65 Jahre ist es her, dass Deutschlands Bewohner das letzte Mal alle zusammen gezählt wurden. Nun soll es am 9. Mai wieder so weit sein: eine neue Methode, der so genannte »registergestützte Zensus«, soll zeigen, wo wir künftig Universitätsplätze, Wohnungen, Altenheime und vieles mehr benötigen. So jedenfalls lautet die offizielle Begründung für den massenhaften Eingriff in die Privatsphäre der Bundesbürger. Ein Argument, das Michael Ebeling vom AK Zensus (zensus11.de) keineswegs für stichhaltig hält. Er kritisiert nicht nur die  schlechte Informationspolitik der Behörden, sondern auch die ineffizienten, dabei teuren und aus Datenschutzsicht untragbaren weil nicht anonymen Erhebungsmethoden. Wir fragten bei ihm etwas genauer nach…

Viele wissen gar nichts von Zensus 2011, Proteste wie 1987 bleiben aus. Woran liegt das?

Michael Ebeling: Zum einen haben wir andere Umstände als 1987: Den Menschen ist die elektronische Datenverarbeitung heute wesentlich vertrauter. 1983/87 gab es ja noch kein Internet und keine  Handies. Nur ein paar einzelne Leute (wie ich) hatten damals schon einen der ersten 8-Bit-Rechner, den sie am Fernsehgerät anschlossen. Alle anderen hatten einfach Angst vor dieser Datenerfassung. Dazu die ganzen, damals sehr starken Protest- und Friedensbewegungen: Startbahn West, der NATO Doppelbeschluss, der erste maschinenlesbare Ausweis, die Friedensinitiativen und die Bewegung gegen die Atomenergie, Wackersdorf. Das hießt, die Gesellschaft insgesamt war viel mehr in Bewegung.

Zum anderen haben es die Behörden über die letzten Jahre bis jetzt geschafft, das Thema »Zensus 2011« unter der Decke zu halten. Wir als kleiner Arbeitskreis haben es nicht geschafft, rechtzeitig dafür zu trommeln – oder wir wurden nicht gehört, wie auch immer man das sehen will. Auf jeden Fall haben die Behörden erst Anfang April eine große PR-Kampagne gestartet. Die allein kostet zwar 5,5, Millionen Euro – aber sie ist relativ inhaltsleer. Die Plakate und Filme sind nett und schön – aber sie sagen nichts darüber aus, was dahinter steckt. Man könnte zwar sagen, dass sie dazu anregen sollen, dass sich die Menschen im Internet – etwa auf der offizielle Website zensus2011.de – informieren. Aber was ist mit den Menschen, die eben nicht so internet-affin sind oder vielleicht sogar gar keinen Zugang haben. Oder auch diejenigen, die die deutsche Sprache nicht so gut beherrschen.

Deshalb hält der Ak Zensus diese Informationspolitik auch für schlecht, ja letztlich sogar  verfassungswidrig, und eben auch der zweite, große Punkt, warum es keine großen Proteste gibt: Die Leute wissen nichts vom Zensus 2011. Auch die allermeisten Artikel, die zu dem Thema erscheinen, sind völlig unkritisch. Mein Eindruck ist – und das hab ich mittlerweile auch bestätigt bekommen –, dass die Journalisten teilweise überfordert sind von der Komplexität des Themas. Sie haben oft einfach keine Zeit, sich darin einzuarbeiten. Dann übernehmen sie das von den Ämtern Vorgekaute: viele Print- und Online-Beiträge bestehen zu ganzen Abschnitten aus den  vorgeschriebene Textbausteinen des statistischen Bundesamtes und beschäftigen sich nicht wirklich inhaltlich mit dem, was darüber hinaus geht.

Dann kommen wir doch gleich mal zu dem Inhaltlichen: Was ist an der Methode des registergestützten Zensus bedenklich?

