Wann und warum sollte ich aussortierte Dinge lieber verschenken statt verkaufen. Minimalismus-Ratgeber Christof Hermann gibt Tipps.
„Wenn jeder Einzelne darauf verzichtet, Besitz anzuhäufen, dann werden alle genug haben.“
Franz von Assisi
Minimalisten verzichten auf Besitz, um sich von der materiellen Last zu befreien, um Zeit für wichtigere Dinge zu haben, um nachhaltig zu handeln, um glücklicher zu sein. Hat man sich entschlossen, minimalistisch zu leben, stößt man schnell auf eine Herausforderung: Wohin mit all dem Kram, der nicht mehr zum neuen Lebensstil passt?
Gastbeitrag von Christof Hermann
Die meisten Menschen versuchen, möglichst viel zu möglichst guten Preisen zu verkaufen. Ich habe es genauso gemacht. Im Laufe der Jahre bin ich Tausende Artikel losgeworden, vor allem bei Amazon und eBay, aber auch über Kleinanzeigen und auf Flohmärkten. Nach dem Motto „Wer den Cent nicht ehrt, wird nie ein Dagobert“ habe ich in mühsamer Kleinarbeit Stück für Stück veräußert.
Mittlerweile besitze ich bei Amazon und eBay keine Accounts mehr. Sachen, die ich nicht mehr brauche, gehen an Freunde oder soziale Einrichtungen.
Wann Du verkaufen solltest
Es gibt vier Konstellationen, in denen es allerdings schlauer ist, aussortierte Sachen zu verkaufen.
- Du bist verschuldet. Schulden machen das Leben kompliziert und sind Freiheitsräuber. Setze alles daran, möglichst schnell schuldenfrei zu werden.
- Du hast noch keine Ersparnisse. Zu wissen, dass Du ohne Einkommen eine Zeit lang über die Runden kommst, gibt Dir ein Gefühl der Sicherheit. Es eröffnet Dir die Möglichkeit, Deinem Leben jederzeit eine neue Richtung zu geben. Ohne Ersparnisse hätte ich mich nicht als Autor selbstständig machen können. Wie viele Geldreserven Du zurücklegen solltest, hängt von Deiner Lebenssituation ab. Ein Betrag, der die Ausgaben eines halben Jahres abdeckt, sollte es schon sein.
- Du wirst voraussichtlich einen hohen Preis erzielen. Als ich mich von meinem Kleinstwagen trennen wollte, habe ich ihn natürlich nicht verschenkt. Ich musste nur ein paar Stunden investieren, um dafür 4700 Euro zu bekommen.
- Du hast Spaß am Verkaufen. Gerade am Anfang kann es seinen Reiz haben, Artikel in Auktions- und Verkaufsportalen anzubieten und auf hohe Erlöse zu hoffen.
Fünf Gründe, die für das Verschenken und Spenden sprechen
Oft lohnt sich die Mühe nicht, aussortierte Sachen zu verkaufen. Der Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Gewinn. Zu gerne übersieht man die versteckten Kosten und die kleinen zeitfressenden Arbeiten, die damit verbunden sind, zum Beispiel fürs Versenden. Folgende Argumente sprechen dafür, öfter zu verschenken und zu spenden:
- Du sparst Zeit. Weil die Zeit, die Du in Deinem Leben noch zur Verfügung hast, ständig knapper wird, ist Zeitverschwendung eine Sünde gegenüber dem Geschenk des Lebens.
- Du wirst schneller Minimalist. Je eher Du Deine Wohnung oder Dein Haus entrümpelt hast, desto schneller wirst Du die Vorteile des Minimalismus spüren.
- Du handelst nachhaltig, da Deine Sachen weitere Verwendung finden, nicht auf dem Müll landen oder im Keller verstauben.
- Es tut gut zu verschenken. Es wird Dich glücklich machen, wenn Du jemanden findest, der den aussortierten Gegenstand mit Freude nimmt und verwendet. Die Psychologin Soyoung Park hat den Glückseffekt des Schenkens in einer Studie an der Universität Lübeck nachgewiesen.
- Die Freude über einen Verkauf hält sich in Grenzen. Du wirst beim Verkaufen meist einen deutlich geringeren Preis erzielen als erwartet. Das liegt am Besitztumseffekt. Dieser bewirkt, dass wir eine Sache, die uns gehört, für wertvoller halten als eine gleichwertige Sache, die jemand anderem gehört. Experimente haben ergeben, dass sich der Besitztumseffekt mindestens um den Faktor zwei auswirkt. Wer sich das bewusst macht, kann Enttäuschungen vermeiden und sich eher durchringen, etwas kostenlos abzugeben.
