Gestern abend habe ich mich hinreißen lassen und habe Maybrit Illner eingeschaltet – ich hätte es lassen sollen. Ja, muss man sich denn wirklich dieses nerverzermürbende Parteiengeplänkel immer und immer wieder anhören? Nein, denn es geht um viel mehr. Es geht um so heere Ziele wie Solidarität, soziale Gerechtigkeit, Frieden und Freiheit. Doch unseren Politikern scheint mehr am Aufbau ihres Images zu liegen, als an echter Diskussion. Dumm nur, dass sie noch nicht gemerkt haben, dass auch wir – die „Normalmenschen“ – mittlerweile kapiert haben, dass sie manche Dinge nur sagen, weil sie vor einer Kamera sitzen. Die Medien kann man da natürlich auch nicht ganz von ihrer Verantwortung frei sprechen – denn sind Parteipolitiker für Politik-Talkshows nicht viel zu befangen?
Diesen Eindruck konnte man jedenfalls gewinnen, wenn man die Schriftstellerin Monika Maron gestern abend hörte. Sicher, sich wirkte nicht so medien-trainiert, schien teilweise sogar um Worte verlegen – dafür hat sich jedoch die eigentlich wichtigen Themen angeschnitten (worauf Frau Illner peinlich berührt mit ihrer nächsten Frage wieder zum Parteien-Krieg überging): Es gab auch deshalb eine so große Netzbewegung für Präsidentenkandidat Gauck, weil er gerade nicht in diesem, die Grenzen der Peinlichkeit grenzenden Parteien-Gerangel mitmachen muss. Es gab auch deshalb eine so große Netzbewegung für ihn, weil man ihm zutraute, unsere Gesellschaft zu einen – anstatt zu spalten, wie die FPD das in Wort und Tat die ganze Zeit voran treibt.
Ich glaube nicht, dass Herr Gauck so sehr wegen seiner konservativen Haltung überzeugte, sondern vielmehr dadurch, dass er am eigenen Leib erlebt hat, dass man in der Gemeinschaft, in solidarischem Kampf einen ungerechten Staat kippen kann! Kurz nach der Wende habe ich einige Jahre in Leipzig gelebt und ich weiß durch Gespräche mit den Menschen dort, dass sich diese persönliche Erfahrung nicht theoretisch nachholen lässt! Aber brauchen wir nicht genau diesen Geist? Diese Gewissheit, dass man gegen Ungerechtigkeit tätig werden kann – und zwar mit Erfolg?
Dieses Wissen scheint in unserer Gesellschaft nicht sehr weit verbreitet – oder wie erklärt es sich, dass es gegen die ungerechten Sparplan-Pläne der Bundesregierung nur kleinere Demonstrationen gibt? Wie erklärt es sich, dass das Thema „Volkszählung“ in der Öffentlichkeit so gut wie nicht diskutiert wird? Wie erklärt es sich, dass wir gedankenverloren zusehen, wie wir die Zeche für Superreiche und Banken zahlen dürfen – die nach der Finanzkrise mehr Geld besitzen denn je zuvor?Wie erklärt es sich, dass es derzeit niemanden aufregt, dass Griechenland am Abgrund steht – obwohl die Zinsen für Staatsanleihen anscheinend wieder genauso hoch sind wie zu den Hochzeiten der Euro-Krise?
Das alles sind ganz erstaunliche Entwicklungen – über die die Journalisten der klassischen Medien nicht berichten oder nicht diksutieren. Eine schändliche Vernachlässigung ihrer Pflicht wie ich finde. Denn natürlich kann man den Politikern selbst den Vorwurf machen, sie redeten mit ihren Worthülsen am Volk vorbei. Doch – wie Frau Maron gestern bemerkte – „werden sie dafür bezahlt, bestimmte Dinge nicht zu verstehen“. Die Journalisten – Frau Illner – auch?
Wenn also klar ist, dass Parteipolitiker zu befangen sind, um über die wirklich wichtigen Dinge der aktuellen Politik und in unserer Gesellschaft zu sprechen – wieso um alles in der Welt lädt man dann nicht einfach andere Menschen ein, die sich mit Politik gut auskennen und verschiedene Meinungen und Überzeugungen vertreten können? Ergäbe das nicht wesentlich interessantere, gewinnbringendere Talkshows?
Oder was wäre – ganz „progressiv“ und „Web 2.0“ gedacht – wenn man dem Publikum erlauben würde unsensiert Fragen zu stellen, Stellung zu beziehen – und (Gott behüte!) Parteipolitikern auch mal zu wiedersprechen, wenn sie sich dreist (wie die Bildzeitung) hinsetzen und sagen „ALLEN in Deuntschland geht es nur um’s Geld“?!? Liebe Frau Illner, lieber Herr Plasberg und wie Sie alle heißen: warum – warum nicht? Es ist immer schlecht, den Politikern was vorzuwerfen – dabei könnten Sie es ganz einfach ändern!
Lösungen zu solchen und ähnlichen Themen könnten vielleicht bei einer Veranstaltung vom 1. bis 3. Oktober in Berlin heraus kommen: Lobby Control hat zu einer Konferenz mit dem Titel „Kongress Offentlichkeit und Demokratie“ geladen. Die Organisation stellt den Rahmen. Unterschiedliche Organisationen und Inititativen sollen dies mit Leben füllen. Genau gesagt soll es um die Themenbereiche „Freier Informationszugang“, „Politik mit Worten und Bildern“ (wie prägen Massenmedien das Bild der Politik bzw. wie funktionieren Kampagnen – etwa gegen Hart IV Empfänger?), „Massenmedien von Innen“ und „Öffentlichkeit von unten“ gehen.
Weitere Infos dazu gibt es unter: www.oeffentlichkeit-und-demokratie.de
Bildquelle: Dieter Schütz, www.pixelio.de
Diese Talkshows sind doch wie ein Spiegelbild des Diskussionsvermögens in der Bevölkerung. Wo finden hier die öffentlichen Diskussionen statt? Man hat nicht das Gefühl, als hätten diese Themen wirklich große Bedeutung. Und man hat den Eindruck, dass es immer dieselben sind die die Gespräche und damit die Definitionen an sich reißen. Das dies im Staatsfernsehen nicht ehrenwertesten Vertreter sind, versteht sich ja von selbst. Man kann sich das höchstens ansehen, wenn man wissen will, was die uns glauben machen wollen. Deshalb ist die Idee wirklich gut, so etwas selbst auf die Beine zu stellen. Macht ja ansonsten wohl keiner.
Nibiru
Ja, aber es gibt das Internet. Wir sollten eigentlich unsere eigene Talkshow auf die Beine stellen und live im Netz streamen!
Ich frage mich, wie man solche Menschen nur ernst nehmen kann. Es ist doch immer das Gleiche, jede Talkshow ist wie die andere. Nie werden die wirklich wichtigen Fragen gestellt, immer können sich die Politiker von ihrer besten Seite zeigen. Manchmal ist das schon sehr ermüdedend.