Arm ist nicht der, der wenig hat – sondern der, der viel wünscht! Das wusste schon der griechische Philosoph Seneca. Das macht uns als Individuum unglücklich, wie sein Kollege Epikur vor fast 2000 Jahren darlegte. Wir können uns diese Haltung aber auch schlicht nicht mehr leisten! Deshalb gebe ich hier ein paar Tipps zu freiwilligen Genügsamkeit weiter, die ich gestern bei einem Workshop erhalten habe!
Vielleicht noch mal kurz zur Motivation: Alle 2 Jahre veröffentlicht der WWF den Living Planet Report, der zeigt, wie viel Erde eine Nationen verbraucht. Das Ergebnis für Deutschland aus dem Jahr 2010: Wenn alle Menschen so leben würden wie wir, bräuchten wir 2,8 Erden, denn unser Fußabdruck ist 5,09 Hektar groß. Damit alle Menschen dieser Welt auf einem Niveau leben könnten, wäre ein Ökologischer Fußabdruck von 1,9 Hektar gerecht!
Verringere Deinen Fußabdruck!
Diesen Fußabdruck kann man in Deutschland zwar nicht erreichen (weil darin auch Dinge wie Straßenbau und Energieversorgung einfließen, die man als Einzelner nicht beeinflussen kann). Aber es lohnt sich dennoch, sich um einen geringeren Ressourcenverbrauch zu bemühen. Und weniger Ressourcen heißt auch: weniger konsumieren! Mehr wieder verwenden (recyclen) oder reparieren! Das heißt aber auch: wir brauchen weniger (Erwerbs-) arbeiten. Wir sind freier!
Naturgemäß fällt uns eine freiwillige Selbstverschränkung schwer. Denn erstens lockt uns die Werbung überall. Und zweitens sind für uns Dinge normal, die im internationalen Vergleich und in Abwägung mit den ökologischen Notwendigkeiten keineswegs selbstverständlich sein sollten. Wir müssen also an uns arbeiten. Und an uns arbeiten ist zwar mühselig. Aber man kann sich eine Struktur geben und irgendwie sportlichen Ergeiz entwickeln – und dann macht es ja vielleicht auch wieder Spaß und stolz selbst gesteckte Ziele zu erreichen.
Hier jedenfalls nun endlich die Tipps von Frank Wolf, der uns gestern inspirierte (www.genughaben.de):
1. Bändige Deinen Kaufrausch:
– Frage Dich bei jedem Kaufvorhaben, wie oft Du den gewünschten Gegenstand realistischerweise benutzen wirst. Ist es möglich, diesen Gegenstand zu leihen? Oder gemeinsam mit jemanden anzuschaffen (zu teilen)?
– Frage Dich bei jedem Kaufvorhaben, welche Dimension die Sache haben muss: Reicht Dir eine Zwei-Raum-Wohnung oder brauchst Du ein Haus? Muss es ein Smart sein oder reicht auch ein Lastfahrrad? Brauchst Du wirklich eine High-Tech-Kaffee-Pad-Expresso-Maschine oder reicht eins dieser typisch italienischen Aluminium-Dinger für die Herdplatte?
– Frage Dich bei jedem Kaufvorhaben, ob Du einen Gegenstand ersetzen willst – und ob sich dieser nicht auch reparieren ließe. Gibt es entsprechende Dienstleister? Oder – noch besser – einen Bekannten, der Dir helfen kann? Oder – am allerbesten – eine offene Werkstatt, in der Du das selbst tun und dabei auch noch etwas lernen kannst? Oder kannst Du das Ding auch gebraucht / Second Hand bekommen?
– Frage Dich bei jedem Kaufvorhaben, ob Du ihn nicht selbst machen kannst (z.B. Kleider, Geschirr, Pappteller, Marmelade oder Putzlappen)?
2. Sein statt Haben!
-Such Dir Hobbies, bei denen Du etwas erschaffst. Am besten solche, die keine Ausstattung brauchen (bis Du das Geld dafür verdient hast, hast Du keine Zeit mehr für das Hobby).
