Es sollte eigentlich mehr als klar sein: Unendliches Wachstum ist nicht nur zerstörerisch, es ist auch unmöglich. Dennoch halten wir beinhart daran fest. Das lässt sich auch erklären. Die Frage ist also: Wie bekommen wir eine Postwachstumsgesellschaft. 2 Bücher, viele Tipps.
Wie bekommen wir eine Postwachstumsgesellschaft? Diese Frage umtreibt so manchen. Den einen privat, den anderen beruflich – oder beides. Klar ist jedenfalls, dass wir uns ein neues Wirtschafts- und Gesellschaftskonzept ausdenken müssen, wenn wir überleben und/oder nicht in die absolute Katastrophe schliddern wollen.
Doch dass das nicht so einfach ist, dafür gibt es natürlich so einige Gründe und Ursachen. Norbert Nicoll, Politikwissenschaftler an der UniDuisburg-Essen, hat dazu so einiges in seinem Buch „Adieu, Wachstum!“ geschrieben. Er zeigt, wie der Wachstumsmythos seit Jahrhundert in unserer Kultur gewachsen ist. Und wie er sich zu unbewussten Überzeugungen verfestigt hat.
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Adieu, Wachstum!
Das Ende einer Erfolgsgeschichte
Norbert Nicoll
ISBN 978-3-8288-3736-2
432 Seiten, Klappenbroschur
Tectum Verlag 2016 [Verlag] [Buch7]
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Die lineare Zeit und das Wachstum in unseren Seelen
Zum Beispiel hängt viel mit unserem linearen Zeitkonzept zusammen. In unserer Vorstellung geht alles immer weiter. Und seit der Aufklärung soll es auch irgendwie immer eine bessere, „fortgeschrittenere“ Zukunft gehen: Der Wohlstand soll wachsen. Das Bildungsniveau auch. Das Lebensalter. Die Menge an Geld. Solange wir diese verinnerlichte Vorstellung nicht loslassen können, kommt uns ein Leben in einer Postwachstumsgesellschaft wohl immer wie ein riesiger Verzicht vor.
Das war nicht immer so und das ist auch nicht in allen Kulturen so. Manche haben zum Beispiel eher ein Konzept von Kreisläufen – von Zeitabschnitten, die immer wiederkehren. So wie das Jahr immer wieder die vier Jahreszeiten hat. Eine solche Sichtweise führt zu anderen Verhaltensweisen und Erwartungen. Wer so lebt, der weiß, dass der Winter karg, der Frühling grün, der Sommer heiß und der Herbst bunt ist. Und der erwartet nicht, dass es immer noch grüner, heißer und bunter wird.
Wachstum und gesellschaftliche Stabilität
Dazu kommt, dass unsere gesellschaftliche Stabilität – so wie die Dinge derzeit organisiert sind – ganz wesentlich vom Wachstum abhängen. Der wohl entscheidende Grund, warum die Politik daran festhält. Nicoll begründet dies mit unserem Finanzsystem und der Tatsache, dass Geld Geld einbringen soll: Wer Aktien kauft, ein Sparbuch einrichtet oder in sonstiger Weise Geld anlegt und investiert, der tut das in erster Linie, weil daraus mehr werden soll.
Doch dieses mehr muss irgendwie von irgendwem erwirtschaftet werden. Deshalb darf es nicht sein, dass unser Markt gesättigt ist. Es müssen immer noch mehr Güter und Dienstleistungen angeboten und konsumiert werden, mit denen sich Geld verdienen lässt. Einmal mehr, weil die Menge des Geldes, das möglichst gewinnbringend investiert werden will, ja weltweit rapide steigt.
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Postwachstumspolitiken
Wege zur wachstumsunabhängigen Gesellschaft
Frank Adler, Ulrich Schachtschneider (u.a.)
ISBN-13: 978-3-86581-823-2
328 Seiten, Softcover
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Wie bekommen wir eine Postwachstumsgesellschaft?
Norbert Nicoll bietet in seinem Buch noch viele weitere interessante Fakten – vor allem auch dazu, warum die Wende zur Postwachstumsgesellschaft so dringend notwendig ist. Leider fehlen mir in seinem Buch definitiv Ideen für Alternativen. Geschweige denn Vorschläge, wie ein demokratischer und friedlicher Wandel hin zu einer Postwachstumsgesellschaft denn nun aussehen könnte.
