Kurz vor vier Uhr Nachmittags rollen wir mit unserem Bulli an der Siegessäule vorbei Richtung Tiergarten. Unser Ziel: Der Reichstag. Schnell den Bus beim Haus der Kulturen der Welt geparkt, die Kamera- Taschen gepackt und ab geht es über die große Wiese zum bereits legendären Occupy-Camp. Wobei Camp zu viel gesagt ist. Denn seit Tagen versuchen die Occupy-Beweger die Erlaubnis für’s Zelten zu bekommen. Vergeblich. Selbst sitzen mit einer Decke über den Beinen wurde sofort von bereit stehenden Polizisten vereitelt, als wir dort waren.

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Friedlicher Widerstand…

Doch so leicht geben die Acampneros und Acampneras nicht auf. Sie bleiben friedlich, argumentieren mit den Polizisten (die entsprechenden Rechtstexte immer griffbereit) und versuchen weiter eine Genehmigung zu kriegen. Manche vor ihnen stehen so ohne Schutz die ganze Nacht. Sie wollen vor allem verhindern, als linke, gewaltbereite Chaoten diffamiert zu werden. Und davon sind sie auch wirklich weit entfernt.

occupy berlin

Als wir an diesem wunderschönen, sonnigen Herbstnachmittag über die Wiese auf die Truppe von geschätzt etwa 200 Leuten – Jungen und Alten, In- und Ausländern, Männer und Frauen – zustapfen, liegen überall Basteleien und Kunstwerke herum. Eine Arbeitsgruppe (AG) versucht aus gelb angesprühten Pappkartons einen Infostand zusammen zu bauen. Daneben liegen lauter Plakat in unterschiedlichen Lila- Schattierungen, auf denen die Wünsche für die Zukunft geschrieben stehen. Andere machen Musik (zum Beispiel den Acampa-Song, siehe auch den Youtube-Film).

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Ein gutes Gefühl

Die Leute, mit denen wir sprechen, wirken alle euphorisiert. Sie berichten von dem unheimlich guten Gemeinschaftsgefühl. Davon, wie friedlich das Miteinander ist und frei von Berechnung und Kalkül: Keine NGOs oder Parteien spannt die Occupy-Beweger vor ihren Karren. »Natürlich kann hier jeder als Person mitmachen – aber eben nicht im Namen einer Organisation«, sagt uns einer der Anwesenden. Und genau darum geht es auch: Darum, dass Menschen als Menschen gemeinsam etwas bewegen, bewirken und entwickeln können.

occupy berlin

Was sie so ganz genau entwickeln und bewirken können, lässt sich nicht auf einen Punkt bringen. Das ist gewollt. Die Occupy-Bewegung ist ein Prozess und wird von allen, die daran teilnehmen auch so verstanden. Ein Prozess, an dessen Ende hoffentlich die Erkenntnis aller Beteiligten steht, dass WIR dieses Land sind, dieser Staat, diese Gesellschaft. Und dass WIR alle deshalb auch etwas verändern können.

occupy berlin

Ein Land kommt in Bewegung

Umgekehrt heißt es aber auch, dass wir die Pflicht haben, uns für eine echte Demokratie einzusetzen: Jetzt! »Niemand hat das Recht zu gehorchen«, nannte es die Philosophin Hannah Arendt. Dies gilt mit Sicherheit umso mehr, als dass die Zeiten mit all ihren Umwelt- und Finanzkrisen insgesamt turbulent sind.

Die Occupy-Bewegung in Berlin jedenfalls vermittelt das fast schon berauschende Gefühl, dass unser Land endlich in Bewegung kommt. Dass wir Menschen aufwachen und unsere Menschlichkeit entdecken. Dass wir unsere Angst vor Repressalien und unbequemen Konsequenzen überwinden.

occupy berlin

Und dass wir die geistigen Schranken, die wir durch Erziehung, Sozialisation, Medien, Werbung und, und, und antrainiert haben, überwinden. Kurz gesagt: Dass wir kollektiv eine neue Bewusstseinsebene und damit Lebenswirklichkeit erklimmen können. Berlin gibt uns die Hoffnung darauf. Vielen Dank an alle, die daran mitwirken! Macht weiter so!

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#OccupyBerlin – #OccupyReichstag
Asamblea: 15 und 17 Uhr
Ort: Vor dem Reichstag
URL: www.occupyberlin.net  oder http://revolution-berlin.org
Livestream: www.livestream.com/undergroundreports

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