Michael Ebeling: Die Methode. Beim so genannten »registergestützten Zensus« wird eine große Datenbank angelegt, die zunächst nicht anonymisiert ist. Das heißt die Informationen, die man durch Befragungen und andere Methoden zusammen trägt, werden an einer zentralen Stelle mit Klarnamen gespeichert. Das ist aus der Sicht des AK Zensus datenschutzrechtlich völlig unhaltbar.


Welchen Grund gibt es, die Daten nicht zu anonymisieren?

Michael Ebeling: Die Begründung ist technisch nachvollziehbar: Beim registergestützten Zensus müssen die Ergebnisse der Befragungen mit den Datenbanken der Behörden abgeglichen werden. Stimmen Angaben nicht überein, will man diese Menschen noch mal genauer befragen. Und damit das möglich ist, muss natürlich zunächst einmal noch in der Datenbank stehen, wer welche Angaben gemacht hat. Aus meiner Sicht ist das ein Konstruktionsfehler – es ist ein Kardinalfehler, dass diese Methode gewählt wurde.

 

Welche Daten werden bei der Volkszählung eigentlich erfasst?

Michael Ebeling: Da gibt es zwei, aus meiner Sicht besonders riskante Punkte: Der eine sind die so genannten Sonderbereiche, also kritische Bereiche wie Gefängnisse, Flüchtlingsheime, psychiatrische Anstalten, Frauenhäuser, Behinderten-, Alten- und Studentenwohnheime, Klöster, Heime für schwer erziehbare Kinder oder Obdachlose und noch vieles mehr. Alle Menschen, die dort wohnen, werden einzeln namentlich erfasst, befragt und mit der Information, ob sie gerade Knasti sind oder psychisch krank oder was auch immer in der Datenbank gespeichert – nicht anonym wohl gemerkt!

Der Grund für die Sonderbehandlung der Sonderbereiche ist, dass diese Gemeinschaftsunterkünfte nach Ansicht der Behörden so irregulär über Deutschlands Fläche verteilt sind. Und laut der Behörden würde man keine genauen Ergebnisse bekommen können, wenn man die Menschen dort nicht einzeln befragen würde. Das ist aber natürlich ein besonders riskanter Punkt. Diese Sonderbehandlung besonders sensibler, betroffener und nicht wehrhafter Menschen erinnert mich einfach – es tut mir leid – an das, was wir vor 70 Jahren erlebt haben. Ich unterstelle niemandem eine böse Absicht. Aber ich sehe das als Datenschützer als ein besonders großes Risiko an, das nicht tragbar ist.

Der zweite Punkt ist, das von allen Menschen die Melderegister-Daten zusammen getragen und zentral gespeichert wurden. Das ist bereits im letzten November passiert, ohne dass die Bürger darüber informiert wurden. Aus meiner Sicht ist das verfassungswidrig. Jedenfalls ist eine der 27 Informationen, die da zusammen getragen wurden die, ob jemand eine Übermittlungs- oder Auskunftssperre eingerichtet hat.

Was ist eine Übermittlungs- oder Auskunftssperre?

Michael Ebeling: Die Übermittlungssperre kann jeder selbst einrichten. Man muss nur zum Meldeamt gehen und sagen: ich möchte nicht, dass meine hier gespeicherten Daten an Adress- und Anschriftenverlage,  Parteien oder Kirchen et cetera weiter gegeben werden. Viele wissen nicht, dass das möglich ist – aber ich kann  nur dazu raten, denn man kriegt dann fast keine Werbepost mehr.

Eine Auskunftssperre kann man nicht einfach so einrichten, weil sie eine höhere Hürde ist: hierbei dürfen auch normale Mitarbeiter der Meldebehörden nicht einsehen, wer wo wohnt. Das betrifft Leute, die im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms geschützt werden müssen; ehemalige Nazis oder Linksradikale, die aus der Szene ausgestiegen sind und vielleicht eine neue Existenz bekommen haben; Stalking-Opfer oder Richter, die bei besonders sensiblen Bereichen an Leib und Leben bedroht sein können; Prominente.