„Warm glow“ oder das wohlige Gefühl
Wie und wo Du verschenken und spenden kannst
Manchmal ist es nicht einfach, selbst für gut erhaltene Sachen einen neuen Besitzer zu finden. Mit ein wenig Geduld und den folgenden Vorschlägen sollte es klappen, jemandem mit dem Aussortierten eine Freude zu machen. Im Zweifel einfach vorher nachfragen.
- Du kannst Familie, Freunde, Bekannte und Kollegen beschenken. Oder Du gründest in Deinem persönlichen Umfeld eine Gruppe in einem Messenger, in der jeder Dinge zum Verschenken teilen kann. Ein Teil der Gegenstände könnte auch in Deiner Mathom-Box (siehe Kapitel 6) landen.
- Abnehmer sind auch soziale und gemeinnützige Einrichtungen wie Sozialkaufhäuser, Kindergärten, Bahnhofsmissionen, Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Rotes Kreuz, Oxfam und Lions Club.
- Nicht mehr genutzte PCs, Laptops, Tablets und E-Book-Reader können an Labdoo gespendet werden. Das gemeinnützige Hilfsprojekt ermöglicht Kindern und Jugendlichen im In- und Ausland einen Zugang zu IT und Bildung.
- Gut erhaltene Bücher, DVDs, Blu-rays und Spiele werden manchmal von Büchereien angenommen.
- In öffentliche Bücherschränke kannst Du Bücher zur kostenlosen Mitnahme stellen.
- Ein ähnliches Konzept wie öffentliche Bücherschränke verfolgen die Giveboxes, Umsonstregale, Umsonstläden und Kost-Nix-Läden. Hier werden nicht nur Bücher, sondern auch andere gebrauchsfähige Gegenstände wie Kleidung, elektronische Geräte, Spielsachen und Küchenutensilien weitergegeben.
- Für die meisten größeren Städte existieren Freecycle-Gruppen, kommunale Verschenkmärkte sowie Verschenken-Gruppen auf Facebook.
- An Schwarzen Brettern in Supermärkten, Schulen und Unis kannst Du Zu-verschenken-Zettel anbringen.
- In Anzeigenblättern und auf Online-Verkaufsportalen gibt es meist eine Kostenlos-Rubrik.
- Oft wird es geduldet, Gegenstände in einem Karton oder Kleinmöbel mit einer Kennzeichnung wie „Zu verschenken“ in den Hausflur oder an die Straße zu stellen. Nimm die Sachen wieder mit, wenn sich nach ein paar Tagen kein neuer Besitzer gefunden hat.
- Wegwerfen und Recyceln sollte die letzte Option sein. Achte in diesem Fall auf eine fachgerechte Entsorgung über den Hausmüll und den Wertstoffhof.
Bildquelle: mohamed Hassan via Pixabay
Bei uns werden nicht mehr benötigte Dinge schon seit Jahren eher verschenkt, als einfach weggeworfen. Vieles von dem, was einem nicht mehr nützlich ist, kann für andere sehr häufig extrem von Nutzen sein. Das finde ich toll. Wenn die Dinge bei Familie und Freunden keinen Platz finden, bieten wir sie zum Abholen/Verschenken online an. Das ist auch ein guter Weg, wie Dinge ein 2. Leben haben können ohne auf dem Müllberg zu landen. Viele Grüße
Hi, ich bin zwar noch weit davon entfernt wirklich minimalistisch zu leben, aber achte schon vermehrt darauf, weniger zu besitzen und vieles, was wir nicht wirklich benötigen auszusortieren (und natürlich weniger Klimbim zu kaufen). Meist verschenken wir die Dinge dann auch an Freunde oder Familie. Und es ist schön zu sehen, dass ein:e andere:r mit diesen Dingen dann viel mehr anfangen kann und viel mehr Freude daran hat als wir. . LG Jasmina
Hallo,
Wir haben in unserem Ort mit einer weiteren Familie zusammen einen Verschenkemarkt ins Leben gerufen. 1-2 Mal im Jahr bauen wir eine Art Flohmarkt auf, wo wir noch verwendbare, aber nicht mehr gebrauchte Dinge zum Mitnehmen hinstellen. Diese Dinge kommen zum Einen von uns, aber auch von den Besuchern des Marktes. Jeder darf mitbringen und mitnehmen, was und wie viel er möchte. Alles kostenfrei! Der Schulförderverein stellt gegen einen kleinen Obolus Getränke und Kuchen zur Verfügung.
Was am Ende übrig bleibt, wird sortiert und nach den im Artikel genannten Möglichkeiten weiterverschenkt. Hat man den Kofferraum voll, lohnt es sich auch eher, mal zu einer sozialen Einrichtung zu fahren, als wegen eines Schuhkartons voll Krimskrams.
