Frieden will doch wohl jeder, oder? Doch was ist Frieden eigentlich? Und was kann jede und jeder von uns dafür tun? Friedvolle Gedanken – anlässlich des heutigen Tages, an dem sich der Angriff auf die Ukraine jährt …

Frieden kommt von dem althochdeutschen Wort fridu, was so viel wie „Schonung“ oder „Freundschaft“ bedeutet. Und im allgemeinen ist damit ein Zustand der Stille, Ruhe und Harmonie gemeint. Oder doch zumindest die Abwesenheit von Störung, Beunruhigung und vor allem von Krieg. Doch so einfach ist die Sache eben nicht. Denn Frieden ist nicht einfach etwas, was da ist oder nicht. Frieden ist kein Zustand, es ist ein Vorgang, ein Fortlauf. Wir können Frieden nicht einmal erreichen und uns dann in diesem Zustand ausruhen. Frieden ist vielmehr abhängig von unserer inneren Haltung. Von unserem inneren Frieden mit uns selbst.

Frieden durch Zuhören

Denn Frieden beginnt schon im ganz Kleinen. Zwischen zwei Menschen. Und aus meiner Sicht spielt das Zuhören können eine ganze wichtige Rolle dabei. Denn in der Regel stehen wir uns dabei ganz schon selbst im Weg. Weil wir bestimmte Erfahrungen in unserem Leben gemacht haben und in einer bestimmten Kultur, umgeben von bestimmten Menschen leben, interpretieren wir alles in einer ganz bestimmten Weise. Das geschieht zum größten Teil ganz unbewusst. Und es ist ziemlich schwierig, sich das klar zu machen und in die eigenen Überlegungen mit einzubeziehen.

Doch wer kaum weiß, wie er oder sie all die Dinge, Situationen, Menschen und Erlebnisse um ihn oder sie herum bewertet, interpretiert und einordnet, der kann die anderen Menschen in ihrer Situation nur ganz schwer erkennen. Dann kommt es einem so vor, als ob die eigene Sichtweise die einzig richtige ist. Und es fällt einem unglaublich schwer zu erkennen, dass es andere Perspektiven, Beurteilungen und Beweggründe geben kann. Mit anderen Worten: Man kann sich nur schwer in andere hineinversetzen. Doch genau das meine ich, wenn ich von „gut zuhören“ spreche: Nämlich dass wir nicht nur die Worte verstehen, die jemand sagt. Das auch. Sondern das wir darüber hinaus auch mit dem Herzen verstehen, was jemand meint und ausdrücken möchte.

Man hört nur mit dem Herzen gut

Dass es uns so schwerfällt, richtig zuzuhören und sich anderen Menschen und ihren Sichtweisen ganz zu öffnen, hängt meiner Meinung nach auch mit unserer Konkurrenzgesellschaft zusammen. Von Klein auf erfahren wir in der Schule, im Sportverein oder in der Familie und später im Beruf, dass wir uns durchsetzen müssen. Wir müssen besser sein, als die anderen. Oder klüger. Oder zumindest in der Weise schlauer, dass wir unsere Interessen geschickter zum Zuge bringen. Dann gilt man als erfolgreich. Dann erntet man Lob und Anerkennung. Dann geht man leichter durchs Leben. So jedenfalls das gängige Klischee.

Was dabei auf der Strecke bleibt, ist natürlich der Frieden. Und zwar nicht nur zwischen den Menschen. Sondern auch der Frieden mit einem selbst. Denn – das hat die Glücksforschung mittlerweile hinlänglich bewiesen – was uns wirklich zufrieden und und froh in unserem Leben macht, das sind gelungene Beziehungen zu anderen Menschen. Mit anderen Worten: Frieden. Was bringt es, wenn ich mich gegen jemand anderen durchsetze? Es geschieht doch immer auf Kosten der Beziehung zu ihm oder ihr.