Nun wurde die Information, ob jemand solch eine Sperre eingerichtet hat und vor allem auch warum, zentral zusammen getragen. Es ist für mich völlig unverständlich, was das mit einer Volkszählung zu tun hat. In jedem Fall ist damit Ende letzten Jahres schon eine zentrale Datenbank entstanden, die höchst riskant ist, denn selbst hochrangige Vertreter der Bundesämter haben mir gesagt: wir können nicht hundertprozentig ausschließen, dass diese Daten nicht irgendwann mal leckschlagen und heraus kommen.

Es gibt – genau wie bei Atomkraftwerken – keine hundertprozentige Sicherheit. Das ist ja  zumindest eine klare Aussage. Aber ich bin der Meinung und damit stehe ich nicht alleine da: wenn es keine hundertprozentige Sicherheit gibt, dann dürfen solche Daten eben auch nicht erst entstehen. Denn wer an diese Daten herankommt, kann richtig viel Unfug anstellen. Hier geht es nämlich nicht mehr nur um Kontonummern. Hier verliert nicht mehr nur einfach jemand sein Geld. Hier kann es auch um Leben und Gesundheit gehen.

 

Nun sind mit der Volkszählung ja auch ehrenwerte Vorhaben verbunden: Man will Uniplätze et cetera besser planen können. Welche Art der Volkszählung wäre aus Ihrer Sicht sinnvoll und machbar?

Michael Ebeling: Da muss ich zunächst vorweg schieben, dass der AK Zensus ein ganz bunte Gruppe ist. Jeder kann mitmachen, auch  Behördenmitarbeiter lesen bei uns mit – auch wenn sie das nicht zugeben. Das heißt, dass es zu der Frage, ob eine Volkszählung grundsätzlich sinnvoll ist, gibt es im Ak Zensus keine eindeutige Meinung. Ich persönlich bin jedoch überzeugt, dass wir diese Daten und Zahlen bis zu einem gewissen Umfang brauchen, wenn wir unsere Gesellschaft und unser Zusammenleben gut planen wollen.

Die Frage »Wie könnte man sonst zählen?« wird mir natürlich oft gestellt – auch ganz süffisant auf irgendwelchen Diskussionspodien. Ich kann dazu nur sagen, dass ich da auf die Schnelle auch keine Patentlösung bieten kann. Aber das muss ich auch nicht. Alle beim AK Zensus arbeiten seit einem Jahr kostenlos. Die Behörden hatten dagegen 24 Jahre Zeit, sich etwas auszudenken – und sie wurden dafür bezahlt. Ich kann aber die Bedingung nennen, die ich an eine Volkszählung stelle: sie muss vollkommen anonym sein. Und die Anonymisierung darf auch nicht rückgängig gemacht werden können – das ist nämlich noch mal ein anderes Thema.

Dann gibt es noch die Frage, welche Informationen wir brauchen: Wir müssen zum Beispiel schon wissen, wo die Menschen wohnen. Wir müssen aber nicht wissen, ob sie einen islamistischen Hintergrund haben oder nicht. Es ist durchaus vernünftig, dass man Studienplätze an der richtigen Stelle entstehen lässt, den Wohnungsbau entsprechend plant und so weiter. Doch die Zahlen der letzten Volkszählung haben nicht dazu geführt, dass dies alles auch vernünftig ausgeführt wurde. Eine Menge an Gesetzen aus dem digitalen Bürgerrechte-Bereich sind wider jeder Sachkritik durchgezogen worden. Das hat nichts mit guten oder schlechten Zahlen zu tun.

Das heißt gute Zahlen sind zwar eine Voraussetzung. Aber die Praxis zeigt, dass für gute oder schlechte Entscheidungen ganz andere Interessen eine Rolle spielen – politische oder Lobby-Interessen et cetera. Wenn damit also auch die Zahlen gar nicht so genau sein müssten, wie sie jetzt verlangt werden, gäbe es auch andere Methoden. Man könnte Stichproben machen und auf den Zwang zur Auskunft verzichten. Das wäre eine wirklich moderne und innovative Volkszählung – und nicht das, was wir da im Moment bekommen.