Bei meiner Suche nach Antworten ist mir dann jedoch ein Buch aus dem Oekom Verlag in die Hände gefallen. Es trägt den Titel „Postwachstumspolitiken“ und enthält Beiträge von vielen Vordenkern der Postwachstumsökonomie. In 3 Abschnitten und 22 Beiträgen debattieren sie Antworten auf Fragen wie: Wie können wir den inneren Wandel bei den Menschen bewirken? Und wie können wir einen politischen Wandel hin zu neuen Rahmenbedingungen erreichen?
Möglichkeiten und Grenzen der Politik
Im ersten Teil geht es um die Frage, was Politik hier überhaupt leisten kann. Ganz grundsätzlich gibt es ja einmal die Möglichkeit, eine Postwachstumsgesellschaft von unten nach oben zu bewirken (bottom-up): In dem sich ganz viele Unternehmen, Organisationen, Gemeinschaften und Communitys entwickeln, die neue Ideen, Sichtweisen, Handlungsalternativen und Methoden ausprobieren und etablieren.
Sie liefern die Basis für alle, die den Wandel individuell vollziehen und ihr Alltagsleben nach den Idealen einer Postwachstumsgesellschaft neu gestalten wollen. Beispiel: Tauschen und Teilen statt Besitzen kann eben nur in einer größeren Gemeinschaft und mit der entsprechenden (digitalen) Infrastruktur funktionieren. Haben sich solche Lösungen und Ideen erst einmal verbreitet, können sie in den Mainstream einsickern und auch die Politik und Wirtschaft zieht mit.
Die zweite Möglichkeit des Wandels ist die von oben (top-down). Das ist der Fall, wenn zum Beispiel die Politik bestimmte Rahmengesetze, -richtlinien oder Anreize vorgibt. Beispiel: Flaschenpfand oder Mülltrennung. Der Titel des Buches sagt es schon: Es geht vor allem um Überlegungen, die diese Strategie verfolgen.
Postwachstum braucht Partner
Dabei überlegen die Autoren auch, welche gesellschaftlichen Akteure wirksame Partner in den verschiedenen Bereichen sein könnten. Wo gibt es zum Beispiel Überschneidungen mit den Gewerkschaften (die sicher nicht alles an einem Postwachstumskonzept gut finden)? Unter welchen Umständen könnten sich Unternehmen für die Idee gewinnen lassen und welche Beispiele dafür gibt es bereits jetzt (das sind mehr, als ich gedacht hätte!)?
Ja, und schließlich denken die Autoren darüber nach, wie eine Arbeitspolitik, eine Finanzmarktregulierung, eine Wirtschaftspolitik, eine Politik für Soziales und Pflege, eine Bau- und eine Gesundheitspolitik in einer Postwachstumsgesellschaft aussehen könnte. Ungeschönt muss ich sagen, dass die meisten Autoren all diese spannenden Themen leider in einer ziemlich anstrengenden, akademischen Sprache formulieren. Doch es spricht wahrscheinlich für das Buch, dass ich es dennoch gelesen habe.
Unter’m Strich: Mein Fazit
Beide Bücher würde ich weiter empfehlen. Das erste eher für Einsteiger in diesem Gebiet, das zweite eher für Fortgeschrittene – oder eben auch in genau der Reihenfolge. „Adieu, Wachstum!“ von Norbert Nicoll hat mich vor allem dadurch motiviert, selbst etwas zu tun, dass es all die Schrenkensszenarien gezeichnet hat, die uns erwarten, wenn wir einfach so weitermachen.
„Postwachstumspolitiken“ hat mir dagegen so manche Gedankenspiele (was wäre wenn?) ermöglicht. Eine gute Inspiration, die mir – auch wenn ich sie in meinem Alltag nicht umsetzen kann – den Blick geöffnet und neue Bezugspunkte geliefert hat, um aktuelle gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Entwicklungen einsortieren zu können.
Eine endgültige Antwort auf die Frage, wie wir nun eine Postwachstumgesellschaft bekommen, hat mir keines der beiden Bücher geliefert. Doch das ist wohl auch nicht weiter verwunderlich: Es gibt eben einfach niemanden, der das komplexe System Erde überblicken und einen Masterplan für eine sichere, friedliche Revolution ausbaldovern kann. Wenn dem so wäre, wäre unsere Welt sicherlich schon eine ganz andere. Leider…
Bildquelle: Die Grafik oben basiert auf einer Idee für Postwachstumsstrategien des Colectivo Desazkundea.
WACHSTUMSWAHN
Man produziert und produziert,
Plündert Ressourcen ungeniert.
Gewinnmaximierung ist Pflicht,
Die intakte Natur zählt nicht.
Börsenkurse steh’n im Fokus,
Umweltschutz in den Lokus.
