Die Politik trifft Entscheidungen, die unser aller Leben bestimmen. Doch weder der Bundestag noch die Vergabe der Ministerposten ist repräsentativ. „Jetzt reicht’s!“, findet die Graswurzelbewegung „Brand New Bundestag“ und zeigt, wie wir die Politik repräsentativ machen. Du kannst übrigens auch mitmachen!
Der neue Bundestag ist leider nicht gerade repräsentativ für die deutsche Gesellschaft. Hier die wichtigsten Punkte:
- Obwohl der Frauenanteil in Deutschland bei rund 50 Prozent liegt, gibt es nur 32,1 Prozent weibliche Abgeordnete. In der letzten Legislaturperiode lag der Frauenanteil bei 34,7 Prozent. Er ist also noch zurück gegangen. Und übrigens: Die Grünen und die Linke heben mit ihrem überdurchschnittlichen Frauenanteil von 61,2 und 56,2 Prozent den Schnitt ganz erheblich. Bei der Union liegt er lediglich bei 22,6 Prozent und bei der AfD sogar nur bei 11,8 Prozent. Buh!
- Was die Berufe angeht, sieht es ähnlich aus. Die meisten Abgeordneten sind Akademiker:innen. Laut der Website „Das Parlament“ haben mehr als 70 Prozent der neuen Abgeordneten (459 Personen) haben einen Beruf in der Gruppe „Unternehmensorganisation, Buchhaltung, Recht und Verwaltung“. Im Bundestag, wie überhaupt in der Politik, sind vor allem Juristinnen und Juristen, Volkswirte und Volkswirtinnen oder Lehrkräfte vertreten. Menschen mit technischen oder handwerklichen Berufen sind kaum vertreten, obwohl sie den größten Teil der deutschen Bevölkerung stellen. Arbeiter und Menschen aus armen Bevölkerungsschichten oder solche mit einem geringen Bildungsabschluss sind natürlich noch seltener vertreten.
- Wie viele People of Color (POC) im Bundestag vertreten sind, dazu habe ich keine Informationen gefunden. Ich würde aber vermuten, dass auch sie unterrepräsentiert sind. Laut Mediendienst Integration haben jedoch 73 Abgeordnete einen sogenannten Migrationshintergrund. Damit sind sie deutlich unterrepräsentiert, denn sie machen 29,7 Prozent der deutschen Bevölkerung aus. Bündnis 90/Die Grünen soll laut Mediendienst Integration mit rund 20 Prozent den höchsten Anteil an Abgeordneten mit Migrationshintergrund haben. Dahinter folge Die Linke (18,8 Prozent), die SPD (17,5 Prozent) und die CDU/CSU-Fraktion (6,3 Prozent). Am geringsten ist der Anteil in der AfD-Fraktion mit rund 5,9 Prozent der Abgeordneten.
- Das Durchschnittsalter des neuen Bundestages liegt bei 47 Jahren. Es gibt lediglich 31 Menschen im Alter zwischen 18 und 29 Jahren. 62 Abgeordnete sind zwischen 30 und 34 Jahre alt und 80 Personen zwischen 35 und 39 Jahre. Die meisten Abgeordneten sind zwischen 50 und 54 Jahre alt (17,4 Prozent). Und das, obwohl die entscheidenden Weichen für ihre Zukunft gerade mit Milliarden-Schuldenpaketen gestellt werden. (Quelle: https://www.das-parlament.de/inland/bundestag/so-sieht-der-21-deutsche-bundestag-aus)
Mit anderen Worten: „die“ Politik ist mit Menschen besetzt, die zum großen Teil nicht die Lebenserfahrungen haben, wie sie in der Bevölkerung zu finden ist. Das ist ein Problem. Zum Beispiel fällt es privilegierten Akademiker:innen schwer zu wissen, wie die Perspektive aus Sicht eines armen, nicht so privilegierten Menschen aussieht. Weiße wissen nicht einfach, was sich POC politisch wünschen. Und Frauen stellen vermutlich andere politische Weichen, als Männer – denn sie erleben unser Land anders. Die Frage nach den politisch richtigen Rahmenbedingungen würden junge Menschen vermutlich anders beantworten als ältere. Was also tun?
