Unternehmen können weder denken noch entscheiden noch etwas beabsichtigen – und so können sie eigentlich auch keine Verantwortung übernehmen. Meint die Philosophin Miriam Schaper…

Miriam Schaper hat in Hamburg Philosophie studiert und dann einige Jahre im Bereich der CSR-Beratung gearbeitet. Sie hat sich also damit beschäftigt, wie Unternehmen ihre sogenannte Corporate Social Resonsibility gestalten können – das heißt die Verantwortung des Unternehmens gegenüber der Gesellschaft. Doch irgendwann tauchte bei ihr die Frage auf: Kann eine Struktur, ein Gebilde, eine Organisation überhaupt Verantwortung übernehmen? Darüber sprach sie beim Regionaltreffen Nachhaltige Entwicklung in der Stiftung für Wirtschaftsethik in Hamburg.

Denken, fühlen und handeln Unternehmen?

Befragt man unsere Bundesregierung, die Judikative, die Medien und auch die NGOS, so scheint zweifelsfrei klar zu sein: Ja, Unternehmen können Verantwortung übernehmen wie ein Mensch aus Fleisch und Blut. Schaper zeigte Beispiele, die dies belegen sollen: Die Bundesregierung geht beispielsweise davon aus, dass Unternehmen Menschenrechte achten, sich fair verhalten und somit also Verantwortung übernehmen.

Die Sueddeutsche.de schreibt, ein Unternehmen habe seine Frankreich-Pläne geändert – also nachgedacht und eine Entscheidung getroffen. Und auch NGOs, wie beispielsweise die Kampagne für Saubere Kleidung, gehen davon aus, dass Unternehmen sich unverantwortlich verhalten und eben diese Verantwortung einfordern…

Was heißt es, wenn ein Unternehmen Verantwortung übernimmt?

Doch was bedeutet das genau, wenn ein Unternehmen Verantwortung übernimmt – oder eben auch nicht? Wer denkt dann hier? Wer entscheidet? Wer beabsichtigt etwas? Wer handelt oder unterlässt etwas? Und vor allem auch: Wie und wer wird überhaupt zur Rechenschaft gezogen, wenn sich ein Unternehmen unverantwortlich verhält?

In der Regel sind Geldstrafen das einzige Sanktionsmittel. Als Verbraucher kann man es boykottieren, als Judikative zu Strafzahlungen verurteilen. Doch einsperren kann man ein Unternehmen nicht und abschrecken auch nicht. Und im Fall der finanziellen Strafe fragt sich, wen genau diese trifft: Die Arbeitnehmer, die entlassen werden?

Denn übernehmen dann auch tatsächlich die Führungskräfte die Verantwortung für ihre (falschen und unverantwortlichen) Entscheidungen? Oder lassen sie es letztlich doch lieber die von ihnen abhängigen Arbeitnehmer büßen – oder gar die Kunden, in dem die entsprechende Summe in die Waren- oder Dienstleistungen einpreisen…?

Ist Unternehmensverantwortung Menschensache?

Kommen wir also zu der Frage, ob es nicht vielmehr die Menschen in den Unternehmen sind, die in Wahrheit die Verantwortung tragen – allen voran also die Inhaber, Geschäftsführer und leitenden Angestellten…? In der Philosophie jedenfalls gibt es laut Miriam Schaper zwei Lager:

Zum einen die Anhänger der Aufklärung, die in der Tradition Descartes stehen (ich denke, also bin ich) und deshalb davon ausgehen, dass nur Menschen Verantwortung übernehmen können. Zu Vertretern dieser Richtung gehören laut Schaper John Ladd, Roger Gibson oder auch Julius Nida-Rümelin.

Zum anderen gibt es die Skeptiker der Tradition, die es schlicht für unpraktisch halten, wenn wir Unternehmen keine Verantwortungsfähigkeit zuschreiben – und deshalb nach einer philosophischen Untermauerung suchen. Bislang laut Schaper nur mit dem Erfolg eines Hilfskonstruktes: Nämlich dem, dass Unternehmen schon Verantwortung übernehmen können, weil die Menschen in ihnen eine Intention etc. haben können. Zu den Vertretern dieser Richtung gehören laut Schaper Peter Frensch, Guido Palazzo, Dirk Matten und Andrew Crane (und sie selbst).

Verantwortung – wofür eigentlich?

Im Anschluss an Miriam Schapers Vortag entspann sich eine sehr, sehr lebhafte Debatte: Weniger darum, ob nun das Unternehmen oder die Menschen in den Unternehmen die Verantwortungsträger seien – dies ist letztlich eine Frage, die von Fall zu Fall genau zu klären ist. Vielmehr entspann sich die Debatte um die Frage: Wofür ist wer denn eigentlich verantwortlich und welche Prioritäten gibt es dabei?

Wie sieht es beispielsweise mit dem Geschäftsführer einer Aktiengesellschaft aus, der per Gesetz zunächst den Aktionären verpflichtet ist und nicht den Mitarbeitern oder gar dem Gemeinwohl? Und wie sieht es mit den Matrixorganisationen aus, in denen die Verantwortlichen im Extremfall jeden Monat wechseln? Wie muss man zwischen rechtlicher und ethischer Verantwortung unterscheiden – und reichen uns die rechtlichen Rahmenbedingungen, um unser ethisches Verantwortungsempfinden zu decken?

Wir brauchen mehr rechtliche Hebel

Letztlich waren sich alle einig: Unternehmen und auch die Verantwortlichen in den Unternehmen müssen sich ihrer Verantwortung stellen: Gegenüber ihrem Unternehmen, ihren Mitarbeiter, aber auch der Gesellschaft und Welt, in der sie agieren. Der rechtliche Hebel, um diese Verantwortung auch tatsächlich einfordern und durchsetzen zu können, fehlt jedoch im Bereich der Nachhaltigkeit heutzutage noch großteils.

Um dies zu verwirklichen müsste ethisch und gesellschaftlich unverantwortliches Handeln – etwa Ressourcen- und Energieverschwendung, Lohn-Dumping und vieles mehr – zu einem echten Wettbewerbsnachteil werden. Möglich wäre dies, in dem bislang externalisierte Kosten – wie Gesundheitsschädigung durch zu viel Zucker, Hormone oder Antibiotika in Nahrungsmitteln und vieles mehr – eingepreist werden müssten. Dann wären nämlich auf einmal die Produkte die günstigsten, die auch am umwelt-, tier- und menschenfreundlichsten sind.

Fazit: Mach es selbst!

Wie immer reicht es aber nicht, darauf zu warten, dass die Politik die Initiative ergreift und entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen schafft. Im Gegenteil: Die Groko zeigt mit der Enthaltung bei der Zulassung zu Gen-manipulierten Nahrungsmitteln, dem Versuch während der WM Fracking durchzudrücken oder den Rückschritten in Sachen Energiewende, dass sie keineswegs mehr Verantwortung von Unternehmen einfordern möchte.

Heißt also: Wir müssen die Verantwortung der Unternehmen und Akteure einfordern. Und wir müssen vor allem auch uns selbst beginnen und die Verantwortung für unseren eigenen Konsum übernehmen! Denn wer sich wirklich nachhaltige und langlebige Produkte kauft, der zeigt Unternehmen am eindrücklichsten, dass ihre Verantwortung gefragt ist!

Bildquelle: Lupo / pixelio