Die Umwelt zu zerstören heißt Menschenrechte zu verletzen. Eigentlich. Aber derzeit hat das keine rechtlichen Konsequenzen! Mit einem internationalen Ökozid-Gesetz soll sich das ändern. Es wird höchste Zeit.

Letzte Woche war Klimacamp in Hamburg. Es gab Demonstrationen und Aktionen, unter anderem gegen den Bau von Flüssiggas-Terminals. Denn das Gas zerstört woanders in der Welt Lebensräume. Der Aktivist Peter Emorinken-Donatus hält ein internationales Ökozid-Gesetz für die Lösung. Doch worum geht es dabei?

Peter Emorinken-Donatus kommt ursprünglich aus Nigeria. Genauer gesagt aus dem Niger-Delta. Dieses Gebiet gilt als eines der am meisten verseuchen Gebiete der Welt. Der Grund: Die Ölförderung. Geschätzt ist es hier in den letzten Jahrzehnten zu mehreren Zehntausenden von Erdölkatastrophen gekommen. Das Grundwasser ist so belastet, dass die Menschen es nicht mehr trinken können. Die Luft durch das Abfackeln von Gas so verschmutzt, dass das Risiko von Lungenkrebs erheblich höher ist, als woanders. Und die Erde ist zum Teil bis zu fünf Metern in die Tiefe verseucht.

Lebensraumzerstörung im Niger-Delta

»In Nigeria liegt die allgemeine Lebenserwartung bei 54 Jahren«, erklärt uns Peter Emorinken-Donatus bei seinem Vortrag. Es ist drückend heiß an diesem Tag in Hamburg. Rund 100 Menschen sitzen in Ringen um ihn herum in einem Zirkuszelt. Peter Emorinken-Donatus merkt man seine Empörung, seine Wut an, als er fortfährt: »Und im Niger-Delta liegt sie bei 45 Jahren«. Zum Vergleich: Hier bei uns in Deutschland sind es achtzig Jahre.

Bevor im letzten Jahrhundert die Ölförderung in Niger-Delta begann, hatten die Menschen dort einen Lebensstil, der im Einklang mit der überaus reichen Biodiversität dieses Ökosystems stand. Fünfzig Jahre später sieht man auf den Fotos, die er uns zeigt, nur noch tote Bäume, kahle Erdböden, Wasser mit schillernden Ölreste auf der Öberfläche. Und Menschen, die dennoch die Fische von dort essen oder das Wasser trinken. Was sollen sie auch sonst machen? Sie haben keine Alternative.

Ökozid, kein Grund zur Flucht

Denn würden die Nigerianer aus dem Niger-Delta zum Beispiel versuchen nach Deutschland zu emigrieren, würden wir sie hier als »Wirtschaftsflüchtlinge« bezeichnen und abweisen. Selbst wenn sie es über das Mittelmeer schaffen würden, dürften sie nicht hier bleiben. Denn was im Niger-Delta geschieht, ist offiziell nicht strafbar. Deshalb kämpft Peter Emorinken-Donatus seit über 30 Jahren für ein Ökozid-Gesetz.

Ökozid ist die massive Schädigung und Zerstörung von Ökosystemen – schwere Schäden an der Natur, die weitreichend oder langfristig sind.

stopecocide.de

Die Zerstörung von Ökosystemen soll dann – wie Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch – ein internationales Verbrechen sein. Einklagbar. Mit Haftstrafen, Geldstrafen und Entschädigungszahlungen. Das gilt zum Beispiel auch für das Abbrennen des Regelwaldes (um dort Vieh zu weiden, Viehfutter für unsere Massentierhaltung oder Palmölplantagen anzubauen), für das Leerfischen von Meeren, für die Plastikvermüllung der Ozeane, für Öllecks à la Deep Water Horizont, Bergtagebaue für Gold und Mineralien, das Abtragen von Sand, Fracking, die Verschmutzung durch Textil- oder Gerber-Chemikalien, der massenhafte Einsatz von Pestiziden, radioaktive Kontaminierung und so weiter und so fort. Sehr eindrücklich sind die Ökozide auf der Website von stopecocide zu sehen: https://www.stopecocide.de/was-ist-oekozid

Maafa, die größe Zerstörung

Peter Emorinken-Donatus ist im Laufe seine Vortrages immer aufgebrachter geworden. Verständlicherweise. Für mich als weiße Europäerin ist die Konfrontation wichtig, hilfreich. Sicher, weiß ich von diesen schlimmen Missständen. Aber es ist etwas anderes, wenn man sich einem Menschen gegenüber sieht, der direkt davon betroffen ist. Dessen Freunde und Familie unter dieser Situation zu leiden hat. Die an den Folgen der Verschmutzung stirbt …

Für all gibt es laut Peter Emorinken-Donatus in Afrika ein Wort, das hier bei uns weitestgehend unbekannt ist: Maafa. Das ist Kiswaheli und bedeutet »Die große Zerstörung«. Gemeint ist damit nicht nur der derzeitige Ökozid. Gemeint ist damit auch die Versklavung, der Kolonialismus, die Genozide, der Neokolonialismus und Rassismus, ohne den der heutige Ökozid in dieser krassen Form vermutlich nicht möglich wäre.

Gas gegen Ökozid?

Unser Energieverbrauch hat starke Auswirkungen auf die Ökozide in Afrika. Beispiel Gas. Weil die bundesdeutsche Regierung kein Gas aus Russland mehr möchte bzw. kriegt, hat sie sich in der Welt umgesehen … und laut Peter Emorinken-Donatus erkannt, dass Nigeria eine neue Quelle für Gas sein könnte. In Planung ist laut seinem Vortrag eine 7.000 Kilometer lange Gas-Pipeline durch zwölf Länder Afrikas und dann von dort entweder durch Spanien und Frankreich oder über Italien nach Deutschland.

Dazu muss man wissen, dass in Nigeria etwa 70 Prozent der Einwohnenden keinen Zugang zu Energie in Form von Öl, Gas oder Strom hat. Von den Exporten profitiert nur eine – vom Westen gestützte – kleine Elite des Landes. Während wir hier also Angst vor kalten Heizungen, teurem Brot und einem Rückgang des Wirtschaftswachstums haben, sterben die Menschen dort für einen Profit, der für sie ein Fluch ist.

»Deutschland ist eines der ärmsten Länder der Welt«, ruft Peter Emorinken-Donatus in seinem Vortrag und meint damit die Rohstoffe. »Wie kann es dann sein, dass es zu den reichsten Ländern der Erde gehört?« Diese Perspektive des Globalen Südens sollten wir dringend mit in unsere Überlegungen einbeziehen, wenn uns der Krieg in Europa und ein Despot wie Putin bedrohlich erscheint. Denn das nicht zu tun, führt zu Doppelmoral und Scheinlösungen.

Das kannst du tun