Wenn ja, wenn Ihr Euch also als politisch links einstufen würdet, dann kann das zweierlei bedeuten. Erstens: ihr seid politisch links orientiert. Zweitens: ihr seid besser gebildet. Das klingt nun vielleicht nicht gleich wie ein Widerspruch. Und vielleicht auch etwas arrogant. Ist es aber nicht. Es bedeutet, dass viele besser gebildete Menschen sich vormachen, sie seien links – in Wirklichkeit aber vertreten sie eher konservative, politische Haltungen.

Das jedenfalls hat laut telepolis eine Studie des Ökonomen James Rockey von der University of Lancester heraus gefunden. „Für diese wurden durchschnittlich 1.500 Menschen in 84 Ländern, d.h. mehr als 280.000 Menschen, zwischen 1981 und 2008 nach ihrer Haltung zu vielen unterschiedlichen Themen befragt, u.a. eben auch, ob sie sich politisch eher links oder rechts zuordnen würden“, schreibt das Online-Magazin. Das „politisch links“ oder „rechts“ in etlichen Ländern unterschiedliches bedeutet, machte es Rockney genauer und fragte, ob sich Einkommen eher angleichen sollten – oder ob größere Einkommensunterschiede gut, weil anspornend wären (fast unnötig zu sagen: ersteres deutet auf eine linke, Letzteres auf eine konservative Gesinnung hin).

Tsia und dabei zeigte sich anscheinend, dass die meisten „Besser-Gebildeten“ während ihres Studiums wohl Ersteres gewählt hätten. Später aber – als sie dann selbst die Karriereleiter erklimmten – eher die zweite Wahl getroffen hätten. Dass sie ihre Meinung in diesen und ähnlichen Punkte im Laufe ihres Lebens geändert haben, fällt den meisten aber anscheinend gar nicht auf. Eine ähnliche Überraschung haben sicherlich auch die ein oder anderen erlebt, die ihr Wahlverhalten an einem „Wahl-O-Mat“ überprüft haben (jeder Online-Fragebögen, die meist vor Bundestagswahlen erscheinen und eine Partei als Antwort auf unsere Antworten haben).

Frage eins, die sich mir dabei aufdrängt:

Wählen diese Menschen dann auch „linke“ Parteien? Gut, von den Grünen ist mittlerweile bekannt, dass ihre Klientel „links wählen und rechts handeln“ will… (liest man zumindest in den Medien). Aber was ist mit der SPD (nicht mehr so wirklich links?) oder den Linken (viel zu links?). Und: Engagieren sich diese Menschen auch in „linken“ Parteien und Organisationen? Wenn beide Fragen mit „ja“ beantwortet werden müssten, würde das zumindest erklären, warum die SPD und die Grünen in den letzten Jahren so einen konservativen, neo-liberalen Drall bekommen haben (deren Politiker werden ja auch nicht jünger).
Nun wird natürlich nicht jeder, der sich für links hält, gut verdient, einigermaßen gebildet ist und schon über 30 auch gleich stock konservativ sein. Aber wie weit reicht der Selbstbetrug? Das Ausmaß (in Prozent) nennt der telepolis-Artikel leider nicht und auch in dem Abstract der Studie habe ich nicht gefunden. Aber – nur mal scherzeshalber angenommen – es wäre eine Mehrheit… Vielleicht 60 oder 70 Prozent? 60 bis 70 Prozent der Attac-Mitglieder währen in ihren Herzen konservativ. Bei den Grünen und der SPD haben wir es schon vermutet. Aber was ist eigentlich mit Frank Bsirske – und was mit seiner Mannschaft? Man wäre vor nichts mehr sicher!

Und dabei wäre ich bei Frage Nummero zwei:

Was ist mit mir, mit euch? Nun gut, ich würde von mir nicht unbedingt behaupten, ich sei politisch links. Dieses links und rechts kann ich nicht leiden. Es kommt doch vielmehr darauf an, was richtig ist! Parteigeplänkel sollte da keine Rolle spielen. Radikales oder vielleicht auch nur festgefügtes, um nicht zu sagen zementiertes Gedankengut erst recht nicht. Aber klar: von mir aus könnten alle gleich viel verdienen! Mir würde meine Arbeit nicht weniger Spaß machen!
Aber ist es so einfach? Entscheide ich mich wirklich immer für „das Richtige“? Das „Gerechte“? Oder lass ich mich von meinem Neid, meiner Gier und meiner Eitelkeit (buddhistische „Sünden“) verführen? Hinter’s Licht führen? Ich – mich selbst! Man kann es – so jedenfalls der mahnende Zeigefinger dieser Studienergebnisse – nie wissen. Auch ich bin „besser Gebildet“… Das verleitet mich vielleicht – mehr als andere, nicht „besser Gebildeten“ – dazu, von meinem Rechthaben überzeugt zu sein. Es gar nicht mehr so richtig zu hinterfragen. Ist ja auch anstrengend und kostet Zeit – Zeit die man nicht hat, weil sie einem laufend von dieser wahrhaften Informationsmassenmaschine Internet geklaut wird…

Die ehrliche Konsequenz aus dieser Erkenntnis muss lauten: Trau Dir nicht! Und sei nicht so wahnsinnig rechthaberisch. Doch Halt! Da lauert doch eine Falle? Denn wer ewig mit sich zaudert, sich nicht traut, sich nur hinterfragt und nie gewiss ist, für welche Meinung er nun eigentlich einsteht – einstehen darf… der wird sich auch nie in Bewegung setzen und für eine Sache, eine Überzeugung, ein Ideal eintreten. Also noch mal alles zurück. Alles auf Null. Sind wir halt rechts und denken, wir seien links. Was soll’s. Ist doch nur eine anscheinend relativ leere Bezeichnung, die noch nicht mal global eindeutig definiert zu sein scheint…

Hier geht es zur Studie: www.le.ac.uk/economics/research/RePEc/lec/leecon/dp09-23.pdf

Bildquelle: Gerhard Kupfer / pixelio.de