Immer mehr Menschen reisen immer öfter und immer weiter durch die Welt. Doch wie wird Urlaub fair und ökologisch? Antje Monshausen von TourismWatch gibt Tipps für ökosoziales Reisen und Voluntourismus.

Verreisen ist schön, denn es bietet ein nie dagewesenes Potential dafür, dass sich Menschen unterschiedlichster Kulturen und Länder kennenlernen. Leider nutzen wir dies viel zu selten – und verursachen oft mehr Schaden als Nutzen.Worauf du bei der Planung deines nächsten Urlaubes achten solltest, sagt dir Antje Monshausen von Tourism Watch bei Brot für die Welt (www.tourism-watch.de).

Wie hat sich der Tourismus in den letzten Jahrzehnten verändert? Welche Chancen und Risiken bringt das mit sich?

Antje Monshausen: Auf globaler Ebene ist der Tourismus enorm gewachsen. Wir sind mittlerweile bei über einer Milliarde internationaler Reisenden. Dazu kommt der Inlandstourismus mit ungefähr acht bis zehn Milliarden Reisen. Das enorme Wachstum kommt vor allem durch die aufsteigenden Schwellenländer und alle Länder, in denen sich eine Mittelschicht herausbildet. Hier gehört der Tourismus mittlerweile einfach mit dazu. Gleichzeitig dürfen diese Wachstumszahlen nicht darüber hinwegtäuschen, dass nur etwa 2-5 Prozent der Weltbevölkerung ins Ausland reichen.

Wenn wir uns die Trends aus Deutschland anschauen, dann zeigt sich eine Verkürzung der Aufenthaltsdauer: Vor 30 Jahren war eine Haupturlaubsreise durchschnittlich 18 Tage lang, heute umfasst sie 12 Tage. Zudem verreisen die Menschen tendenziell immer weiter und häufiger, einige sogar zwei- bis dreimal im Jahr. Die Auslandsreise ist dabei eigentlich schon fast normal geworden.

Welche Probleme bringt das mit sich?

Antje Monshausen: Das hat zum einen soziale Folgen. Gerade durch die kurze Aufenthaltsdauer verbringen die Menschen weniger Zeit vor Ort. Das heißt, es findet weniger Wertschöpfung vor Ort statt und auch weniger Begegnung und Interaktion. Wenn ich nur sehr kurz an einem Ort bin, kann ich mich nicht so gut mit der Sprache und der Kultur vertraut machen. Pauschalreisen, bei denen alle Leistungen schon vorher bestimmt sind, verstärken diesen Trend. Das heißt die Möglichkeit, aus dem Hotel heraus auch mal ungeplant mit Menschen in Kontakt zu kommen, wird immer geringer.

Auch die Klimafolgen des wachsenden Tourismus sind immens. Gerade durch den Flugverkehr, der extrem wächst. Auch der Trend zum Luxustourismus macht Reisen immer energieintensiver: die Hotelzimmer werden geräumiger, die Flughäfen größer und die Reiseziele exotischer. Etwa Hotels, die so abgelegen in den Bergen liegen, dass Touristen nur mit dem Helikopter hinkommen.

Die gleichen Konsequenzen hat der enorm wachsende Kreuzfahrttourismus. Auch er ist sehr, sehr umwelt- und ressourcenintensiv und zugleich total begegnungsarm. Die Menschen bleiben in der Regel auf den Schiffen und machen höchsten mehrstündige Ausflüge auf das Festland. Dabei haben sie aber kaum Zeit, um mit dem Land und den Leuten in Kontakt zu kommen.

Welche Klimawirkung hat der Tourismus?

Antje Monshausen: Die reinen CO2-Angaben unterschätzen die Klimawirkung des Tourismus, weil sie die Auswirkungen des Flugverkehrs in den großen Höhen nicht berücksichtigen. Wenn ein Flugzeug aber auf 9.000 Metern Höhe fliegt, liegt die CO2-äquivalente Wirkung um ein dreifaches höher, als der reine CO2-Ausstoß. Denn dadurch entstehen Wolken, die die Abstrahlung von Wärme verhindern und die Schadstoffe bleiben länger in der Atmosphäre. Daher müssen wir davon ausgehen, dass 5 bis 13 Prozent des menschengemachten Klimawandels vom Flugverkehr und vom Tourismus herrühren – mit stark steigender Tendenz.