Ein Beispiel dazu: es gibt eine ganz aktuelle, rund 452 Seiten dicke Studie über das Leben von Menschen in Deutschland mit muslimischem Glauben, die sehr viel aussagt. Für diese Studie hat man über 7.000 Menschen telefonisch zu ganz unterschiedlichen Dingen befragt. Das zeigt, wie man an diese Informationen günstiger und schneller herankäme, als durch eine Volkszählung. Der Zensus ist ja ein Mammutprojekt, das sehr viel kostet und mindestens zwei Jahre dauert, bis alle Daten verarbeitet sind. In zwei Jahren sieht die Welt aber sicherlich schon wieder ganz anders aus. Welchen Sinn haben diese Zahlen dann überhaupt noch? Könnte man nicht mit kleineren, günstigeren Umfragen – und auch anonymen – viel besser und flexibler arbeiten?

Das klingt vernünftig und – ganz pragmatisch gedacht – auch noch kostengünstiger. Wie rechtfertigen die Behörden ihr Vorgehen?

Michael Ebeling: Die Politiker ziehen sich dafür auf die europäische Richtlinie zurück. Auch wenn in dieser Richtlinie nicht drin steht, mit welcher Methode die Daten erhoben werden sollen, so sagt sie aber doch aus, welche Fragen gestellt werden sollen. Abgesehen davon, dass in Deutschland noch ein paar weitere Fragen gestellt werden, die wir für überflüssig halten, ist die Richtlinie in Brüssel jedoch auch nicht einfach so entstanden. Deutsche Innenpolitiker hatten ihre Finger mit im Spiel. Nun ziehen sie sich wiederum hinter die Richtlinie zurück und sagen: wir können ja nichts dafür, wir müssen die Richtlinie halt befolgen, weil wir Teil der EU sind.

Man muss sich also erst mal anschauen, wie diese europäische Richtlinie zustande gekommen ist und welche Interessen bestanden – dazu haben wir einen Beitrag geschrieben. Bis kurz vor der Abstimmung sollten noch sehr viel krassere Dinge abgefragt werden, wie die sexuelle Beziehungen der Haushaltsmitglieder untereinander, wie oft der Müll abgeholt wird, wie man zur Arbeit fährt und so weiter.

Nun geht man davon aus, dass in Deutschland 1,3 Millionen Menschen weniger leben, was wiederum Auswirkungen auf den Länderfinanzausgleich hätte und so weiter…

Michael Ebeling: Ja, das stimmt und deshalb braucht man auch eine Volkszählung, das stelle ich auch gar nicht infrage. Man könnte aber auch viel einfacher herausfinden, wie viele Menschen in Deutschland wohnen. Dazu bräuchte man diese Form der Volkszählung nicht. Ich stelle zudem infrage, ob diese Ungenauigkeit tatsächlich vorhanden ist: Seit dem ersten Juli 2007 gibt es nämlich die so genannte Steuer-Identifikationsnummer. Dabei handelt es sich um eine Nummer, die jedem Bürger zwangsweise zugeordnet wird. Jedes Neugeborene Kind kriegt eine solche Nummer und wenn man stirbt, bleiben die Daten noch mal 10 weitere Jahre erhalten. Das ist für sich ein ganz heikles Thema und sehr umstritten. Aber das will ich hier gar nicht anrühren.

Mit der Einführung der Steuer-Identifikationsnummer wurden ungenaue Daten in den Meldeämtern bereits bereinigt und damit auch verbessert. Man hat festgestellt: okay, da haben wir jemanden doppelt erfasst. Andere haben keine Nummer bekommen. Und damit – behaupte ich – sind die Daten schon sehr, sehr viel besser als vorher. Als wir aber das statistische Bundesamt gefragt haben, was hat die Steuer-Identifikationsnummer gebracht hat und wie gut sind die Register dadurch verbessert worden sind – da sagten die Behörden nur: tut uns Leid, das wissen wir nicht.

