Sicht stimmt man diesen Rufern schnell zu. Doch besieht man sich die Sache aus gesellschaftlicher Sicht, so tritt Sonderbares zu Tage.
Nehmen wir an, Joseph wäre zur Geburt seines Sohnes Jesus dem Rat der Geldanlage gefolgt und hätte (der zeitübergreifenden Einfachheit halber) ein 1 Millimeter großes Kügelchen aus Gold zu einem lächerlichen Zinssatz von 3,55% angelegt. „Die Macht der Zeit“ hätte aus dieser Investition während 2000 Jahren eine zwiespältige generationenübergreifende Altersanlage gemacht: Es wäre daraus eine Goldkugel mit einem Durchmesser von 12.600 Kilometer erwachsen. (Berechnung siehe Wikipedia). 12.600 km: Das ist fast der Durchmesser unseres schönen Planeten.
Das klingt schön, zeigt aber…
Langfristig ist dieses Szenario unmöglich. Wirklich langfristig kann der Zinseszinseffekt nicht funktionieren, ohne Nebenwirkungen auszulösen.
Nebenwirkungen: Das ist in erster Linie der Untergang von Währungen, in denen diese Mechanismen wirken, die sich durch den Zinseszins-Mechanismus systembedingt in Hyperinflationen auflösen. Zusammen mit Schulden und Gespartem.
Das ist natürlich nicht das Thema der Altersvorsorge-Reklame. Die Versicherer versuchen, unserem Hang zur finanziellen Altersvorsorge mit umsetzbaren Vorschlägen zu dienen. Nur: Was ist, wenn sich Leute heute auf diese „Vorsorge“ einlassen, um dann vielleicht in 30 Jahren nur noch wertloses
Papier vorzufinden? Unrealistisch?
Geldvermögen, welches sich verzinsen soll, setzt voraus, dass auf der anderen Seite Geldschulden existieren, die genau diese Zinsen abwerfen. Die Bank (oder Versicherung) schuldet dem Einleger, sie verleiht weiter oder investiert weiter, aber deutlich wird: Die Höhe der Geldvermögen entspricht genau der Höhe der Geldschulden, sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene – denn die Höhe der Geldvermögen und Geldschulden einer Gesellschaft ist nichts anderes als die Summe aller Geldvermögen und Schulden ihrer Individuen.
Wenn nun aber die Geldvermögen exponentiell durch Zins & Zinseszins wachsen sollen, so müssen es zwangsläufig auch die Geldschulden tun. Wohin nun aber im Lauf der Zeit mit all den (exponentiell wachsenden) Schulden? Wo neue Schuldner finden, die einerseits die Kredite aufnehmen, andererseits die Zinsen bedienen, die notwendig sind, um die versprochene Altersvorsorge aufzubauen?
Norbert Rost
Quelle:
Bildquelle: Gerhard Wellmann, Pixelio.de
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