Wie kann ein Sozialstaat ohne Wirtschaftswachstum aussehen? Wie können wir unsere Lebensqualität mit weniger Konsum und Arbeit verbessern? Und wie würde eine Gesellschaft aussehen, die Mitgefühl und Hilfsbereitschaft belohnt? Fragen, auf die Zeitbanken eine Antwort geben sollen.

Was ist die Zeitbank?

Die Idee ist eigentlich ganz einfach: Wer sich ehrenamtlich für das Gemeinwohl engagiert, kann die Stunden in eine sogenannte Zeitbank einzahlen und erhält sie später – wenn er oder sie im Alter Unterstützung braucht – wieder in Form von Stunden ausbezahlt, während der andere sie oder ihn unterstützen, pflegen und helfen.

Zeitbanken funktionieren also ähnlich wie Tauschbörsen: Die Mitglieder geben an, welche >>Dienstleistung<< sie erbringen können und werden in einer Übersicht gelistet. Wenn es Bedarf an dieser Tätigkeit gibt, werden sie angefragt. Wie bei den Tauschbörsen gibt es keine Möglichkeit, Gewinne zu machen. Es geht vielmehr um einen Austausch und die gegenseitige Unterstützung.

Online-Zeitbanking

Der Münchner Verein Zeitbank e.V. hat zum Beispiel sogar eine eigene Software entwickelt, mit der auch Online-Zeitbanking möglich ist. Für Menschen, die nicht im Internet sind, gibt es jedoch auch Schecks und Zeitbank-Filialen. Geld, das herein kommt, landet auf einem separaten Konto (alle Mitglieder zahlen einen Mitgliedsbeitrag. Außerdem kann man sich die Hilfe-Stunden in der Zeitbank auch gegen acht Euro kaufen kann, solange man selbst noch keine angespart hat).

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Die Unterschiede zwischen Tauschring und Zeitbank

Es gibt jedoch wichtige Unterschiede zwischen Tauschringen und Zeitbanken: Die Zeitbank ist dazu da, um für das Alter >>ansparen<<. Das bedeutet auch, dass Zeitbanken den Tausch von Waren sowie den Tausch von Waren gegen Dienstleistung ausschließen. Sinn und Zweck der Zeitbanken ist es, dass auch Menschen so lange wie möglich in ihrer gewohnten Umgebung leben können, bevor sie in ein Pflegeheim müssen, die kein Geld haben, um sich teure Pflegekräfte leisten zu können. Und das werden bekanntlich immer mehr Menschen sein.

Die Vorteile der Zeitbank

Spätestens die Finanzkrise hat uns gezeigt, dass Geld ein recht krisenanfälliges Gut ist. Lebenszeit hingegen kennt keine Inflation – eine Stunde bleibt eine Stunde. Es gibt auch keine komplizierten Rechenverfahren, wie das bei der gesetztlichen Rentenversicherung der Fall ist… Die ausgezahlte Zeitrente soll nicht nach Kassenlage, sondern eins zu eins >>ausgezahlt<< werden.

Befürworter der Zeitbank sprechen daher auch schon von einem möglichen vierten Standbein der Altersvorsorge: Zeitbanken könnten neben gesetzlicher, privater und betrieblicher Altersvorsorge in Zeiten eine immer wichtigere Rolle spielen. Sie könnten einen Ausweg bieten angesichts des demografischen Wandels, des abnehmenden Wirtschaftswachstums und der zunehmenden Altersarmut.

Ganz zu schweigen davon, dass ein solches Modell die soziale Vernetzung innerhalb von Nachbarschaften ganz erheblich unterstützen kann – im Gegensatz zu den kommerziell erbrachten Dienstleistungen, die eher dafür sorgen, dass alte Menschen >>verschwinden<<. Außerdem könnten Menschen Zeiten der Erwerbslosigkeit sinnvoll überbrücken und dabei schon für ihr Alter >>sparen<<.

Warum Zeitbanken bei uns so erfolglos sind

All diese Vorteile müssten eigentlich so bestechend sein, dass Zeitbanken – spätestens seit der Finanzkrise 2008 – in Deutschland eigentlich boomen müssten. Doch weit gefehlt. Während es in Japan, Großbritannien, Österreich, den USA bereits seit Jahren erfolgreiche Modelle gibt, tun sich die Zeitbanken (ebenso wie die Tauschkreise) in Deutschland schwer. So berichtet die taz 2009 beispielsweise, wie die Zeitbank München zwar mit Preisen überhäuft wurde – die aktiven Mitglieder trotz bester Voraussetzungen wie der oben erwähnten Online-Banking-Software auf sich warten ließen.

Eine Arte-Doku über Zeitbanken

Die Ursache sieht Klaus Reichenbach vom Verein zur Förderung von bürgerschaftlichem Engagement (vzfbe) vor allem in den rechtlichen Rahmenbedingungen: Alles, was entfernt nach Tauschbörse aussehe, so schreibt er, würde von der Finanzbehörden automatisch als Organisation mit genereller Gewinnerzielungsabsicht und Beschaffung geldwerter Vorteile für ihre Mitglieder eingestuft. Eine Ansicht, die auf die meisten der Tauschringe und Zeitbanken nicht zutreffe. >>Wenn seitens der Politik hier eine Änderung erfolgt, würde die Akzeptanz und Nutzung sicher stark ansteigen. Dazu müssten einige juristische Grundlagen verändert werden, Geld würde das aber kaum kosten<<, so Reichenbach. Er schlägt zudem vor, das Ansparen von bis zu 400 Zeitbanken-Stunden pro Jahr durch Steuererleichterungen zu fördern.

Zeitbanken – ein Zukunftsmodell

Dennoch sollen derzeit deutschlandweit rund 400 Tauschringe und Genossenschaften eine Zeitbank betreiben, wie der Verein zur Förderung von bürgerschaftlichem Engagement e.V. berichtet. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Politik mit der Zeit auch verstärkt solcher ehrenamtlichen Modelle annimmt. Bis dahin bleibt es uns überlassen, solche Konzepte durch unser Engagement und unsere Aktivität zu unterstützen.

Übersicht über Zeitbanken in Deutschland

München: www.zeitbank.net
Westerstede (Ammerland): www.Daheim-statt-Heim-Wst.de
Eggesin(Mecklenburg-Vorpommern): www.Zeitbank-Vorpommern.de
Marktoberdorf (Allgäu): www.zeitbank-marktoberdorf.de
Winterberg-Hallenberg-Bromskirchen (Sauerland): www.Wir-Fuer-Uns-Buergerhilfe.de
Zeitbank Thüringen e.V. in Erfurt: www.zeitbank-thueringen.de

 

Vielen Dank an Petra Bork für das Bild (via pixelio)