Da fass ich mich natürlich an den Kopf! Wahrscheinlich interessiert sie das nicht, weil sie sich selbst ein Argument für ihre Volkszählung nehmen würden. Sonst kümmern sie sich ja auch um alles – aber bei solchen Sachen haben sie auf einmal einen blinden Fleck im Auge und wollen gar nicht wissen, wie genau oder ungenau die Daten tatsächlich sind. Das finde ich einfach nicht in Ordnung, weil dieses Mammutprojekt Volkszählung einfach nur durch gedrückt werden soll. Da könnte ich mich drüber aufregen.

Diejenigen, die sich ebenfalls darüber aufregen – was können die machen? Können sie sich einer Befragung verweigern? Mit was müssen sie rechnen?

Michael Ebeling: Wichtig ist mir, dass sich die Menschen eine eigene Meinung bilden. Sie sollen sich auch nicht nur anhören, was ich dazu zu sagen habe, sondern sich alle Seiten anhören und selbst entscheiden, wie sie dazu stehen. Wer dann den Zensus boykottieren will, für den haben einen Flyer im Netz, der auf verschiedene Boykottmöglichkeiten aufmerksam macht und zeigt, was unsere Gruppe anbietet.

Das fängt an mit einer ganz strikten Verweigerungshaltung an. Wer sich verweigert muss mit drei Dinge rechnen: Erstens kann gar nicht passieren, weil die Behörden völlig überlastet sind  – zumindest habe ich gute Belege dafür, auch wenn die Behörden natürlich eine ganz andere Drohkulisse aufbauen.

Die zweite Möglichkeit ist ein so genanntes Bußgeld. Das werden wahrscheinlich so zwischen 100 und 300 Euro liegen – theoretisch könnte es aber auch 5.000 Euro betragen, aber das ist nur die Maximalgrenze. Wer das bekommt und bezahlt, braucht danach nicht mehr antworten. Diese zweite Methode wurde in den 1980er Jahren oft angewandt. Aber jetzt wird sie wahrscheinlich nicht mehr genutzt.

Jetzt wird man wohl zur dritten Möglichkeit greifen: dem so genannten Zwangsgeld. Anders als beim Bußgeld befreit es nicht von der Auskunftspflicht. Das heißt, wenn man nach ein- oder zweimaliger Aufforderung nicht antwortet, muss man zum Beispiel 100 Euro Strafe zahlen und hat noch mal eine Woche Zeit, um zu antworten. Wer dann immer noch nicht antwortet erhält ein Strafgeld – und das wird immer weiter erhöht, bis Sie irgendwann weich gekocht sind oder kein Geld mehr haben. Das kann auch zu einer Zwangshaft führen oder einer Pfändung.

Wie werden Sie sich verhalten, wenn Sie eine Fragebogen bekommen?

Michael Ebeling: Ich persönlich habe mich dafür entschieden, dass ich mich nicht an der Volkszählung beteiligen werde. Ich werde meinen Fragebogen nicht beantworten und dann erst einmal abwarten, was passiert. Wenn die Behörde mir mit Buß- oder Zwangsgeld kommt, werde ich dieses nicht bezahlen, sondern mich dagegen wehren. Entweder werde ich das aussitzen und öffentlich machen – ich bin ja mittlerweile schon ein bunter Hund bei diesem Thema (lacht). Oder, das ist wahrscheinlicher, ich werde gerichtlich dagegen vorgehen. Ich habe meine Zweifel und Bedenken am Zensus. Die werde ich vortragen und hoffen, dass die Gerichte das nachvollziehen können. Ich gehe davon aus, dass ich damit auch durchkomme, selbst wenn ich mich dazu notfalls durch alle Instanzen klagen, also bis zum Verfassungsgericht in Karlsruhe gehen muss. Das werde ich auf jeden Fall machen, wenn die Behörden mit einer Strafgeldandrohung kommen.