– Denke in Verben: Denke nicht „Kaffeemaschine“, sondern „Kaffee genießen“. Denke nicht „Fahrrad“, sondern „radeln“. Das hilft Dir insbesondere bei den o.g. Hobbies Deine Zeit vor allem für das Tun zu verwenden!
– Eile mit Weile! Fang mit kleinen Dingen an und steigere Dich. Bleib am Ball und lass nicht nach. Überlege Dir, wie Du Dich auch bei schmerzhaften Rückschlägen wieder motivieren kannst, weiter zu machen und das mit Freude! Hab Spaß am Experimentieren und zelebriere die mutige Neugier!
– Berechne zum Beispiel in regelmäßigem Abstand Deinen Fußabdruck (beispielsweise hier) und feiere Deine Fortschritte! Oder meditiere und übe Dich in Achtsamkeit den „kleinen“ Freuden des Alltags gegenüber: genieße sie!
Danke an Rainer Sturm für das Bild (via Pixelio)
Schluß mit dem ganzen „ja, aber…!“,
„Wir selbst müssen die Veränderung sein, die wir in der Welt sehen wollen“ – Gandhi.
Auch wenn’s zynisch klingt: Wer ein Flugzeug entführen will, muß einsteigen.
Hallo Ilona,
das ist ein toller Artikel. Ganz genau, wir sitzen hier mit dem Popo in der Sahne. Aber das Lebensqualität nichts mit Statussymbolen und Shopping-Touren zu tun hat, müssen wir wohl erst wieder neu entdecken.
Liebe Grüße
Linda
Hey Nathi,
klar, du hast völlig recht. Es ist ein Wertewandel nötig, der zu den Strategien und Taktiken passt, die zu einem suffizienteren (genügsameren und umweltverträglicheren) Lebensstil führen. Und ja: vor dem Hintergrund (einer sich schrittweise bottom-up entfaltenden Postwachstumökomie) sollten pleitegehende Firmen als kein allzu großes Drama betrachtet werden – sondern zu einem notwendigen Teilschritt.
Solange die prädominante Ideologie jedoch heißt: „Habe einen Job, den ohne einen bist du nichts“, ist es natürlich furchtbar, wenn Arbeitsplätze verloren gehen. Ich würde auch nicht behaupten, dass die Gesellschaft bereits die richtige Struktur hat, die für ein Gros der Bevölkerung ein Modell der kurzen Vollzeit (20 oder 30h Erwerbsarbeit in der Woche und einen entsprechend gegenüber heutigen Verhältnissen höheren Anteil an Eigenarbeit). Aber eine genügsamere Lebensart ist etwas, dass wir uns jetzt schon – freiwillig – aneignen können.
Die Freiwilligkeit ist nicht zu unterschätzen – in der aktuellen Lage können wir uns noch freiwillig für dieses Verhalten entscheiden und dadurch dem teilweisen Umbau der Gesellschaft anstoßen – tun wir das nicht oder nicht genügend Menschen, dann halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass wir langsam in eine nicht mehr kontrollierbare Entwicklung abgleiten.
Nichtsdestotrotz geht es mir persönlich weniger darum den Weltuntergang mit moralischem Zeigefinger als Schreckgespenst an die Wand zu malen, als sich klar zu machen in welcher Unfreiheit und Unfreiwilligkeit wir eigentlich heute leben – und welche realen Verbesserungen ein genügsamer Lebensstil mit sich bringen kann. Geringere Konsum -> weniger Geld ist nötig -> weniger Arbeit ist nötig -> mehr Lebenszeit steht für die persönlichen Belange zur Verfügung – denn schließlich ist das letztlich eigentlich knappste Gut unsere Lebenszeit.
