Bäume bei der Demo? Stühle bei der Sitzblockade? Hier findest du kreative Ideen für den Protest mit Abstand.

  • Demonstrieren ist zur Zeit nicht so einfach.
  • Zum Glück gibt es virenfreie Protestformen.
  • Das ist unser Pro und Contra.

Abstand, Angst und Motivation

Abstand und Mundschutz und keine großen Menschenmengen. All das sind schwierige Bedingungen für politischen Protest auf der Straße. Gängige Formen wie Märsche, Demonstrationen oder Blockaden sind derzeit ungeeignet, wenn man potentielle Virenherde vermeiden möchte.

Dazu kommt, dass sich der ein oder andere mit „ganz anderen“ Sorgen plagt: Mit der Angst vor Ansteckung und Krankheit etwa. Oder mit der Befürchtung den Arbeitsplatz zu verlieren oder Konkurs anmelden zu müssen. Themen, die nicht unmittelbar die Existenz bedrohen, rücken da in den Hintergrund – „ja, können wir uns jetzt noch Dinge wie Umweltschutz oder soziale Gerechtigkeit leisten …?“

Gerade, weil solche Fragen auftauchen, ist es umso wichtiger, politisch Druck zu machen. Zumal die Lobbyist*innen und Interessenvertreter*innen ja keine Pause machen. Im Gegenteil. Jetzt, wo es der Staat Milliarden verteilt, will jeder noch ein dickes Stück vom Kuchen. Da heißt es Gegensteuern und sich für die Belange von Natur, Tieren und Benachteiligten einsetzen. Doch wie?

Wenn Bäume zur Demo gehen

Heute spazierten Marek und ich durch das Raakmoor. Es ist Hamburgs kleinstes Naturschutzgebiet und liegt am Ende unserer Straße. Und auf einmal waren wir umgeben von demonstrierenden Bäumen. Sie hielten Schilder in der Hand, auf denen zu lesen stand „Systemrelevant ist auch unsere Umwelt“ oder „Wenn schon schulden, dann nur für Nachhaltiges.

Absender ist die Protestbewegung Extinction Rebellion (extinctionrebellion.de) – also die Rebell*innen gegen das Aussterben. Für Aufmerksamkeit sorgten sie bislang mit Straßenblockaden, Die-Ins und literweise Theaterblut vor Regierungsgebäuden. Weil die Rebellion Wave (Rebellionswelle) im Mai coronabedingt ausbleiben musste, haben sich einige Hamburger Aktivist*innen wohl etwas Neues ausgedacht. Uns gefällt und die zwei Polizist*innen, die uns auf dem Rad begegneten, fuhren anstandslos vorbei.

Stühle im Sitzstreik

Die Gastronom*innen hatten lange zuvor schon die Idee denjenigen eine Stimme zu geben, die sonst nicht sagen (können). In diesem Fall waren es leere Stühle. Pro protestierendem/r Gastronom*in einer. Darauf verwies vielerorts das Schild am Stuhl. Gute Idee vor allem deshalb, weil die Aktion tolle Fotos liefert. Und wie man weiß, findet eine Demo oder ein Protest nur dann wirklich statt, wenn die Presse darüber berichtet. Weitere Infos findest du unter https://www.leere-stuehle.de

Verbunden und unteilbar

Das Bündnis unteilbar (www.unteilbar.org) zeigte – im Gegensatz zu etlichen anderen Demos dieser Zeit –, dass gemeinsam demonstrieren auch kurz nach dem Shutdown geht. Überall in Deutschland gingen die Menschen zu Zehntausenden auf die Straße, um für Solidarität zu stehen – jetzt, wo die Pandemie bestehende Ungerechtigkeiten noch krasser zutage treten.

Klug und schön waren allenorts die bunten Bänder. Sie machten optisch so einiges her (die Presse, du weißt). Sie setzten ein visuelles Zeichen der Verbundenheit. Und sie sorgten fast schon nebenbei für ausreichend Abstand zwischen den Demonstrierenden. Tolle Sache!

Schuhe im Ausnahmezu-Stand

Ebenfalls als Symbol hinterließen die Aktivist*innen von #leavenoonebehind (leavenoonebehind2020.org) zahlreiche Schuhe vor dem Brandeburger Tor. Zum einen stehen sie für die Demonstrierenden, die während des Shutdowns nicht demonstrieren durften. Zum anderen sind sie Sinnbild für all die Geflüchteten, die wir angesichts der Pandemie nicht in den Lagern und auf ihrer Flucht vergessen dürfen.

Mein Fazit

Diese wenigen Beispiele zeigen schon: Mit Kreativität und Köpfchen lassen sich auch ohne Menschenmassen symbolträchtige und damit medientaugliche Protestformen inszenieren. Das ist wichtig, denn wir dürfen nicht zulassen, dass wichtige Themen wie Solidarität, Freiheit oder Umweltschutz jetzt unter die Räder geraten. Um dir deine eigene Aktion auszudenken, helfen dir Fragen wie:

  1. Was ist mein Thema und welche symbolträchtigen Stellvertreter für Menschen könnte ggf. in Betracht kommen (wie Bäume, Schuhe, Stühle oder Töpfe)?
  2. Wo wäre ein geeigneter Ort für meine Aktion?
  3. Wie sorge ich dafür, dass ich niemanden dadurch störe oder „Müll“ hinterlasse?
  4. Wie verursache ich eine Berichterstattung in den klassischen und Sozialen Medien? Was ist die Geschichte hinter den Bildern?

Bei alle Bildpracht und Symbolträchtigkeit denke ich aber nicht, dass Inszenierungen mit Stühlen, Schuhen oder Bäumen auf Dauer die Präsenz echter Menschen ersetzen kann. Denn nur die Menschen auf der Straße zeigen letztlich, dass es in unserem Land eine relevante Menge an Bürger*innen gibt, denen ein Thema eben so wichtig ist, dass die Politik dies nicht länger vernachlässigen darf.


Bildquellen: Baumdemo von uns, „Leere Stühle“ von Thorsten Krienke via flickr, „unteilbar“ von unteilbar.org, Schuhe #leavenoonebehind von Leonard Lenz via Wikimedia.