Brand New Bundestag
Weil sich an der Zusammensetzung wider besseren Wissens in den letzten Jahrzehnten wenig tut, hat sich eine Gruppe von Menschen etwas überlegt. Inspiriert von der us-amerikanischen Bewegung „Brand New Congress“ haben Max Oehl, Eva-Maria Thurnhofer, Daniel Veldhoen (siehe Bild oben) 2019 die Graswurzelinitiative „Brand New Bundestag“ gegründet. Sie wollen die Politik repräsentativ machen. Und das funktioniert so:
- Parteiübergreifend können Kandidat:innen von Usern nominiert werden. Die Voraussetzung ist, dass sie mit den Forderungen von „Brand New Bundestag“ übereinstimmen (also in deren Jargon „progressiv“ sind): sie setzen sich für das 1,5-Grad-Klimaziel, soziale Gerechtigkeit und ein vereintes Europa ein. Tatsächlich habe ich auf der Website vor allem Kandidat:innen aus der Partei Die Linke, Bündnis 90/die Grünen und der SPD gefunden. Einige wenige aus der Volt-Partei und FDP. Aber grundsätzlich könnten sich natürlich auch Leute aus der CDU/CSU melden. Es ist ebenfalls möglich, parteilos zu kandidieren.
- Eine Jury wählt die spannendsten Kandidat:innen aus. Zuletzt sind laut Frankfurter Rundschau zum Beispiel 120 Nominierte zusammen gekommen. Aus ihnen hätte die Jury diejenigen ausgewählt, die „neue Perspektiven mitbringen, die charismatisch sind und mitreißen können“. Bei der letzten Bundestagswahl hätten es 23 der 57 Kandidierenden in den neuen Bundestag geschafft, schreibt „Brand New Bundestag“ auf einer Seite, auf der du alle Kandidierenden findest (https://brandnewbundestag.de/unsere-kandidierenden).
- Die Ausgewählten erhalten von Profis ehrenamtliche Unterstützung: Zum Beispiel mit einem Rhetorik-Training, einer Website, strategischer Beratung oder einem Medien-Training und vielem, vielem mehr. Laut eigenen Angaben sind mittlerweile „Hunderte von Volunteers“ bei Brand New Bundestag aktiv, die professionelle Unterstützung ehrenamtlich neben ihrem Beruf anbieten.
Keine Ausreden mehr: 50 Prozent Ministerinnen
Übrigens: es gibt eine aktuelle Online-Petition, sodass du direkt aktiv werden und eine repräsentative Politik mit unterstützen kannst. Der Hintergrund: Die Union und die SPD verhandeln den Koalitionsvertrag – und am Tisch sitzen fast nur Männer! 36,4 Prozent Frauen sind im Verhandlungsteam. Bei der CDU sind es 26,3 Prozent, bei der CSU 31,4 Prozent und bei der SPD 46,7 Prozent). Soll das tatsächlich repräsentativ sein?
Was später in den Ministerien erarbeitet und umgesetzt wird, betrifft aber das Leben aller Menschen in Deutschland. Und doch die eine Hälfte der Gesellschaft nach wie vor einfach nicht gleichberechtigt an diesen Entscheidungen beteiligt zu sein! Deshalb hat „Brand New Bundestag“ eine Online-Petition gestartet, bei der du Parität bei der Vergabe der Minister:innenposten fordern kannst: https://brandnewbundestag.de/paritaet-ministerien
Wir fordern Sie, Herr Merz, Herr Söder, Herr Klingbeil und Frau Esken auf: Besetzen Sie die Ministerien paritätisch!
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