Stell dir vor, du fährst du die Stadt – und nirgends ist Werbung zu sehen. Kaum vorstellbar, aber die längste Zeit der Menschheitsgeschichte Realität. Nun gibt es eine Bürgerinitiative in Berlin, die genau das für unsere Hauptstadt will…
Warum soll Berlin werbefrei werden?
Eine Stadt ohne Werbung könnte herrlich sein. Nicht mehr überall diese nervigen und größtenteils nicht besonders intelligenten Werbebotschaften. „Stattdessen wäre der Blick wieder frei auf Architektur, Grünflächen oder einfach den Himmel. Und die ein oder andere triste Mauer wäre ohne Werbung eine wunderbare Fläche für Kunst“, meint Sarah Mohs, eine Initiatorinnen.
Und nicht nur das. Wir könnten uns und vor allem auch unsere Kinder vor der permanenten Manipulation schützen. Jeder weiß, dass wir weniger konsumieren müssen, wollen wir die Welt für unsere Nachfahren einigermaßen erhalten. Doch unter dem Diktat des Wirtschaftswachstums fällt diese Logik hinten runter. Statt dessen wird uns per Werbung ständig eingeredet, was wir noch alles bräuchten.
Aber: „Warum müssen wir uns die ganze Zeit sagen lassen, wer wir sein, wie wir aussehen und was wir tun sollen? Der Werbeflut, die in Wahrheit nicht informiert, sondern illusioniert, sind wir jeden Tag ungefragt ausgesetzt. Mit dem Antikommodifizierungsgesetz schaffen wir einen AdBlocker für den öffentlichen Raum,“ so Joschka von Unruh, der Co-Sprecher der Initiative.
Was fordert die Berlin Werbefrei?
Die Initiative hat ein Gesetz entworfen, das ein Verbot digitaler Werbeanlagen sowie eine Einschränkung von Produkt-und Dienstleistungswerbung im öffentlichen Raum vorsieht. Produktwerbung soll weiterhin an der sogenannten „Stätte der Leistung“ erlaubt bleiben. Dazu gehören zum Beispiel Läden, Gaststätten oder Betriebe. Auch Veranstaltungswerbung und gemeinnützige Aushänge sollen weiterhin zulässig sein. Außerdem soll es dem Land Berlin möglich sein, Sanitäranlagen und Haltestellen zeitlich begrenzt durch Werbung zu finanzieren.
Herabwürdigende oder diskriminierende Werbung sowie Werbung in öffentlichen Einrichtungen wie Kitas, Schulen und Hochschulen soll dagegen grundsätzlich verboten werden. Sponsoring an Schulen und Hochschulen soll möglich sein, wenn Transparenz besteht. Darüber hinaus will Berlin Werbefrei auch eine zentrale Beschwerdestelle einrichten, die Verstöße schnell klären soll.
Wann geht es los und wie geht es weiter?
Vor zwei Tagen – am 16. Januar 2018 – ging es los: Die Bürgerinitiative „Berlin Werbefrei“ hat angefangen, Unterschriften für ihr Anliegen zu sammeln. Zum Start gab es gleich eine Aktion am Moritzplatz. Etwa 50 Aktive und Interessierte protestierten für eine deutlich weniger Außenwerbung im öffentlichen Raum – allein am Moritzplatz sollen 21 Großwerbeanlagen installiert sein.
Die Initiatoren des Volksentscheids finden, dass die Unterschriftensammlung gut anläuft. Schon in der ersten Stunde sollen mehr als 100 Unterschriften zusammen gekommen sein. Allerdings haben die Werbekritiker auch noch einiges vor sich: Bis zum 15. April 2018 wollen sie 20.000 Unterschriften sammeln.
Jede und jeder kann mitmachen!
Wer in Berlin wohnt und sich mit dem Ziel identifizieren kann, kann übrigens mitsammeln: Die Unterschriftenlisten kann man ab sofort auf der Webseite https://berlin-werbefrei.de herunterladen. Außerdem soll man überall in Berlin auf Unterschriftensammler*innen stoßen. Also: Augen auf!
Wir drücken allen Berlinerinnen und Berlinern auf jeden Fall die Daumen und können uns gut vorstellen, dass – sollte die Initiative Erfolg haben – das ein echter Pluspunkt für Berlin wird und unsere Hauptstadt dadurch noch schöner. Tsia, und vielleicht finden sich dann ja auch in anderen Städten engagierte Werbekritiker*innen, die sich die Zeit nehmen, um auch ihre Stadt werbefrei(er) zu machen.
Ich fühle mich regelrecht behelligt von der ganzen Werbung. Bei uns in der Innenstadt gibt es keine Blickrichtung ohne massive Werbeflächen. Ich habe mal den Test gemacht, mich ein paar Mal gedreht und die Augen geöffnet. Selbst die Kirche hatte während der Renovierung einen riesigen Banner. Ich verstehe auch gar nicht, warum die glauben, dass man sofort in den nächsten Laden läuft und das Produkt dort kauft…
Bisher habe ich gedacht, dass ich die ganze Werbung relativ gut ignorieren kann, weil ich das ganze Zeug ja eh nicht kaufe. Dann war ich in Kuba, wo es nirgends Werbeplakate gibt und habe erst mal gemerkt, welche Reizüberflutung doch zu Hause stattfindet, die auch auf mich stressend wirkt und mich kognitiv dauernd am Ärmel ziehen. Überall „schreien“ einen die Plakate an: Du hast diese und jene Fehler! Kaufe unser Produkt! …
Ich bin absolut dafür, dass es verboten werden soll, dass Menschen Werbung derartig aufgezwungen wird. Wer will, kann ja spezielle Werbewebseiten abonnieren oder so oder einfach direkt in den Laden gehen, wenn er/sie etwas braucht.
Den päpstlichen Segen für Berlin Werbefrei gibt es auch: „Wenn wir uns jeden Tag einen Moment Zeit nehmen, um mit Gott zu schweigen, bewahren wir unsere Seele, bewahren wir unsere Freiheit vor den zersetzenden Banalitäten des Konsums und vor der Betäubung durch die Werbung, vor der Verbreitung leerer Worte und den beunruhigenden Wogen des Klatsches und des Lärms.“
PREDIGT VON PAPST FRANZISKUS
HEILIGE MESSE AM HOCHFEST DER GOTTESMUTTER MARIA
51. WELTFRIEDENSTAG
Vatikanische Basilika
Montag, 1. Januar 2018