Was wäre eigentlich, wenn niemand mehr meckern, klagen oder jammern würde? Wir Deutschen als Nation des Jammern wären sicherlich um einen großen Teil unserer Konversation gebracht…

Nicht meckern – machen!

Heute morgen fiel mir zufällig das Blättchen unserer hiesigen Kirchengemeinde in die Hände und eine kleine Randnotiz bekam meine Aufmerksamkeit: Es ging um einen Pastor aus Kansas, Will Bowens, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, seine Gemeinde von der unsinnigen und schädlichen Gewohnheit des Jammerns und Meckerns zu befreien (und hat daraus mittlerweile die internationale Bewegung >>Complainfree World<< gemacht). Denn – so seine These und auch angeblich die diverser Neurowissenschaftler: Wer meckert fokussiert sich auf das Problem, anstatt auf die Lösung. Das schafft in unserem Gehirn Strukturen, die uns stressen – und damit unglücklich und krank machen.

Ein Beispiel, das Herr Bowens in einer seiner Reden anführt: Bringt ein Kellner eine zu kalte Suppe, so sollte man ihn bitten, sie zu erwärmen – und sich nicht darüber beklagen, dass sie zu kalt ist… Wer einen blöden Chef hat, sollte mit ihm darüber reden, wie sich die Situation bessern ließe – und sich nicht bei seinen Kollegen über ihn beklagen. Wer Probleme mit seinem Lebensgefährten hat, sollte ihm seine Wünsche mitteilen, anstatt sich bei Freunden über ihn oder sie zu beschweren. Das ist nicht nur ehrlicher und mutiger – es führt überhaupt erst dazu, dass sich unser Leben in die Richtung verbessern kann, die wir uns wünschen.

Was wäre, wenn es kein Meckern mehr gäbe?

Ein lila Armband gegen das Meckern

Nun weiß jeder, dass es nicht gerade einfach ist, Gewohnheiten abzulegen – schon gar nicht solche, die uns Deutschen so lieb und teuer sind wie das Meckern, Jammern und Klagen. Gesellschaftlich breit akzeptiert (ein wesentlicher Unterschied zu den USA, wo es als eher unhöflich gilt, sich zu beklagen) sichert es uns das Motzen und Meckern die Aufmerksamkeit und Zuwendung anderer Menschen: Wo wir damit kein Mitleid ernten, finden wir Vertraute oder sogar Verbündete – eine Leidensgemeinschaft kann auch zusammenschweißen…

Wie also diese lästige Gewohnheit loswerden? Herr Bowens hat sich dazu ein einfaches Spiel ausgedacht: Man nehme ein lila-farbiges Armband und lege es an eines seiner beiden Handgelenke an. Sobald man sich beim Meckern ertappt, wechselt man das Handgelenkt. Das Ziel ist es, dass das Armband 21 Tage lang an ein und demselben Handgelenk bleibt.

Was wäre, wenn es kein Meckern mehr gäbe?

21 Tage ohne Jammern

>>Aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen sagen: Man hat am Anfang eine Menge zu tun. Hin und her wechselt das Armband an meinen Handgelenken<<, berichtet die Pastorin Bettina Rutz in dem oben genannten Beitrag des Magazins der Gemeinde >>Broder Hinrick<< in Hamburg. Etwa sechs bis acht Monate soll man brauchen, um tatsächlich die 21 Tage durchzuhalten – wenn man durchhält.

Denn das Durchhalten ist – wie bei jeder mentalen (Meditations-)Übung – sicherlich das Schwierigste. Kein Wunder, dass Herr Bowens (zumal als guter Amerikaner) einen Markt für sein Anliegen gefunden. Multinationale Konzerne buchen ihn, deren Vorstandsetagen sind begeistert von dem mitreißenden Redner. Auch in Deutschland gibt es natürlich schon Angebote, die das Erlernen der Klaglosigkeit vereinfachen sollen:

>>Alle negativen Gedanken, Anklagen, Schimpfereien etc. schwächen nachweislich unser Immunsystem und beeinflussen eine Reihe von körperlichen und seelischen Prozessen negativ<<, wirbt etwa Peter Gerd Jaruschewski seines Zeichens Lehrer, Marketing-Profi und Geburtshelfer (um nur einige seiner Berufe zu nennen), für die Idee – er bietet Workshops und Seminare für das sachgerechte Tragen der lila Bändchen an und hat er sich zu diesem Zweck die URL www.klagefrei.de reserviert.

Was wäre, wenn es kein Meckern mehr gäbe?

Was wäre, wenn wir nicht mehr klagen würden?

Bleibt die Frage, was geschehen würde, wenn wir nicht mehr meckern würden. Da sachliche Kritik an Missständen laut der Definition von Herrn Bowens anscheinend nicht unter das Stichwort >>Meckern<< oder >>Jammern<< fällt, scheint mit die Idee recht bestechend zu sein. Denn selbst die sachlichste Kritik ist auch dann nur wirklich konstruktiv, wenn man darüber hinaus Vorschläge für eine Verbesserung oder Lösung parat hält.

Ich versuche mir im Geiste gerade ein KanzlerInnen-Duell und Wahlkampf vorzustellen, indem (An)Klagen und Schuldzuweisungen einfach nicht vorkommen. Debatten, die von Lösungsvorschlägen, Visionen und einem konstruktiven Ausblick in die Zukunft geprägt sind. Was für eine Erleichterung! Wenn man dann noch glauben könnte, dass sich unsere Politiker tatsächlich vorrangig um eine Verbesserung unserer Welt kümmern (anstatt um ihre eigene Karriere) – dass sie ihre blumigen Wahlversprechen also ernst meinen und mit Verve versuchen umzusetzen… Ja, dann… Aber halt, ich meckere und beklage mich gerade… oder nicht?

P.S. Übrigens können wir von der Ziege bzw. dem Ziegenbock einiges lernen, weil ihr Meckern immer fröhlich klingt 😉 Danke für die Bilder an Micha Rittmeier, ich und Du, wave111 und Gabi Schoenemann (v.o.n.u., via pixelio.de).