Vom Klimawandel betroffen sind aber wiederum vor allem arme Menschen in den Entwicklungsländern, die keine Möglichkeit haben, sich anzupassen. Tourismus als Luxus- und Wohlstandsphänomen verursacht damit ein globales Problem, das vor allem die Ärmsten der Armen tragen müssen, die sich selber solche Reisen niemals leisten könnten.

Wie kann ich denn meinen Urlaub planen, um es besser zu machen?

Antje Monshausen: Der Gegentrend zum „weiter, kürzer, öfter“ ist „näher, seltener und intensiver“. Das bedeutet nicht, dass ich auf etwas verzichten muss. Denn wenn ich alle drei, vier oder fünf Jahre eine große internationale Fernreise mache, auf die ich mich mit viel Vorfreude wirklich gut vorbereite, dann bekommt Reisen wieder einen Wert und eine Qualität. Das geht nur durch eine längere Aufenthaltsdauer und ein sehr begegnungsorientiertes Reisen.

Darüber hinaus gibt es mittlerweile einige Nachhaltigkeitszertifikate, die Unternehmen ausweisen, bei denen ein besonders hoher Anteil des Reisepreises am Urlaubsort bleibt, die gute Arbeitsverträge anbieten und faire Partnerschaften mit den Hotels und Restaurants vor Ort haben. So wie man beim Einkaufen auf Bio-Siegel achtet, sollte man hier bei der Planung einer Reise auch darauf achten.

Welche Siegel sind hier denn verlässlich?

Antje Monshausen: Für den Internationalen Bereich ist das Siegel der Wahl TourCert. Es ist wegen seiner Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit mehrfach ausgezeichnet worden. Es überprüft Reiseveranstalter anhand ihrer Nachhaltigkeitsberichte. Das stellt sicher, dass ein Reiseveranstalter nicht nur eine kleine Einzelmaßnahme am Rande durchführt, sondern wirklich ein systemisches Nachhaltigkeitsmanagement umsetzt und seine Nachhaltigkeitsbilanz kontinuierlich verbessert.

Nimmt die Nachfrage nach öko-sozialen Reiseangeboten zu?

Antje Monshausen: Ja und nein. Etwa 40 bis 45 Prozent aller Reisenden wollen ökologisch und sozial verantwortliche Reiseangebote. Doch nur für zwei Prozent ist die Nachhaltigkeit wirklich das Entscheidungskriterium. Es gibt also eine Lücke zwischen dem Wunsch, verantwortungsvoll zu handeln, und der Umsetzung.

Dennoch verzeichnen zum Beispiel die Unternehmen, die sich im Verband für nachhaltigen Tourismus „Forum anders Reisen“ zusammengetan haben und sich damit besonders zur Nachhaltigkeit bekennen überdurchschnittliche Umsatzzuwächse im Vergleich zum allgemeinen Markt. .

Was halten Sie von Voluntourismus?

Antje Monshausen: Über sogenannte Voluntourismus-Angebote kann man sich während einer Reise ehrenamtlich vor Ort in einem Naturschutzprojekt oder sozial engagieren. Grundsätzlich ist das natürlich eine positive Idee, weil die Menschen so hinter die Kulissen gucken, Land und Leuten kennenlernen und durch ihre Reise einen positiven Effekt bewirken wollen.

Doch wir beobachten leider, dass zunehmend die Interessen der Reisenden im Mittelpunkt stehen. Da gibt es Angebote, bei denen diese schnell mitmachen können und wenig Erfahrung brauchen – doch sind diese Projekte oft nicht wirklich sinnvoll, weil sie nicht an dauerhaften gesellschaftlichen Veränderungen ansetzen, sondern an kurzfristigen Tätigkeiten.

Richtig problematisch wird es, wo sich Geschäftsmodelle etablieren, die negative Auswirkungen haben. Da möchte ich als erstes die Waisenhausaufenthalte nennen. In Nepal, Kambodscha, Gambia, Ghana, Südafrika und anderen Ländern ist nachgewiesen, dass ein Großteil der Kinder, die in diesen Waisenhäusern leben, gar keine Waisen sind, sondern aus ihren Familien geholt wurden, damit Reisende dort arbeiten und spenden können.