Der Markt ist ein voller Erfolg und motiviert sogar meine Kinder, ihr Spielzeug auszusortieren. Sie dürfen sich immer so viele Dinge neu mitnehmen, wie sie vorher aussortiert haben. In aller Regel kommen aber weniger Sachen mit nach Hause, als abgegeben wurden. Auch wir haben seitdem immer eine Kiste im Keller zu stehen, in der alles landet, was uns in die Hönde fällt und bei dem wir denken, brauche ich nicht mehr. Es ist erstaunlich, wie viel Kram innerhalb von ein paar Wochrn zusammen kommt. Meistens bringen wir dann immer 2 Kisten zum Markt plus Kleidung. Insofern ist es auch ein total minimalistisches Projekt.
Und der Aufwand hält sich tatsächlich in Grenzen. Ich hatte erst Sorge, dass es zu viel Aufwand wird und ich dann tagelang mit der Organisation beschäftigt bin. Diese Sorge blieb aber unbegründet. Vielleicht könnt ihr ja auch einen solchen Markt in eurem Ort, Viertel oder einfach nur der Nachbarschaft anbieten.
Nur Mut! Und LG
Salü Christof
Danke für Deine Beiträge. Sie öffnen die Augen für eine Weitsicht.
Warum macht es den Menschen glücklich, Dinge zu schenken, bewusst nicht ver-schenken, und nicht zum Kauf anzubieten ? Jedes Menschenwesen, jedes Tierwesen, jedes Pflanzenwesen, ja sogar alle Materie hat eine Seele, ein Empfinden, ein Gefühl, eine Erinnerung und benötigt Zuwendung, Akzeptanz und Liebe. Ohne diese lebensbejahende Zuwendung können Lebewesen, Pflanzen, Geräte, Materie langfristig nicht existieren. Daher beeinflussen lieb gewordene „Lebensbegleiter“ die Atmosphäre, das Raumklima, die Mitwelt. Und umgekehrt werden von „ungeliebten“ ungenutzten herumstehenenden, in Schränken, Estrich und Kellern armen Dingen ein trauerndes, nicht belebendes, ja eine Totenatmosphäre aus. Das belastet Raum, Luft und Wesen. Wenn die Nicht mehr gebrauchten
Dinge veräussert, führt man die Dinge Einer neuen Aufgabe, einem neuen Verhältnis zur Mitwelt zu und das trägt positiv zum verlassenen Umfeld zu. Wenn die Menschen Dinge verkaufen, die einen Wert inne haben so ist das schon recht. Wenn man Dinge verschenkt an Personen, wo man weiss, dass sie die Dinge wirklich gebrauchen können, so befreit das umso mehr. Ein wirkliches Schenken bedeutet, etwas herzugeben, was man eigentlich gerne behalten möchte, doch das Herz ist für das Geben stärker eingestellt. Das ist wahres Schenken.
Und Du Christof, schenkst vielen Wesen mit deiner vermittelten Lebenserfahrung enorm viel.
Und das befreit dich, macht glücklich und das Glück kehrt bei Dir und den Wesen ein.
Dafür danke ich Dir im Namen aller deiner Leserfamilie.
Herzliche Grüsse aus dem Appenzellerland und alles Gute an alle Wesen die auf dem Weg des Herzens gehen.
Hi Christof,
so mache ich es auch! 🙂
Und ich kenne das Gefühl, wenn sich die Dinge im »Zu verkaufen-Karton“ stapeln und der Karton bei jedem Augenkontakt sagt: »Na, nun mach schon, du wolltest die Dinge in mir doch schon seit ewigen Zeiten verkaufen. Mach endlich, ich will diesen Kram endlich loswerden!!«
Dieses Drängeln hat seit einiger Zeit ein Ende. Und so, wie ich es jetzt mache, bin ich entspannt und im Flow. :-).
Wenn die Dinge wie zweiter Kopfhörer, Diktiergerät (wofür noch mal hatte ich es damals angeschafft?…) sich im Karton stapeln, gibt es zwei Handlungsprinzipien für mich.
1. Lieblingsmenschen, Familie und Freunde beim Besuch auf den Karton hinweisen mit den Worten: »Such dir aus, was du möchtest. Ich brauche es nicht mehr. Vielleicht macht es dich glücklich!«
2. Den Rest in einen großen Umzugskarton packen und einen DIN A4- ZU VERSCHENKEN – Zettel draufkleben.
Nach 1 Woche sind die Dinge in der Regel weg, mein Leben leichter und die Menschen, die die Dinge aus meinem Karton brauchten, vielleicht ein kleines bisschen glücklicher.
Danke für deinen Beitrag! Ich hoffe, er inspiriert viele Menschen, ihre Dinge loszulassen und damit mehr Liebe und Zeit in die zurückbleibenden Dinge und MENSCHEN 🙂 zu investieren.
Herzliche Grüße!
Charlotte