Wer wirklich Herr über seine Zeit ist – abseits permanenter Existenzangst (durch Jobverlust) oder reale (durch Unwissenheit hinsichtlich praktischer Fähigkeiten seine Grundbedürfnisse in kleinen Gruppen decken zu können) – der muss zur Zerstreuung dann nicht mehr nur auf vorstrukturierte Erlebnis- und Konsumwelten (Filme, Pauschalreisen etc.) zurückgreifen, sondern hat Zeit seine eigene kleine Geschichte von (abenteuerlichen) Herausforderungen, Kunst, Handwerk etc. zu schreiben. Die Ressourcenverknappung macht solche Entwicklungen notwendig und das Bedürfnis etwas aus unserem einen Leben zu machen erstrebenswert.
(siehe zur Motivation auch: http://genughaben.de/blog/2012/03/16/lebensstile-und-ressourcen-motivation-zum-wechsel-der-lebensgewohnheiten/)
Gruß Frank
Schöner Artikel mit viel Idealismus. Als selbsternannte Idealistin trifft er genau meine Wellenlänge 🙂
Allerdings sollte man diese Gedanken auch ganz konsequent zu Ende denken und sich auf die Auswirkungen dieser empfohlenen Verhaltensänderungen vorbereiten. Unser derzeitiges, global funktionierendes Wirtschaftssystem und somit auch das Gefüge unserer Gesellschaft gründet auf der Verpflichtung zu stetig wachsendem Konsum. Wenden wir uns davon ab, heisst das in der Konsequenz auch Sand im Getriebe unseres Wirtschaftssystems. Umsätze und Einnahmen gehen zurück, Firmen reduzieren Ihre Produktion und brauchen weniger Arbeitnehmer, manche Unternehmen fallen vielleicht sogar komplett weg, weil die angebotene Ware oder Dienstleistung eben keiner mehr braucht. Wir machen dann eben mehr selbst, verwenden Dinge wieder oder reparieren sie einfach.
Eine Reform unseres Wirtschaftverständnisse und unserer Vorstellung von Gesellschaft und Miteinander leben, müssen mit unserem veränderten Konsumverhalten einhergehen. Man kann beispielsweise nicht über die Entlassungen der „Schlecker-Frauen“ jammern und gleichzeitig dafür plädieren, seine Kosmetik mit einfachsten Mitteln selbst herzustellen und weniger industriell gefertigte Drogerieprodukte zu kaufen. Die Veränderung im Konsumverhalten des Verbrauchers hat eben auch klare Auswirkungen auf die derzeit vorgegebene Wirtschaftsmaxime der Vollbeschäftigung.
Ideelle Ziele zu verwirklichen ist eben manchmal nicht so einfach… 🙂
Liebe Nathi, danke für Deinen langen Kommentar und Du hast natürlich recht: ich hab das in meinem Post ein bisschen unter den Tisch fallen lassen. Also die Idee ist, dass man – parallel zum schrittweisen Konsumverzicht – sich ein soziales Netzwerk aufbaut, in dem man Leistungen auf anderer Ebene austauschen kann (z.B. Tauschringe) bzw. Gemeinschaftprojekte organisiert (z.B. Stadtgärten). Die Idee mit den Gemeingütern (z.B. OpenSource) zielt bspw. darauf ab, einen Raum zu schaffen jenseits von Wirtschaft und staatlicher Fürsorge. Denn dass die Wirtschaft irgendwann schlicht nicht mehr weiter wachsen kann (entweder, weil alle genug haben oder – wahrscheinlicher – weil die Umwelt ausgebeutet ist), wissen wir schon seit Anfang der 1970er. Und dass der Staat das nicht alleine schultern wird, scheint auch realistisch. Deshalb überlegen halt immer mehr Menschen, wie man unser Wirtschaftssystem möglichst schmerzfrei und möglichst schrittweise wandeln kann. Keiner weiß genau, wie das aussehen wird. Aber wie Frank sagt: ich finde in so einem Wandel steckt nicht nur Beängstigendes, sondern auch viel Befreiendes, Positives! Das ist ja wie mit dem berühmten halbvollen Glas ;-). lg, Ilona