In Nepal befinden sich beispielsweise 80 Prozent der Waisenhäuser um Kathmandu herum – also da, wo sich die Touristen aufhalten. Diese Angebote fördert also Kinderhandel. Das ist natürlich eine eklatante Kinderrechtsverletzung und öffnet auch noch Tür und Tor für sexuellen Missbrauch, da Schutzmaßnahmen vor reisenden Sexualstraftätern oftmals fehlen.

Wie viele Voluntouristen gibt es denn?

Antje Monshausen: In Deutschland gibt es schätzungsweise 15.000 bis 25.000 Menschen, global gehen die Schätzungen von rund 10 Millionen Menschen aus.

Worauf muss ich achten, wenn ich als Voluntourist verreisen möchte?

Antje Monshausen: Momentan gibt es leider keine Zertifizierung in diesem Bereich, auf die sich Interessierte verlassen könnten. Daher bleibt es an ihnen hängen, sich gut zu informieren. Wir haben einen Flyer entwickelt, in dem alle Fragen stehen, die man einem Anbieter stellen sollte. Etwa: wie sieht die Vorbereitung aus? Wie lange arbeitet der Veranstalter schon mit den lokalen Organisationen zusammen? Wie stellt er effektiv Kindesschutz sicher? Wie stärkt er entwicklungspolitisches Engagement? Und vieles weiteres.

Wir empfehlen außerdem allen Reisenden, nicht auf armutsorientierte Marketing reinzufallen. Die Menschen in den Gastländern als hilflose Objekte darzustellen und die Touristen als Weltretter entspricht nicht der Realität und fördert eher neo-koloniale Klischees, als sie abzubauen.

Was erwarten Sie von der Reisebranche?

Antje Monshausen: Klar ist, dass die Reisewirtschaft eine Sorgfaltspflicht hat, was Menschenrechte, soziale Sicherheit und Umweltschutz angeht. Diese Sorgfaltspflicht bezieht sich auch auf die Dienstleistungskette, also auf die Hotels, Restaurants, Tour-Guides, Ausflugsangebote am Urlaubsort und so weiter. Das ist leider nicht flächendeckend der Fall. Vielmehr werden die ökologischen und sozialen Kosten, die der Tourismus verursacht, nicht erfasst und bleiben unberücksichtigt.

Dabei kann es anders laufen, wie das Thema „sexuelle Ausbeutung von Kindern“ zeigt. Die Tourismuswirtschaft hat relativ früh erkannt, dass sie hier ein besonderes Risiko hat. Nicht durch ihr eigenes Wirtschaften, sondern durch reisende Sexualstraftäter, die die Tourismusinfrastruktur ausnutzen. Hier haben einige Anbieter früh gehandelt: sie haben ihr Personal geschult, klare Verträge mit einer Nulltoleranzpolitik gemacht und ihre Kunden aufgeklärt. Das zeigt, wie es laufen kann. Doch in anderen Bereichen muss die Tourismusbranche noch viel stärker die Augen öffnen, die negativen Effekte erkennen und sich überlegen, wie sie diese einstellen kann.

Welche Rolle hat dabei die Politik?

Antje Monshausen: Wir müssen leider feststellen, dass nicht nachhaltiges, nicht soziales und nicht ökologisches Handeln wirtschaftlich bevorteilt wird gegenüber einem nachhaltigen Wirtschaften, weil die gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht ausreichen. Wenn nur einzelne Unternehmen beispielsweise ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachkommen – indem sie zum Beispiel Risikodialoge vor Ort führen und existenzsichernde Löhne zahlen, haben sie langfristig das bessere Produkt, doch sie konkurrieren mit Wettbewerbern, die diesen Mehraufwand umgehen können und Tourismus zu Dumpingpreisen anbieten. Fehlende gesetzliche Regulierungen führen also zu Marktverzerrungen zu Lasten verantwortungsvoller Unternehmen.

Ein anderer Punkt ist die Abschaffung klimaschädigender Subventionen. Da haben wir vor allem den Flugverkehr, der laut Umweltbundesamt jährlich Vergünstigungen in Höhe von etwa zehn Milliarden Euro einstreicht. Da müsste ganz klar ein Gegensteuern stattfinden, damit der Verbraucher die tatsächlichen Kosten sieht, die unterschiedliche Verkehrsträger haben – und sich dann auch für klimafreundlichere Verkehrsträger entscheidet. Bei Kurz- und Mittelstrecken lässt sich das Flugzeug oft sogar ganz vermeiden.

Vielen Dank für das Gespräch!


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