Es ist in der letzten Zeit etwas ruhiger um das Thema Datenschutz geworden. Nachdem vor kurzem gleich mehrere Skandale um den Handel mit sensiblen Daten die Runde machten, ist im Moment kein neues Datenschutzdesaster in Sicht – glaubt man…
Denn genau in diesem Moment wird der schier unersättliche, doch bisher – so scheint es – regional begrenzte Datenhunger durch die sog. „Future Group“ der EU auf ein vollkommen neues Niveau gehoben. Es geht um das Sammeln und Auswerten riesiger Datenmengen in ganz Europa – ein äußert kritisch zu bewertendes Vorhaben, warnt „Statewatch“. Die britische Organisation hat es sich zur Aufgabe gemacht, dem Staat und seinen Institutionen auf die Finger zu schauen.
Statewatch moniert in seinem Bericht „The Shape of things to com“ die Arbeit der besagten „Future Group“ unter die Lupe genommen, welche die Innenpolitik bis in das Jahr 2014 vorbereitet. Das Ergebnis lässt sich im Abschlussbericht vom Juni nachlesen und soll unter der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft als „Stockholmer Programm“ in Kraft treten. Gefordert wird unter anderem die Einrichtung „konvergenter Netzwerke“, welche über eine große Plattform zusammenzubinden seien. Diese solle den Austausch und die Verknüpfung regional gesammelter Daten ermöglichen und die Basis für einen weiteren „Pool“ an Werkzeugen für Sicherheitsbehörden bilden. Ein bisschen Social Network, ein wenig Web 2.0 – welches sich die neuen Technologien des Internet zu eigen macht, da die traditionellen Maßnahmen zum Schutz der Privatsphäre ihre Wirkung verlören.
Ein weiterer „Clou“ ist die Zusammenführung mehrerer Technologien wie sie heute separat schon genutzt und gut verbreitet sind: „RFID, WLAN, Wimax, Bluetooh oder ZigBee. Hierdurch sei es möglich, in Zukunft immer mehr Objekte in Echtzeit zu verfolgen. „In naher Zukunft würden die meisten Gegenstände digitale Datenströme über ihren Ort und ihre Nutzung generieren und somit letztlich Verhaltensmuster ihrer Anwender offenbaren. Diese könnten von Sicherheitsexperten für die Verhinderung oder Untersuchung von Vorfällen verwendet werden.“ (c´t)
Das Netz zieht sich also immer weiter zu. So wären auch die Erhebung von Echtzeitdaten bei bargeldlosen Einkäufe genauso möglich wie die biometrische Identifizierung durch die Kameras der Videoüberwachung. Laut Statewatch solle zudem ein Komitee für innere Sicherheit auf EU-Ebene gebildet werden, die für die technische Kooperation der europäischen Sicherheitsbehörden wäre.
Neben diesem datenschutzrechtlich bedenklichen Maßnahmenkatalog gäbe es noch eine weitere Tendenz, die politischen Sprengstoff in sich trage: „Die Verwischung der Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit und den sich daraus ableitenden Einsatz von Militär auch im Inneren, da beide Bereiche angesichts terroristischer Bedrohungen als voneinander abhängig angesehen würden.“ (c´t) Im letzten Jahr (auch anlässlich der G8-Demonstrationen) bereits heftig diskutiert und empört von unzähligen Organisationen zurückgewiesen, könnte also die für eine Demokratie so wichtige Trennung von Polizei und Militär nun doch noch unter den Hammer kommen. Angesichts der wachsenden Unmuts in der europäischen Bevölkerung ein heikles bis gefährliches Unterfangen, zumal zu keiner Zeit (auch nicht im Europa-Vertrag) klar definiert wurde, gegen wen sich daraus resultierende Maßnahmen im Innern richten könnten…
Selbstverständlich wird die enge und beständige Zusammenarbeit mit den USA zudem als unerlässlich eingestuft, was weit reichende Folgen mit sich bringen könnte. Denn ganz gleich wer nun Präsident werden sollte, es zeichnet sich keine nennenswerte Änderung der US-Außenpolitik ab.
Das neue Europa wird wohl – etwas anderes steht nicht zu erwarten – sein Gesicht schon im nächsten Jahr zeigen, denn dann soll die Kette an Sicherheitsmaßnahmen in Gang gebracht werden. Das hier der Bürger in irgendeiner Weise in den Entscheidungsprozess eingebunden wird, ist unwahrscheinlich. Es bliebe folglich nur noch eine einzige Freiheit nach: Die Freiheit zu konsumieren…
Noch immer gibt es Menschen, die bei alledem nichts finden, die sich sagen: „Wieso, das hat doch mit mir nichts zu tun – ich bin doch brav…“ Doch was brav ist und was nicht, dass entscheiden in Zukunft andere und so kann es sein, dass genau die Eigenschaften, die man über Jahrzehnte bei uns gefordert und gefördert hat, das politische Engagement und die Verantwortung für das eigene Land, für die Gesellschaft und den Staat, den Weg in die Illegalität nimmt. Es kann sein, dass am Ende von genau der Demokratie die es zu schützen gilt, nichts nachbleibt was sich schützen ließe – und was den Bürger schützen könnte.
Wer sich desinteressiert abwenden oder in hysterischer Attitüde verlieren will, sollte sich näher mit dem Thema befassen, sollte die offiziellen Berichte lesen, mit Datenschützern sprechen oder (zumindest) eins und eins zusammenrechnen. Denn was bringt es uns, wenn all diejenigen die jetzt beschwichtigen hinterher erzählen, sie hätten von alledem nichts gewusst? Was ist, wenn man die Abwiegler hinterher nicht mehr antrifft, da sie auf Tauchstation gegangen sind? Was ist, wenn wir zu lange zuschauen?
Es gibt zahlreiche Organisationen und Einzelpersonen, die sich intensiv mit unserer Freiheit, oder vielmehr mit dem möglichen Verlust der Freiheit, beschäftigen. Und dies sind keinesfalls nur ein paar Paranoiker, sondern Menschen die sich als Warner verstehen. Es kostet nichts sie zu fragen, aber kostet viel nie gefragt zu haben.
Das schlimme ist: Die Grundidee einer Europäischen Union ist durchaus sinnvoll, durchaus attraktiv und wünschenswert. Aber nicht so. Wie soll sich ein Europa auch emotional verbunden fühlen, wenn es zu keiner Zeit auf die Wünsche und Nöte der Menschen eingeht, sondern nur eigene Wünsche durchsetzt – selbst wenn dies die Not seiner Bürger mehrt. In der Geschichte wurde immer wieder versucht, dass Europäische Band zu schmieden und jeder Versuch ist gescheitert. Sollte dieser aktuelle europäische Weg ohne die Bürger gegangen werden, so droht er abermals zu scheitern. Und das in einer Zeit, die Integration und echte Kooperation so dringend nötig hat.
Quelle:
c´t, Stefan Krempel
Statewatch
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