3568 kcal  (128 g Eiweiß, 138 g Fett, 381 g Kohlehydrate) versus 2102 kcal (57 g Eiweiß, 46 g Fett, 359 g Kohlehydrate)…

Seit Wochen berieseln uns die Schreckensmeldungen: Ja, die Menschen in Ostafrika hungern. Aber wissen wir tatsächlich, was Hungern heißt? Begreifen wir das gesamte Ausmaß? Denn die Hungersnot in Ostafrika ist ja nur die Spitze. Das, was es – manchmal – in die Schlagzeilen unserer Medien schafft. Tatsächlich hat der Hunger von über einer Milliarde Menschen in unserer Welt System. Ein trauriges System. Ein beschämendes System.

Können wir uns Hunger als einen Teil unseres ganz normalen Alltags vorstellen? Nein, sicherlich schon lange nicht mehr. Unsere Großeltern können vielleicht noch von Kriegs- und Nachkriegszeiten erzählen. Doch für eine zunehmende Zahl der Weltbevölkerung wird Hunger als „normaler“ Lebensbestandteil zur Realität. Das zeigt die preisgekrönte Dokumentation „Hunger“, die der SWR in Zusammenarbeit mit einigen NGOs realisiert hat und die es nun auch als (empfehlenswerte!) DVD gibt.

Gleich zu Beginn macht eine junge Frau  (siehe Bild unten) in die Kamera: „Vielleicht sollte ich auch nach Europa gehen, denn dort essen die Menschen den ganzen Tag lang. Dazwischen trinken sie Tee. Und dann essen sie wieder. Bei uns gibt es keinen Tag, an dem wir uns richtig satt essen können“. Und so nehmen immer mehr Afrikaner die gefährliche Schlepperfahrt über’s Mittelmeer auf sich…

 

Die Gründe sind nicht so kompliziert und vielfältig, wie manche uns vielleicht gerne glauben lassen möchten. Der Film fasst zusammen: Er zeigt, wie den Masai das Wasser des Kilimandscharo abgezogen wird, um Rosen für den Export nach Europa zu bewässern (pro Rose braucht man übrigens 5 Liter Wasser, etwa 500.000 Tonnen Blumen werden pro Jahr in Afrika für Europa produziert).

Er berichtet auch, dass sich die Zahl Dürren in den letzten 25 Jahren durch den Klimawandel vervierfacht haben. Er zeigt, dass 95 Prozent der indischen Kleinbauern, die entweder verhungert sind oder wegen ihrer Überschuldung den Freitod gewählt haben, gentechnisch verändertes Saatgut benutzt haben. Und das waren seit 1997 über 200.000 Menschen.

Er zeigt: Über die Hälfte aller hungernden Menschen in unserer Welt sind Kleinbauern. Und er zeigt die Großgrundbesitzer in Brasilien, die Regenwald roden, um Gen-Soja anzubauen – und mit ihren Pestiziden die wenigen verbliebenen Kleinbauern in die Flucht schlagen.

Gerodete Regenwaldflächen und Soja-Felder soweit das Auge reicht. Doch der Ertrag des fruchtbaren Bodens wird ins Ausland exportiert. Das Geld wandert in die Taschen weniger (ausländischer) Großbauern…

In einem Test, den man auf der begleitenden Website www.swr.de/hunger machen kann (auch informativ und empfehlenswert) zeigt sich, dass 96 Prozent der Test-User wissen, dass es in unserer Welt zwar genug Lebensmittel für alle Menschen gibt – dass sich aber über eine Milliarde Menschen die Nahrung entweder nicht leisten kann oder keinen Zugang dazu hat. Doch das alles sind Zahlen und Fakten. Sie sind nicht emotional. Sie erwecken kein Mitgefühl. Sie versetzen uns nicht in die Lage, das Leid im vollen Umfang zu erfassen.

Also noch mal ein Versuch: Wie fühlt sich Hunger an? Welche Folgen hat er zum Beispiel für einen Körper? Nun, Hunger führt zu Kopfschmerzen, Schwindel, Müdigkeit, Schlaflosigkeit, Konzentrationsmangel und verminderte Leistungsfähigkeit. Er verursacht Antriebsarmut und Teilnahmslosigkeit bis hin zur Depression. Hunger kann zu Haarausfall, Blutungen und Hautentzündungen führen. Außerdem verringert sich durch Hunger die Barrierefunktion der Haut, so dass Krankheitserreger leichter eindringen können.

Auch das Sehvermögen verschlechtert sich durch Hunger. Es können sogar auch irreversible Hornhautschäden bis hin zum Erblinden entstehen. Das Zahnfleisch entzündet sich, Zähne fallen aus. Hunger bewirkt Muskelschwund – und zwar auch in Lunge und Zwerchfell (was zu Atemnot führt) und im Herz, was Herzrhythmusstörungen oder gar den Tod durch Herzschwäche auslöst. Die Lungenbläschen nehmen ab, die Darmtätigkeit ebenfalls. Die Darmzoten verringern sich, sodass die Nährstoffe schlechter aufgenommen werden können. Durch das vom Hunger geschwächte Immunsystem kann es schneller zu Durchfallerkrankungen kommen.

Wie wirkt andauernder Hunger auf einen Körper. Eine Diashow unter www.swr.de/hunger zeigt es

Hunger vermindert den Abbau von Giftstoffen, er stört den Fettstoffwechsel und schwächt die Leber bis hin zum Leberversagen. Durch Hunger nimmt die Zellmasse ab, was zum Beispiel für brüchigere Knochen sorgt – und bei Kindern zum Wachstumsstillstand führen kann.

Überhaupt Kinder: Sie sind die Hauptleidtragenden des Hungers, denn bei ihnen wirkt sich der Hunger viel langfristiger aus: So leiden Kinder, die von hungernden Müttern geboren werden, oft an einem zu niedrigen Geburtsgewicht, an einem offenen Rücken (d.h. Lähmung der unteren Körperhälfte), einem gar nicht oder nur teilweise ausgebildeten Gehirn (diese Kinder sterben meist kurz nach der Geburt), an Minder- oder Zwergwuchs, Schwerhörigkeit, Sprachstörungen sowie einer insgesamt verminderten geistigen Entwicklung.

Was heißt: Täglich hungern?

Können wir uns nun vorstellen, was es heißt täglich zu hungern? Was bedeutet es, wenn ich noch nicht mal das Geld für das Allernötigste zusammen bekomme? Und wenn es keine Hoffnung auf eine Besserung gibt? Diese Lebenssituation hat viel umfassendere Auswirkungen als nur die Körperlichen. Sie muss absolut demütigend, deprimierend für die Seele sein. Wir können es nur erahnen…

Umso beschämender ist, dass die Weltgemeinschaft trotz ausreichend vorhandener Lebensmittel, dieses Problem nicht in der Griff bekommt. Die Lösungen sind bekannt. Allein der politische Wille fehlt. Die Politiker der einzelnen Nationen reden sich aus der Verantwortung: Angeblich könne man nichts tun, solange nicht alle anderen mitziehen. Ich frage mich nur: Wieso schaffen es dann genau diese Politiker, weltweit geltende Regelungen per WTO und IWF inkraft zu setzen? Regelungen, die das Hungerproblem in unserer Welt anscheinend nur erhöhen und nicht lösen?

Weitere Infos: www.swr.de/hunger, Welthunger-Index