Achtung, die Macht greift ganz sacht hin

In der letzten Zeit geht mir ein Song von „Der Plan“ immer wieder durch den Kopf. Der Refrain lautet „Achtung Kurt Martin, die Macht greift ganz sacht hin!“. Etwas flüsternd sich stets wiederholend  und rhythmisch gesprochen kann dieser Satz zu einem sprichwörtlichen Ohrwurm werden (Nachahmung NICHT empfohlen!). Und eigentlich geht es ja auch gar nicht um den Ohrwurmcharakter, sondern vielmehr um die Tatsache, dass dieses kleine Lied aus den Anfangszeiten der „Neuen Deutschen Welle“ irgendwie ganz gut ins Heute passt. Und da die Macht nun mal sachte schleicht, hat es eben auch etwas gedauert. Doch heute ist sie da wo sie hin will. Dank Europäischem Stabilitätsmechanismus (ESM) braucht sie vielleicht noch ein zwei Schritte,… dann kann sie uns eine lange Nase drehen.

Wenn man sich allein nur mal die Tage seit letzten Dienstag anschaut, dann weiß man was das alles soll, mit der Macht und so… Dann sieht man schon recht deutlich, wohin sie schleicht. Doch gleichzeitig umschleicht einen noch etwas anderes, nämlich das Gefühl, dass es kaum noch jemanden interessiert. Und das ist kein schönes Gefühl, kann ich sagen. Mir zumindest gefällt es gar nicht. Denn, um mal beim Song von Der Plan zu bleiben: „Gefährliche Clowns steh’n am Straßenrand, sie haben ein paar Waren für Kurt Martin in der Hand.“ Tja, und so langsam aber sicher, fühle ich uns von diesen Clowns, den Gauklern, den „Medienmachern“, Scharlatanen und Seelenhändlern – oder wie man sie alle nennen mag – mehr bedrängt, als es mir und anderen gut.

 

»Kurt Martin und der Clown steh’n am Straßenrand, Kurt Martin gibt dem Clown 2 Mark 30 in die Hand«

Tja, und so ist es eben. Während sich die Macht immer weiter ausbreitetet, unsere Gesellschaft und alles was sie zusammenhält aus den Fugen gerät. Während die Gruppe der Profiteure immer weiter schrumpft. Während zunehmend arme Menschen zu einem Hungerlohn vor den Karren dieser Reichen gespannt werden – oder gar nichts bekommen. Während das „einfache Volk“ zunehmend zu Tagelöhnern und Leibeigenen gemacht wird. Während ihnen dabei sogar noch Angst vor Sanktionen gemacht wird, wenn sie diesen zweifelhaften Tätigkeiten nicht nachgehen wollen. Und während ihnen suggeriert wird, dass  nur der als gut zu gelten habe, der diese Ausbeutungsmasche anerkennt und nicht widerspricht. Währenddessen bleibt den Schwächsten unter uns nur eine Handvoll Piepen.

Gerade jetzt geht der in der letzten Zeit ach so geschundene Dax wieder in die Knie. Gerade jetzt, befinden sich die Bankenwerte – vorne an diejenigen der Deutschen Bank – auf Talfahrt. Gerade jetzt wird wieder einmal Druck auf die Parlamente ausgeübt, sich ja nicht den Plänen für die Euro-Rettung in den Weg zu stellen. Eine Rettung, die vielmehr ein Reload ebendieser Banken darstellt. Eine Rettung die am Ende kleine Marktteilnehmer im Bankengewerbe aus dem Markt hauen wird.Und eine Rettung die – wie die anderen davor – am Ende keine sein wird. Kein Werk der faulen Südländer, sondern der fleißigen Clowns am Straßenrand, die ihr aufgemaltes Grinsen kaum noch verbergen können dürften. Immer mehr Taler rollen in ihre Geldbunker, Bunker die den bekannten Fässern ohne Boden gleichen. Jeder kennt das Bild von Dagobert Duck, wie er in seinen Goldtalern badet. Dieses Bild steht mir im Hinterkopf und verträgt sich so gar nicht mit einer Welt, in der die Hälfte der Lebensmittel weggeworfen werden. Einer Welt, in der eine Milliarde Menschen hungert und der größte Teil der Einwohner ein Leben in Entsagung, Unterdrückung und Perspektivlosigkeit verbringt. Das nervt unheimlich.