Dazu vielleicht noch eine nette Anekdote: Ich stelle dem statistischen Bundesamt ja immer wieder so bohrende Fragen, dass sie nun vor einigen Tagen die Kommunikation mit mir abgebrochen haben. Der offizielle Anlass war, dass wir zu den offiziellen Werbeplakaten Persiflagen erstellt haben. Zwei meiner Entwürfe haben dabei Bezug genommen auf die Geschichte vor 70 Jahren. Da hat sich das Bundesamt auf den Schlips getreten gefühlt – oder einen willkommenen Anlass gefunden, um nicht mehr mit mir zu reden.

Es sind aber noch 22 Fragen offen und allein deswegen glaube ich, dass ich gute Chancen hätte, ein Bußgeld auszuhebeln. Denn darf eigentlich nicht sein, dass sie auf sachlich und nüchtern gestellte Fragen nicht antworten. Wenn sie meine Fragen nicht beantworten, werde ich deren Fragen auch nicht beantworten.

Welche weicheren Formen des Widerstands gibt es? Wie können die aktiv werden, die keinen Fragebogen erhalten?

Michael Ebeling: Man kann ganz einfach Sand im Getriebe sein, in dem man viele Fragen stellt. Man kann herum druckst, unleserlich schreiben, Fragen in einer anderen Art und Weise beantworten, den Leuten ein bisschen auf die Nerven gehen. Was jedoch ganz wichtig ist, ist dass man in den einzelnen Erhebungsstellen vorbei schaut – sonst machen die dort überspitzt gesagt, was sie wollen.

Einzelne Bürger müssen sich einsetzten und nachfragen, ob die ganzen Abschottungsbedingungen gegeben sind: Der Bürgermeister darf zum Beispiel keinen Schlüssel zu den Erhebungsstellen haben und auch nicht die Putzfrauen, der Pförtner oder die Feuerwehr. Dann müssen die Stellen eigene Rechner haben, die nicht am Internet angeschlossen sein dürfen. Es dürfen keine Radikalen als Volkszähler eingestellt werden, die Volkszähler dürfen die ausgefüllten Fragebögen keine vier Wochen zuhause aufbewahren, diese fotokopieren oder ähnliches. Es gibt eine Unmenge an Details, für die wir aktiv werden und unsere Rechte und Meinung dort vertreten müssen. Das alles allerdings immer sachlich und freundlich! Die Volkszähler können oft auch nichts dafür, und deshalb sollte man seinen Frust nicht an ihnen auslassen.

Ihr plant eine Flyer-Aktion für den 8. Mai, bei der jeder mitmachen kann. Welche weiteren Möglichkeiten gibt es, sich bei euch zu engagieren?

Michael Ebeling: Jeder kann bei uns mitmachen: man trägt sich einfach auf der Mailingliste ein und kann dann ab sofort alles mitlesen und selbst mitschreiben. Unsere Gruppe lebt allerdings von den Leuten, die nicht nur reden und schreiben, sondern einfach etwas machen. Wenn es solche Leute nicht gibt in unserer Gruppe, passiert auch nichts. Also man kann sich natürlich an uns wenden, wenn man Flyer für die Aktion haben will. Wir bezahlen die aus den Spenden, die wir bekommen haben, damit die Menschen da kostenlos mitmachen können.

Ganz wichtig ist es, den Menschen Informationen an die Hand zu geben. Was sie damit anfangen, bleibt jedem selbst überlassen. Sicher wird es keine große Protestbewegung geben – aber ich möchte, dass die Menschen wissen, was passiert. Wenn sie dann trotzdem sagen »ich mach da mit«,  ist das für mich in Ordnung. Aber ich möchte nicht, dass die Menschen zu etwas gedrängt werden, was sie nicht überschauen können und wo ihnen etwas vorgetäuscht wird, was so nicht stimmt.

Ein schönes Schlusswort. Vielen Dank für das Gespräch!