Die Griechenland-Krise könnte Europas Chance für eine nachhaltige Energie-Unabhängigkeit sein, meint Andy J. Ehrnsberger. Der Diplom-Ingenieur beschäftigt sich seit langem mit dem Thema Umweltschutz. Nun hat er sich daran gemacht, zwei Probleme auf einmal zu lösen: Was wäre ein nachhaltiges Exportgut für Griechenland? Und wie können wir unsere Energiewende vorantreiben? Heraus kam dabei ein Buch, das ein Energie-Konzept mit dem Titel H2EK beschreibt (klick auf das Bild, um den Trailer zum Buch zu sehen).

Wenn Du die aktuellen Bemühungen, Griechenland wirtschaftlich konkurrenzfähig zu machen, beobachtest – wie fällt da Dein Urteil aus?

Teilweise sind die Projekte sinnvoll, teilweise Geldverschwendung, teilweise gefährlich. Im Großen und Ganzen aber sind die Initiativen aus meiner Sicht mangelhaft.

Welche Projekte findest Du gut und welche nicht?

Viele der Strukturreformen sind für eine Volkswirtschaft unumgänglich. Dazu gehört zum Beispiel eine funktionierende Steuerbehörde sowie Maßnahmen zur Bekämpfung von Korruption. Immerhin sind dem griechischen Staat dadurch jährlich zwischen 30 und 50 Milliarden Euro entgangen, die zu einem ausgeglichenen Haushalt hätten führen können.

Gleichzeitig gibt es technische Hilfsmaßnahmen, die anderen europäischen Interessen entgegenstehen. Da ist zum Beispiel der Bau neuer Hochspannungstrassen, die griechische Inselgruppen mit dem Strom aus veralteten Kohle- und Schweröl-Kraftwerken vom Festland versorgen sollen.

Und schließlich gibt es Projekte, die völlige Fehlinvestitionen sind. Beispielsweise das seit Mitte 2011 laufende Helios Projekt, das bis 2050 jährlich rund 10 Gigawatt Strom nach Deutschland liefern soll – und zwar erzeugt durch Photovoltaik-Solarparks. Was dabei jedoch leider vergessen wird ist, dass diese Photovoltaik-Kraftwerke nur eine Haltbarkeit von 20 bis 25 Jahren haben. Die Parks, die heute gebaut werden, funktionieren bereits 2040 also nicht mehr. Der Ansatz von Helios ist schon richtig: Griechenland soll ein weltmarktfähiges Exportguts bekommen. Doch anscheinend werden die Politiker, die die Entscheidungen treffen, schlecht beraten.

Welche Lösung schlägst Du vor?

Die Hauptursache der Eurokrise liegt darin, dass der Euro in allen Euroländern trotz erheblich unterschiedlicher Wirtschaftsleistung annähernd den gleichen Wert hat. Wollen wir den Euro erhalten, müssten die schwachen Länder austreten – oder ihre Wirtschaftsleistung schnell und drastisch steigern.

Doch selbst wenn etwa Griechenland aus der Eurozone austreten würde, müsste es seine Wirtschaftsleistung ganz erheblich steigern. Schließlich will die griechische Bevölkerung nicht für immer in einem armen Land leben und damit selbst arm zu sein. Das Streben nach einem hohen Lebensstadard liegt im Interesse des griechischen und des europäischen Volkes. Und wieso auch nicht, wenn es hierfür eine praktikable Lösung gibt?

Ich schlage deshalb vor, dass Griechenland – wie später auch die anderen südeuropäischen Länder – ein international sehr begehrtes Exportgut bekommen soll, das Europa zudem für immer unabhängig von Erdöl, Erdgas und Uran macht: Dieses neue Exportgut ist synthetisches Erdgas, das lediglich Sonne, Wasser und das Treibhausgas Kohlendioxid zur Herstellung benötigt. Synthetisches Erdgas – auch SNG genannt – dient Europa als umweltfreundlicher Energieträger, der fossiles Erdgas und Erdöl sowie atomares Uran erstetzt. Das ist der Kern des H2EK [H2-Energiekonzept, Anm.d.Verf.].

H2EK: Ein Energie-Konzept für Griechenland

Wofür steht H2EK und wie funktioniert es?

H2EK steht für H2-Energiekonzept. Es berücksichtigt einerseits, dass etwa in Deutschland rund 80 Prozent der benötigten Energie durch die Verbrennung von Öl, Benzin, Gas und Holz erzeugt wird – und nur rund 20 Prozent durch elektrischen Strom. Andererseits bezieht es mit ein, dass unser heutiges Energiesystem veraltet und ineffizient ist: Mit seinen Großkraftwerken, Hochspannungsleitungen und Umspannwerken (und daran angeschlossenen Windrädern) verliert es rund 50 Prozent an Energie.

