Sind „Haben“ und „Sein“ tatsächlich zwei widersprüchliche Lebenskonzepte? Der Sozialpsychologe Jens Förster hat da so seine Zweifel…

Jens Förster sieht nicht gerade so aus, als wäre er dem Konsum abgeneigt. Die weiß blondierte Frisur kombiniert er gerne mit auffälligen Outfits. Doch dass Haben grundsätzlich glücklich macht, das glaubt der Sozialpsychologe nicht nur – er weiß es und belegt es auch in seinem neuen Buch „Was das Haben mit dem Sein macht“.

Was das Haben mit dem Sein macht

In unterhaltsamem Plauderton geht er von Erich Fromms Klassiker „Haben oder Sein“ aus und fragt sich: Stehen diese beiden Lebensweisen tatsächlich einander gegenüber? Sind sie wirklich unvereinbar? Und kann man das eine tatsächlich so in Bausch und Bogen verdammen, wie Fromm das in den 1970ern tat (und mit ihm viele Leser*innen)?

Und weil er keine anderen Bücher, Studien, Artikel oder sonstige Veröffentlichungen zu dem Thema fand, die seine Fragen hätten beantworten können, machte er sich einfach auf und schrieb selbst dazu ein Buch. Darin geht er vielen vermeintlich alltäglichen Begriffen auf den Grund und hinterfragt Vokabeln wie „horten“, „prassen“ oder „sparen“.

Als Nachfolge von Erich Fromms „Haben oder Sein“

Er will Erich Fromms Klassiker damit quasi die Fortsetzung anfügen: Einerseits Fromms Thesen gegenprüfen. Andererseits die psychologischen Erkenntnisse, die es zwischenzeitlich gab, mit einfließen lassen. Und das gelingt ihm zumindest auf eine sehr unterhaltsame, leichte und zugleich inspirierend wertfreie Art und Weise – die aber keineswegs ohne ethische und konsum-kritische Überlegungen ist.

Das ist in unserer Zeit, in der an jeder Ecke eine neue Ablenkung, eine andere Gelegenheit oder ein vermeintlich innovatives Produkt unseren Fokus auf das wirklich Wesentliche zunichte macht, wohltuend.

Mein Fazit

Dennoch bleibt das Buch aus meiner Sicht im Vergleich zu Erich Fromms Buch doch sehr an der Oberfläche. Das ein oder andere mal las ich Seite um Seite und hatte nicht das Gefühl, neue Erkenntnisse gewonnen zu haben. Zudem differenziert Förster zwar zwischen Haben- und Sein-Zielen sowie Haben- und Sein-Mitteln – wobei das eine jeweils auch mit dem anderen zu erreichen ist.

Doch eine wichtige Unterscheidung, die Fromm in seinem Buch traf, scheint mir hier zu fehlen. Nämlich dass Menschen ein und dasselbe sowohl mit einer Sein- als auch mit einer Haben-Haltung tun können: Ich kann zum Meditationskurs gehen, weil ich mit dadurch ein bestimmtes Image verschaffen kann (Haben). Oder weil ich einen innerlichen Zustand der Gelassenheit, Freude und Zuversicht erreiche (Sein).

Müsste ich wählen, würde ich daher meine Zeit lieber mit „Haben oder Sein“ von Erich Fromm, als mit diesem Buch verbringen.

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Jens Förster: Was das Haben mit dem Sein macht

 

 

Was das Haben mit dem Sein macht
Die neue Psychologie von Konsum und Verzicht

Autor: Jens Förster
ISBN: 978-3-426-30123-4
Preis: 12.99 Euro
Bestellen: Bei Buch7.de

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Bildquelle: John Henderson (via flickr)