Sven Rahner ist Publizist und Wissenschaftler. Als solcher forscht er zu der Frage, wie unsere Arbeitswelt morgen eigentlich aussehen wird? Denn einerseits hören wir vom Fachkräftemangel und davon, dass sich Unternehmen ins Zeug legen müssen, um gute Mitarbeiter zu finden. Andererseits wissen wir, dass die Arbeitssituation für immer mehr Menschen immer härter und unwürdiger wird. Was läuft da also schief? Und wie können wir gesamtgesellschaftlich in eine positive Richtung steuern?

Erforderlich: Die Demokratisierung der Arbeit

Mit diesen und weiteren Fragen im Gepäck hat sich Sven Rahner auf die Suche nach Antworten gemacht. Über 60 Menschen hat er dazu befragt. 18 dieser Interviews hat er nun in einem Buch veröffentlicht, dass den Titel „Architekten der Arbeit“ trägt und in der Edition Körber-Stiftung erschienen ist. Das Besondere daran: Die Spanne der Gesprächspartner ist extrem breit. Günter Wallraff kommt ebenso zu Wort wie acatech-Präsident Henning Kagermann, Christian Lindner von der FDP ebenso wie Katja Kipping von Die Linke.

Die überraschende Botschaft: Es gibt einen gemeinsamen Nenner, den all diese unterschiedlichen „Architekten der Arbeit“ sehen, um unsere Arbeitswelt zukünftig in positiver Weise – also vor allem menschlich – zu gestalten: Die Demokratisierung der Arbeit. „Das geht nur, wenn wir weg kommen von innovationsfeindlichen Kommandohierarchien. Und das heißt, wir müssen unsere Arbeitskultur von Innen heraus erneuern“, erklärt Sven Rahner in einem Interview mit dem SWR2. Als Beispiel führt er die Vision des ehemaligen Personalvorstands der Telekom Thomas Sattelberger auf, der sich Mitarbeiter künftig als Unternehmensbürger vorstellen kann, die ihre Führungskräfte wählen.

Digitalisierung, Feminisierung und Individualisierung

Der erste wichtige Trend, der diese Demokratisierung erforderlich macht, ist die Digitalisierung unserer Arbeitswelt. Das Social Web – oder künftig gesehen wohl eher das „Internet der Dinge“ – wird eine zunehmend vernetzte (Arbeits)Welt schaffen, die nicht nur eine vierte industrielle Revolution hervorruft, sondern auch eine neue Arbeitskultur mit einer „Mitbestimmung 4.0“, wie Rahner das ausdrückt.

Der zweite wichtige Trend, der eine Demokratisierung der Arbeitswelt verlangt, ist laut Rahner die Diversifizierung der Arbeit. Aufgrund des demografischen Wandels wird die Zusammensetzung von Teams und Unternehmen bunter werden, was Alter, Herkunft sowie Fähigkeiten und Kenntnisse angeht. „Der Zukunftsforscher Matthias Horx führt diese auf die Megatrends Feminisierung und Individualisierung zurück“, erläutert er.

Die neue Flexibilisierung der Arbeit

Die Folgen dieser Entwicklungen sind bekannt: Wir erkennen schon seit einigen Jahren, dass sie zu einer weitergehenden Rationalisierung führen, die für die einen wahrscheinlich die Arbeitsplätze „vernichtet“ bzw. sie in einen internationalen Wettbewerb zwingt. Wohingegen für andere Arbeitsplätze entstehen, die mit ihren Kompetenzen so rar sind, dass sie Arbeitgebern zunehmend diktieren können, wie (und wo) sie arbeiten möchten.

Das führt – und auch das beschreibt Rahner in seinem Buch – zu einer neuen Flexibilisierung der Arbeitswelt. Einer Flexibilisierung, die diesmal nicht in erster Linie den Ansprüchen der Arbeitgeber folgt, sondern denen der Arbeitnehmer. Vor allem in Sachen Zeitflexibilität stellen Rahners Gesprächspartner fest, dass sich Menschen im Alter zwischen 30 und 50 mehr Zeit für die Familie wünschen und dafür auch bereit sind, länger zu arbeiten.

Fazit

Wirklich neu sind diese Erkenntnisse von Sven Rahners Interviewpartnern nicht. Wer sich neu mit dem Thema beschäftigt, bekommt durch die Lektüre allerdings einen sehr guten Querschnitt durch alle möglichen Überlegungen und Sichtweisen. Nach dem Durchlesen blieb bei mir allerdings auch die Überzeugung zurück, dass wir hier – wie in vielen anderen Bereichen auch, in denen wir auf gesellschaftliche Krisen zusteuern – kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem haben.

Die Frage ist deshalb natürlich, ob ein Buch – so informativ es auch ist – uns tatsächlich weiterbringt? Oder ob wir endlich den Mut aufbringen müssen, die verschiedenen Ideen in unterschiedlichen Experimenten in der Praxis zu erproben. Immer mehr Unternehmen experimentieren bereits mutig mit der Demokratisierung – sei es in Form von Soziokratien oder neuen Genossenschaftsformen.

Auch die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens scheint vielen längst nicht mehr so abwegig wie noch vor einigen Jahren. Nun kommt es darauf an, dass wir den Mut aufbringen, damit konkrete Erfahrungen zu sammeln. Dass das auch mal daneben gehen kann, sollte von vorne herein klar sein. Fraglich ist, ob die in Europa derzeit scheinbar angestrebte Vereinheitlichung in solchen Zeiten sinnvoll sein kann. Gerade möglichst unterschiedliche und diverse Ansätze würden eigentlich dafür sorgen, unterschiedlichen Anforderungen gerecht zu werden und quasi im kreativen Wettstreit (nicht der Ideen, sondern der Experimente) die besten Lösungen zu finden.

Wenn Rahner mit seinem Buch also eines bewirkt, dann die Dringlichkeit zu verdeutlichen, mit der wir die Arbeitswelt neu, kreativ und vor allem menschenfreundlich gestalten müssen.

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Bibliografische Angaben

Architekten der Arbeit von Sven Rahner

Architekten der Arbeit

Positionen, Entwürfe, Kontroversen

Sven Rahner

ISBN 978-3-89684-156-8
16,00 Euro

http://www.koerber-stiftung.de
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Bildquelle: Pascua Theus, pixelio