Die Verwirklichung des Konzepts beginnt mit der Verabschiedung von fünf Übergangsgesetzen, die dafür sorgen, dass sich Firmen in Griechenland niederlassen. Dies geschieht:
a) über den Anreiz, dass sie Kredite zu einmaligen Konditionen erhalten
b) über den Anreiz, dass sie ab Fertigstellung ihrer Niederlassungen Güter herstellen und verkaufen können, und zwar langfristig betrachtet nicht nur in Griechenland, sondern weltweit.

In diesen Niederlassungen werden schließlich die Anlagen zur SNG-Herstellung produziert, und zwar von griechischen Arbeitskräften, doch bereits der Aufbau der Niederlassungen soll laut einer der fünf Regelungen durch griechische Bauunternehmen geschehen.

Die Kredite werden von einer zu diesem Zweck gegründeten Förderbank gegeben. Darüber hinaus sorgt ein sogenanntes Transparenzgesetz dafür, dass die Geldströme jederzeit öffentlich sind. Das Geld für den Kauf der SNG-Anlagen wird ebenfalls zu einmaligen Konditionen an Genossenschaften vergeben, die vollständig in griechischer Bürgerhand sind. Diese Genossenschaften erhalten alle Einnahmen aus dem Verkauf des SNG und zahlen damit nach und nach die Kredite zurück. Außerdem erhält jeder Anteilseigner eine jährliche Gewinnausschüttung von mehreren hundert Euro, was bei der Vielzahl an Anteilseignern neben den vielschichtigen konjunkturellen Effekten aufgrund der breiten Bautätigkeit zu einer zusätzlichen Steigerung der griechischen Binnennachfrage führt.

Da SNG dieselben Eigenschaften hat wie gewöhnliches Erdgas, kann es ohne technische Schwierigkeiten und nahezu verlustfrei über die ohnehin in Griechenland geplanten Pipelines »Southstream« und »Nabucco« nach Zentraleuropa transportiert werden. Hier kann es beispielsweise in Deutschland über das gut ausgebaute Gasnetz an jeder Tankstelle und in nahezu jedes Haus transportiert werden. So könnte das SNG bereits heute gewöhnliche Fahrzeuge betreiben und in den Gebäuden mit einer erstaunlichen Effizienz von 90 bis 95 Prozent drei Dinge auf einmal produzieren: Heizwärme, Warmwasser und Strom – und zwar mit Hilfe dezentraler Blockheizkraftwerke.

Und wie funktioniert so eine SNG-Anlage?

Wasser (H2O) wird in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O) gespalten, und zwar durch konzentriertes Sonnenlicht beziehungsweise durch den Prozess der Elektrolyse. Das Produkt Wasserstoff reagiert anschließend mit Kohlendioxid zu SNG, also zu handelsüblichem Gas. Fertig. Das heißt: fast fertig.

Bereits heute ist es möglich, Wasserstoff direkt zu tanken um damit beispielsweise Brennstoffzellenfahrzeuge zu betreiben. Brennstoffzellenfahrzeuge besitzen einen Elektromotor und erzeugen ihren Strom selbst, und zwar mittels Brennstoffzelle. Die Brennstoffzelle lässt den Wasserstoff mit Sauerstoff aus der Atemluft reagieren und macht die dabei freiwerdende Energie nutzbar, ohne auf umweltschädliche Batterie- und Akkutechnologien zurückgreifen zu müssen. Bei der Verbrennung von Wasserstoff (H2) entsteht neben Energie nur eines, nämlich Wasser (anstelle von Abgasen). Abgesehen davon lassen sich aus dem SNG wiederum hochwertige Kunststoffe herstellen, nämlich jene, die heute aus Erdöl hergestellt werden.

Wie kamst Du dazu, Dich mit diesem Thema zu beschäftigen?

Ich bin schon früh auf die Verschmutzung unserer Umwelt aufmerksam gemacht worden. Und ich habe mir damals große Sorgen um die unsagbare Schönheit unserer Welt machte. Außerdem neige ich einfach dazu, nachdenklich zu sein. Also habe ich angefangen, nach Lösungen zu suchen.

Das Buch war dabei gar nicht geplant. Ich spielte natürlich immer wieder mit dem Gedanken, etwas davon zu Papier zu bringen – doch in welcher Form, wann und ob überhaupt, war bis in die Jahresmitte 2011 hinein nicht klar. Schließlich fing ich mit einer handfesten Recherche an, deren Ergebnisse ich auf einer Website veröffentlichte. Das im Oktober 2011. Seit dem habe ich versucht, Menschen für das Konzept zu gewinnen. Mich an Politiker zu wenden erschien mir dabei aber wenig sinnvoll. Ich wollte mich über Journalisten und Redakteure an die Öffentlichkeit richten. So traf ich auf meinen jetzigen Verleger. So entstand seit Anfang des Jahres das Buch.

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Bibliografische Angaben zum Buch

»Griechenland: Mit der Krise Europa sanieren«
Andy J. Ehrnsberger. Verlag Parkstraße
ISBN 3-941556-03-4
Preis: 12,80 Euro
www.verlag-parkstrasse.de

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