Kontrollfaktor

Die Gerüchteküche brodelt und der Widerstand wächst, denn bereits in diesem Monat soll die gefürchtete Internetzensur per Sperrliste nun Wahrheit werden. Und die Zeichen mehren sich, dass die ominöse Liste nicht nur Webseiten mit pornographischen Inhalten umfassen könnte, sondern auch andere – legale Seiten. Alles – so scheint es – ohne gesetzliche Grundlage.

Die Provider werden mit einem „Eckpunktepapier“ vergattert und stehen Gewehr bei Fuß, um als Erfüllungsgehilfen tätig zu werden. Das Bundesfamilienministerium ließ verlauten, dass man bereits am 17. April entsprechende Verträge unterzeichnen werde, um Kinderporno-Seiten ausländischer Server zu blockieren. Für sich betrachtet ganz sicher unterstützendswert, denn kein vernünftiger und gefühlsbegabter Mensch kann etwas dagegen haben, dass den Anbietern solcher Seiten das Handwerk gelegt wird. Doch unter IT-Experten gilt längst als ausgemacht, dass es sich hier um aufwändige, technische (und teure) Verfahren handelt, die sich durchaus aber auch wieder umgehen lassen.

Hinzu kommt, dass man in dieser Sache sinnvolle Präventiv-Maßnahmen vermisst. Man denke nur an die Horden von Lüstlingen, die sich in sogenannten „Bumsbombern“ in die ärmsten Regionen dieser Welt reisen – unbehelligt – um sich dort als Sextouristen zu vergnügen, an sexistische Werbung und TV-Shows uswusf. Unruhig machen zudem Anhaltspunkte, die darauf hinweisen, dass es nicht bei Pornoseiten bleiben wird, sondern womöglich auch andere Seiten geblockt werden könnten, nur weil sie politisch nicht gern gesehen sind.

Auf die Auswahl der Websites die auf den Sperrlisten landen haben die Provider keinen Einfluss. Sie sind lediglich für die technische Sperrung der vom BKA ausgewählten Zugänge zuständig. Die Listen selbst sind natürlich nicht öffentlich.Wer sie trotzdem bekannt macht, kann sich sogar erheblichen Ärger einhandeln, so wie jüngst die Betreiber der Seite „Wikileads“, die sich erdreisteten, die australischen und skandinavischen Sperrlisten zu veröffentlichen. Die Folge: Eine Sperrung der eigenen Seite, eine Hausdurchsuchung sowie die Beschlagnahmung von Computermaterial…

Der Berliner Zeitung lag sogar unlängst ein Arbeitsentwurf des Bundeswirtschaftsministerium vor, welches tatsächlich nicht ausschließt, dass auch legale Seiten in das Schleppnetz der Fahnder geraten könnten:

Darin wird ausdrücklich festgehalten: Die Diensteanbieter trifft kein Verschulden, wenn im Rahmen der Durchführung der Maßnahme zur Erschwerung des Zugangs auch Seiten gesperrt werden, die keine Kinderpornografie enthalten. Die Haftung für solche Fälle übernimmt laut dem Entwurf das Bundeskriminalamt (BKA). Auch bei fehlerhaften Klassifizierungen haftet das BKA. (Berliner Zeitung)

Man hat den Eindruck, dass sich die Schlinge in Sachen Netzkultur und Meinungsfreiheit wieder ein Stück weit enger zieht. Würde es sich lediglich um die Hälse der Betreiber von Kinderporno-Seiten handeln, dann hätte niemand etwas dagegen. Doch wenn es sich hier tatsächlich um ein Trojanisches Pferd handeln sollte, dann sehen Betreiber politischer Websites trüben Zeiten entgegen. Obwohl das Recht auf freie Meinungsäußerung noch immer gilt – zumindest im Grundgesetz. Die Bundesregierung will außerdem noch vor der Bundestagswahl eine Gesetzesänderung vornehmen, damit alle Internet-Provider zu den Sperrungen verpflichtet werden können. Der Bürger wird mal wieder nicht gefragt, geschweige denn, dass er bei so einer wichtigen Entscheidung mitbestimmen dürfte.

Hier findet man die Eckpunkte des Gesetzes.

Der Widerstand wächst. Für den 17. April,  von 9:00 bis 9:30 Uhr ruft netzpolitik.org  zu einer Mahnwache in Berlin auf.