 

»Der Clown gibt Kurt Martin eine Ware in die Hand, Kurt Martin hat die Ware jetzt in seiner Hand«

Wir dürfen unsere geschundenen, gelangweilten und überforderten Seelen beruhigen, in dem wir konsumieren? Indem wir kaufen gehen und uns für einen Augenblick im Auge des Taifuns stehend von all dem Elend ablenken lassen? Doch wie lange dauert er denn, dieser Augenblick? Eine Woche? Einen Tag? Eine Stunde? Ein paar Minuten? Die Clowns geben uns ihre Waren in die Hand, sorgen so kurz für Ruhe. Doch nur zu schnell wollen wir wieder ran an den Trog, wollen Neues, Unverbrauchtes und vor allem das Gefühl der Freiheit. Wollen auswählen können, was uns als nächstes kurz beruhigen soll. Doch wirklich ruhig macht es nicht. Und helfen tut es nur den Clowns, denjenigen die uns auf Trab halten. Denen, die uns im Hamsterrad der Eitelkeiten, der Konkurrenz und seelischen Nöte bewegen. Und wir machen mit – die meisten von uns – so lange, bis wir nicht mehr können. Bis wir kein Geld, keine Kraft und keinen Mut mehr haben, den Konsum unsere Seelen streicheln zu lassen.

Und während wir uns Mühe geben unser Leben zu verleben, in einer Illusion des ständig Neuen, der frischen Hoffnungen und selbst gemachten Bannsprüche. Während wir durch die Shopping-Meilen schlendern, den Lichtern und Worten in der Glotze folgen oder uns zusammenreißen, um das zu glauben, was man uns zu unserer Beruhigung erzählt. Während wir uns aller Mühe uns abzulenken, uns zu beschwichtigen und selbst zu belügen, greift eben jene Macht ganz sachte um sich. Erst nach den Schwachen unter uns. Und sie kann nur zu oft auf unser Desinteresse, unsere Missgunst und unseren Neid dabei bauen. Dann nach den schon Stärkeren, die wir für gefestigt hielten – deren Wanken uns vielleicht etwas wundert. Und zum Schluss nach uns selbst, in der Gewissheit, dass niemand mehr da ist, der uns verteidigen wird. Die Clowns haben uns geneppt, geblendet und angeschmiert. Doch die Macht hat uns dabei in ihren Schraubstock gezwungen uns sogar gegenseitig uns zwingen lassen.

 

»Kurt Martins Hand fällt vom Arm in den Sand, der Clown verschwindet hinter einer schwarzen Wand«

Das Prinzip der Macht ist ganz einfach: Solange es noch genügend Menschen gibt, denen ihr Handeln eine Hoffnung auf Macht und Sicherheit verheißt, so lange wird sie von ihnen getragen, gestützt und sogar verteidigt werden. Erst wenn die Zahl derer, die an dieser Macht zugrunde gehen, die derjenigen die sie ausmachen übersteigt, erst dann wird eine Gegenwehr möglich. Doch dann ist es vorbei. So lässt sich beobachten, dass sich Geschichte stets wiederholt. Denn hier ändert sich nicht der Mensch, nicht der Clown und auch nicht die Macht.

Heute, dass heißt im September des Jahres 2011, wird der Bundestag genau den Fehler begehen, den vielleicht dereinst Historiker als „historisch“ bezeichnen werden. Der Moment, in dem die Macht übergeben wird – von denen die wir gewählt haben, Schaden von uns abzuwenden, an diejenigen die (nach allem Anschein) für diesen Schaden stehen… Es fehlen noch ein, zwei Schritte und aus dem Spiel der Mächtigen wird Ernst. Dies haben wir in der Geschichte schon mehrfach erlebt (man braucht nur mal unter dem Stichwort „Ermächtigungsgesetz“ zu recherchieren) und wir sollten gewarnt sein. Doch mit der Übergabe der Macht an die Mächtigen, den Ländern Europas an die „Zentrale“ werden sich auch die Clowns zurück ziehen. Uns wird die Hand vom Arm fallen, denn sie wird unbrauchbar, wird keine Aufgabe mehr haben und zu nichts nütze sein. Der Arm der Macht wird ein anderer sein, nicht der unsere. Und uns wird es nicht einmal zustehen, dies zu beklagen – geschweige denn zu ahnden.

Und alles das was uns davon abhielt andere davon abzuhalten – uns ablenkte und in der Sicherheit des Banalen uns wiegen ließ, wird verschwinden – so wie die Clowns hinter einer schwarzen Wand. Und diese wird uns von ihnen trennen und uns in der Geschichte abermals belehren, dass uns Desinteresse und Eigensucht, gepaart mit Egoismus und fehlender Solidarität, gewürzt mit Gier und Machtdünkel, zu nichts anderen macht als zu Verlierern. Und das führt uns auch gleich zu einem anderen Song, dem Lied einer Schwedischen Kombo aus den 70er Jahren – ABBA – und: „The Winner takes it all, the Loser stands alone.“ Na, und den können wir zumindest alle mit summen, oder?