Wenn Verständnis zur Gefahr wird

Wenn ich mich stattdessen öffne und richtig zuhöre, dann kann ich erfahren, warum sich jemand anderes etwas wünscht, was zu meinen Wünschen oder Sichtweisen vielleicht im Konflikt steht. Das zu verstehen soll nicht gleich bedeuten, dass ich diese Sichtweise übernehme, für gut befinde oder eine aus meiner Sicht negative Verhaltensweise entschuldige. Es bedeutet einfach nur, dass ich meinen Blickwinkel ein kleines bisschen vergrößere und die Welt aus der Perspektive eines anderen sehe.

Mit etwas Glück kann ich dann erkennen, dass mein Gegenüber gar nicht die Absicht hat, mich zu bekämpfen, zu bedrohen oder zu benachteiligen. Sondern dass er oder sie – vermutlich wie ich – einfach nur Angst hat (mal wieder) in unserer Konkurrenzgesellschaft den Kürzeren zu ziehen. Wir sind so daran gewöhnt, dass es dort, wo es einen Gewinner oder eine Gewinnerin gibt, auch einen Verlierer oder eine Verliererin geben muss. Da fällt es uns schwer zu glauben, dass eine Lösung möglich ist, bei der beide gewinnen, also zufrieden sind.

Frieden ist die Suche nach Win-Win-Situationen

Von der Seite aus betrachtet, wird Frieden zu einer Grundhaltung, zu einer ständigen Suche nach Win-Win-Lösungen. Frieden gibt es dann, wenn wir fest davon überzeugt sind, dass es in jeder Situation eine gemeinsame Lösung gibt – und zwar egal, ob es um zwischenmenschliche, interkulturelle oder zwischenstaatliche Konflikte geht. Und dass die Frage nur ist, wie lange man nach ihr suchen muss. Dieser Weg zur gemeinsamen Lösung ist nicht möglich, wenn nicht auf allen Seiten die Bereitschaft zur Selbstreflexion und eigenen Veränderung vorhanden ist.

Um in Gruppen, Teams und Gemeinschaften Frieden zu stiften, hat es sich in unserer Arbeit bewährt, gemeinsame Empfehlungen für die Kommunikation sowie gemeinsame Verfahrensweisen zu entwickeln, wie man zusammen Entscheidungen treffen und Konflikte lösen will. Dabei sind Methoden wie Dragon Dreaming, Systemisches Konsensieren, Konsentbildung oder auch gewaltfreie Kommunikation unheimlich hilfreich.

Frieden schaffen: Unser Fazit

Damit ist Frieden nicht einfach nur eine Abwesenheit von Störungen oder Beunruhigungen und vor allem Krieg. Es ist auch nicht nur Stille und Harmonie. Es ist auch richtig gehende Arbeit. Ein Friedensprozess muss dabei nicht immer super harmonisch und ruhig vonstatten gehen. Wichtig ist nur, dass alle den Mut und auch das Vertrauen haben, sich zu öffnen und ihre wahrhaftigen Bedürfnisse und Beweggründe zu zeigen.

Wenn das gelingt – in einer Gruppe, einer Familie, einer Belegschaft oder einem Team – dann ist das eine ganz beglückende und bereichernde Erfahrung. Denn dann erst entsteht echte Gemeinschaft. Es wachsen tragfähige und tiefe Beziehungen. Zwischen den Menschen und in den Menschen selbst. Der Weg zu echtem Frieden ist damit auch eine lebenslange Lernreise. Sie erfordert in unserer Gesellschaft doch so einiges an Zivilcourage. Doch sie macht das Leben auch reich und schön!


Was kann Frieden bewirken?

Dieser Beitrag ist als Teil einer Blogparade zum Thema „Was kann Frieden bewirken?“ entstanden. Vielen Dank an den Weltfriedensdienst, der sie initiiert und uns eingeladen hat. Weitere Beiträge zu dem Thema findet ihr noch bis zum 21. Dezember unter https://wfd.de/aktion/darumfrieden