Plastikflut und Wegwerftrend,
Man konsumiert permanent.
Nur unser ständiges Kaufen
Hält das System am Laufen.
Unser westlicher Lebensstil
Taugt nicht als Menschheitsziel.
Die Jagd nach ewigem Wachstum
Bringt letztlich den Planeten um.
Das oberste Gebot der Zeit
Muss heißen Nachhaltigkeit.
Statt nur nach Profit zu streben,
Im Einklang mit der Natur leben.
Rainer Kirmse , Altenburg
Herzliche Grüße aus Thüringen
Hallo Postwachstums-Grübler,
hallo Ilona (auf deren… Seite ich da eben dankenswerter Weise gestoßen bin: super Angebot!),
ich frag mich immer wieder, warum nur alle so zurückschrecken vor der Übermacht der erfolgreichsten Monopolisierer sämticher Lebens- und Politik-Bezüge in unseren Tagen ?
Wo Macht sich ballt, braucht es Gegengewichte, falls uns ein Marionetten-Dasein mit seinen Scheinfriedens-Angeboten nicht genügt… – abgesehen von den Crash-Kaskaden, in denen wir ja bereits stecken …
Der Anspruch, entstandene und via Nötigung weiter ausgebaute UNWUCHTEN wieder und wieder neu a u s w u c h t e n zu wollen, ja zu dürfen – als mit jener Würde ausgestattete Wesen , die uns Menschen so fraglos eignet, dass sie nur mit Gewalt unterdrückt werden kann – dieser Anspruch steht uns zu, sobald wir ihn für uns (zeitbezogen gewandelt ggf. neu) entdecken und erheben.
Die Übermacht der Monopolisierer wird entweder via Hyper-Crash über uns hereinbrechen oder via wirtschaftlicher Kujonierung und verhängten System-Changes… im Dienste bedenkenloser Dominanz-Wahrung …
Wäre da wirklich das eine für mehr Menschen um so vieles schmerzhafter als das andere ?
Warum sich also ins ´Bockshorn jagen´lassen ?
Wenn´s eh wehtun wird, nabeln wir uns doch bitte täglich beherzter auf findig kluge Weise auch auf den politischen Bühnen dieser Welt Schritt für Schritt von den Kriegs- & Bereicherungsfetischisten des Erdballes ab – micht allein, indem wir immer mehr unserer Lebensvollzüge nach anderen Kriterien ausrichten als bisher, – – – sondern vermittels neuer Hebel-Tools auf den politischen Bühnen unserer Länder … !
Das die Idee, an der ich seit einiger Zeit bastle – ich denke:
Unsere GEWALTENTEILUNGS-SYSTEME bedürfen weiterer AUSBALLANCIERUNG:
Neben die 3 tradionellen Staatsgewalten sollten geldsystems-organisatorisch eine MONETATIVE treten (später dann weiteres !) und bürgerschaftsrechtlich (eine) AUDITATIVE(N) (http://buergerbeteiligung-neu-etablieren.de/LBK/INDEX.html) – – –
´AUDITATIVEN´ (so habe ich sie einfach mal genannt) wären Veränderungs-Tools- & Hebel, die hinreichend diffenzierte REGELUNGS-VORGABEN für die übrigen Gewalten entwickeln und mit erheblich anderem Gewicht (weil anderer und dringend gebrauchter Qualität) als die Straße zu Gehör bringen könnten…
Ein sich ausbreitender Appell hätte also der Lust am Aufbau einer KONVENTS-BEWEGUNG zu gelten … wofern dieser Selbstorgansationsgedanke Mobilisierungskraft zu gewinnen vermag …
– – – Irgendwie interessant und nicht nur realitätsfernes Wunschdenken? – Über Kritik würde ich mich sehr freuen !
Wir müssen unser Denken verändern (dazu arbeite ich auch)
dann ändert sich auch automatisch unsere Umgebung.Wenn
wie das mit Liebe machen, geschehen die sprichwörtlichen
Zeichen und Wunder.
Grüße Michael
Hallo Ilona,
„Eine endgültige Antwort auf die Frage, wie wir nun eine Postwachstumgesellschaft bekommen, hat mir keines der beiden Bücher geliefert.“
Eine „friedliche Revolution“ wird es meiner Einschätzung nach nicht geben.
Dafür gibt es zu viele mächtige und reiche Leute, die eine solche Gesellschaft nicht wollen, weil sie vom gegenwärtigen Zustand profitieren.
Wahrscheinlich wird nur ein unausweichlicher Zusammenbruch des Geldsystems deutliche Veränderungen bringen.
Gruß, Jörg