Die Debatten um die Integration so genannter Migrationskinder in Deutschland wahrlich nur die Spitze eines Eisberges, wenn es um das Miteinander von „deutschen Ureinwohnern“ und Ausländer (bzw. Menschen mit ausländischen Wurzeln) geht.

Doch das ist vielen nicht so richtig bewusst – anscheinend noch nicht mal unseren Politikern. Denn anlässlich des „Allgemeinen Periodischen Überprüfungsverfahrens“ (Universal Periodic Review, UPR), bei dem am 2. Februar 09 die Umsetzung der Menschenrechtsabkommen in Deutschland vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf auf dem Prüfstand stehen, verkündet die Bundesregierung:

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

„Die in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgehaltenen Rechte gelten in Deutschland für jedermann, und dies nicht nur auf dem Papier, sondern in der alltäglichen Rechtswirklichkeit“. Als ich das las, musste ich unweigerlich an einen Radio-Beitrag der Deutschlandfunk denken, den ich vor einigen Tagen gehört habe (leider kann ich ihn online nicht finden).

Es ging um Frontex – eine EU-Behörde mit Sitz in Warschau, die für die Sicherung der EU-Außengrenzen zuständig ist. Laut Deutschlandfunk ist diese Enrichtung mittlerweile recht operativ tätig – das heißt, sie fängt Flüchtlinge bspw. auf dem Mittelmeer ab und verhindert so, dass sie europäischen Boden überhaupt erreichen.

Wer hilft wird bestraft

Wer sich dieser Politik in den Weg stellt, hat mit Strafen zu rechnen: 2004 rettete die Cap Anamur im Mittelmeer 37 Schiffbrüchige vor dem Tod. Der Kapitän und Leiter wurde wegen Beihilfe zur illegalen Einreise angeklagt. Wenig später – so der Deutschlandfunk – sei jedoch auch ein Fischer, der im Mittelmeer schwimmende Flüchtlinge ins Meer zurück gestoßen und nicht in sein Boot aufgenommen hatte, angeklagt… So viel zur Doppelmoral.

Damit ist es mit der Doppelmoral allerdings noch längst nicht zuende: Genau zu der Zeit, als der Cap-Anamur-Kapitänvor Gericht sollte, verkündete der damalige Innenminister Otto Schily der deutschen Öffentlichkeit, dass die EU Lager in außer-europäischen Gebieten plane – in diesen sollen Flüchtlinge schon vor dem Mittelmeer abgefangen werden bzw. dorthin kommen die Flüchtlinge, die auf dem Mittelmeer, an Italiens Küsten etc. aufgegriffen werden. Vergessen zu erwähnen hatte Schily laut Deutschlandfunk allerdings, dass es diese Lager längst gibt. Der Radiosender berichtete von unmenschlichen Bedingungen, Krankheit, Hunger und Tod…

Frommes Mäntelchen des Menschenrechts

Mit anderen Worten: Die Bundesregierung gibt sich das fromme Mäntelchen des Menschenrechtsschützers – die Drecksarbeit dürfen anderen, am besten vor den Toren der EU, für sie erledigen. Dies kritisieren entsprechend auch Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen – unter ihnen Pro Asyl, das Deutsche Institut für Menschenrechte und das Forum Menschenrechte.

Sie gehen in ihrer Kritik jedoch noch weiter: Pro Asyl stellt in einer PDF-Datei eine detaillierte Analyse des jetzt erschienenen Staatenbericht der Bundesregierung für die UPR bereit, die deutlich macht, dass auch im Landesinneren keineswegs alles so rosig ist, wie die Bundesregierung das anscheinend gerne hätte:

Asylrecht in Deutschland

Zum Beispiel sei es zwar richtig, dass das Asylrecht in Deutschland formal ein individuell einklagbarer Rechtsanspruch mit Verfassungsrang ist. 2008 seien jedoch nur 1,2 Prozent der Asylanträge anerkannt worden… „Das Asylrecht mit Verfassungsrang ist, bis auf wenige Ausnahmen, zu einer Hülle ohne Inhalt geworden.

Die Regierung verschweigt zudem, dass der angeblich individuell einklagbare Rechtsanspruch in der Praxis so ausgestaltet wurde, dass er oftmals praktisch nicht erreichbar ist“. Dem schließen sich weitere Punkte an, die man bei Interesse in dem siebenseitigen PDF nachlesen kann.

Damit verspielt die Bundesregierung nach Meinung des Deutschen Instituts für Menschenrechte und des Forum Menschenrechte eine wichtige Chance, sich für die Einhaltung der Menschenrechte weltweit einzusetzen.  Denn aus der Tatsache, dass der Regierungsbericht in den Bereichen Migration, Flüchtlinge, Gender-Gleichstellung und Armut hinter den öffentlich zugänglichen Erkenntnissen zurück bleibe, könnten gerade Menschenrechtliche „Hardliner“ wie China, Kuba, Paktistan, Ägypten oder Algerien Kapital schlagen:

Kritische Menschenrechtsbilanz

Für sie „dürfte es ein Leichtes sein, allein durch Presseinformationen die Bundesregierung vorzuführen und ihren Bericht als allenfalls halbe Wahrheit zu denunzieren“, prognostiziert das Forum Menschenrechte und befürchtet, dass sich die Regierungen bei solchen „Vorbildern“ beginnen generell hinter ihren amtlichen Feststellungen zu verschanzen.

Die Chance, eine kritische Menschenrechtsbilanz zu ziehen und Handlungsoptionen für die Fortentwicklunge des Menschenrechtsschutzes in Deutschland für zukünftiges Regierungshandeln zu benennen, werde vertan, bilanziert die Organisation. „Das Risiko ist hoch, dass das UPR-Verfahren zu einer Routine verkommt“, befürchtet das Forum Menschenrechte entsprechend.

Mitmachen

Wer sich für eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik und den Schutz der Menschenrechte einsetzen möchte, kann dies entweder mit einer Spende tun oder tatkräftig Unterstützung anbieten – bspw. bei der Organisation ProAsyl e.V. Weitere Infos – auch zum Thema Frontex – findet man unter anderem auf der Aktionsweb-Site: www.stoppt-das-sterben.eu

Die mündliche Anhörung Deutschlands im Rahmen der UPR findet am Montag, den 2. Februar 2009 statt und kann online per Webcast live verfolgt werden unter: www.ohchr.org