„Mehr als 15.000 professionelle Lobbyisten flanieren regelmäßig in den Gängen der europäischen Institutionen, wobei der Großteil wirtschaftliche Interessen vertritt. Ohne dass effektive Reglementierungen über Transparenz und Ethik für Lobbying bestehen, findet die Einflussnahme der Unternehmenslobbyisten auf die Gesetze weitab öffentlicher Beachtung statt“ – das steht auf der Website www.electioncampaign.eu.
Schon lange setzen sich NGOs daher für ein Lobby-Register ein, aus dem hervor gehen soll,welche Personen für welche Unternehmen tätig sind (beispielsweise um den Wechsel von Politikern in Lobby-Positionen nachvollziehen zu können). Dieses gibt es auch schon länger – allerdings auf freiwilliger Basis und mit einigen Schwachstellen (siehe dazu auch eine Kritik von LobbyControl).
Nun vereinbarten Europaparlament und EU-Kommission vorletzte Woche ein gemeinsames, aber nur freiwilliges Lobbyregister. Das reicht nicht aus, mein die Organisation LobbyControl. Sie will nun – zusammen mit den Organisationen ALTER-EU, der European Coalition for Corporate Justice (ECCJ), dem Seattle to Brussels Netzwerk (S2B) und Attac Europa – die Europawahl in vier Wochen nutzen, um das Thema aufzugreifen und auf Lobby-Transparenz zu drängen:
Alle Menschen sind daher aufgerufen, über die Website www.electioncampaign.eu „ihre“ KandidatInnen für das Europäische Parlament (EP) anzuscheiben und per Unterschrift dazu zu bitten, dass sie sich nach der Wahl für ein verpflichtendes Lobbyistenregister einsetzen, für Regeln gegen mögliche Interessenkonflikte von EU-Abgeordneten und für eine transparente und ausgewogene Besetzung der EU-Expertengruppen.(Auf der rechten Seite der Website kann man die KandidatInnen nach Land, Bundesland und Partei nachschlagen und sehen welche Abgeordneten sich schon zu welchen Themen verpflichtet haben).
Hallo,
es ist noch gar nicht raus, ob sich die EU nicht an ihren eigenen Plänen letztlich verschlucken wird. Was auf dem Papier steht ist das Eine, aber in der Realität bekommt es die Brüsseler Verwaltung mit Massenarbeitslosigkeit, desolaten gesellschaftlichen Bedingungen und einer ausgeraubten Umwelt zu tun. Allein mit Restriktionen, neoliberalen Wirtschaftskonzepten, kriegerischer Expansion und polizeilicher Rundumüberwachung sind diese Probleme nicht zu bewältigen. Ich komme immer mehr zu dem Schluss, dass wir es hier mit kompletter politischer und menschlicher Unfähigkeit zu tun haben, als mit durchtriebener Planung.
Nibiru
Hallo, das stimmt schon alles. Die Frage ist: Was ist zu tun? Eine „Übersetzung“ des Lissabon Vertrages durch einen Profi in Umlauf bringen, der dieses Mammut-Werk irgendwie überhaupt mal verstehen kann – sodass ein normaler Mensch das auch überhaupt erst mal begreifen kann (erinnert mich irgendwie an Luther…)? Eine Alternative – also eine von den Menschen initiierte EU-„Verfassung“ – auf die Beine stellen, die das zum Ausdruck bringt und so ein Europa zeichnet, was / wie es die Menschen eigentlich haben wollen? Europa-Abgeordneten Briefe schreiben? Ich denke zumindest, das ewige Herumgehühnere mit allen möglichen, abgespeckten oder umgeschriebenen oder zumindest umtitulierten Verträgen zeigt, dass „die da oben“ eben doch nicht so einfach alles durchdrücken können, wie sie wollen. Auch wenn die ganze Sache aus meiner Sicht natürlich ein Riesenskandal bleibt! Gruss, Ilona
Die Brüssel-Administration konnte nur wachsen und gedeihen, da sie sich ständig über Bürger und Staaten hinweg setzte. Ein wesentlicher Anteil des „Erfolges“ bei der Ratifizierung des Lissabon-Vertrages liegt darin begründet, dass man bewusst die Bürger ausgeschlossen und die Abgeordneten nur spärlich informiert hat.
Diejenigen Länder die sich bisher wehrten, werden nun über die „Krisenschraube“ so lange in die Zange genommen, bis zu mit wehenden Fahnen aufschließen.
Man muss schon sehr gut im Wundern sein, wenn man diesen Vorgang noch für demokratisch hält.
Gregor
Zu Europa und speziell zur Informiertheit der Bevölkerung in Deutschland in Sachen Lissabon-Vertrag habe ich soeben einen interessanten Artikel in der „Jungen Welt“ gefunden, den ich Ihnen nicht vorenthalten möchte:
Altpapier des Tages: Lissabon-Vertrag
Reichlich Durcheinander gegründet auf solide Unkenntnis über die EU und speziell den Lissabon-Vertrag förderte eine Umfrage zutage, die von der Linksfraktion im Bundestag bei Emnid in Auftrag gegeben wurde. Das Institut erhielt von über 80 Prozent der 1002 Befragten ab 14 Jahre Ende April auf die Frage, wie sie sich über die EU-Verträge insgesamt informiert fühlten, die Antwort »schlecht« bzw. »sehr schlecht«. Das verwundert beim Blick auf Bildungswesen und Medien kaum, auch nicht die Popularität von deren Klischees: Die Mehrheit hält die EU jeweils für »sozial«, aber auch für »bürokratisch«, nicht für »bedrohlich«, sondern für »fortschrittlich«. Kaum überraschend ist, daß fast 100 Prozent nichts von der Verpflichtung aller Mitgliedsstaaten im Lissabon-Vertrag wissen, ihre militärischen Fähigkeiten zu verbessern. Mehr als die Hälfte hält aber eine solche Bestimmung für »schlecht«. 59 Prozent insgesamt, in Ostdeutschland 72 Prozent, sind dafür, diese Bestimmung durch eine Verpflichtung zur Abrüstung zu ersetzen. 74 Prozent der Befragten wollen, daß »Arbeitnehmerrechte und Sozialstaatsprinzip« im Vertrag Vorrang vor »Wettbewerbs- und Handelsfreiheiten« haben. 70 Prozent waren schließlich dafür, daß die Bundesregierung den Lissabon-Vertrag neu aushandeln solle, um diese Präferenzen zu verankern.
Das Resultat belegt, daß alle Voraussetzungen für eine erfolgreiche EU-Wahl gegeben sind: Die staatlich und medial verordnete Unwissenheit ist überwältigend. Um den Zustand herbeizuführen, bedarf es einiger Mühe, daher heißt so etwa heute nicht Wahlfälschung, sondern Eigenverantwortung, Demokratie und Freiheit. In der darf jeder nicht wissen, was er nicht will, denn das gewährleistet die Unveränderbarkeit der Verhältnisse durch Wahlen. Die Linkspartei forderte auf Grundlage der Umfrage, den Lissabon-Vertrag »aufzuschnüren und neu zu verhandeln«. Berlin wird es gern bei Unwissen und Vertrag belassen. (asc)
Mit freundlichen Grüßen
Heidi