Es ist höchste Zeit, dass wir alle Alltagsrassismus erkennen und was dagegen unternehmen. Aber wie, fragst du dich, sollen wir so einen gewaltigen, die ganze Welt durchziehenden Missstand angehen? Tupoka Ogette hat da was für uns …
Viele denken ja immer noch, Rassismus sei etwas, was irgendwelche obskuren Rechtsradikalen tun würden. Aber wir/ich? Wir gehören doch zu den »Guten« und sind nicht rassistisch. Leider, ist das nicht richtig. Denn Rassismus steckt überall in unserem Alltag drin – oftmals merken weiße Menschen das nicht. Sie haben quasi die Wahl, ob sie sich damit beschäftigen wollen oder nicht, denn sie sind von Rassismus nicht negativ betroffen.
Mir selbst ging es so bis vor einigen Jahren. Ich hatte mir schlicht noch keine Gedanken darüber gemacht und war – darauf angesprochen – erst mal empört, dann traurig, dann verzagt. Wer anfängt zu erkennen, wie tief Rassismus in all unseren Gedanken- und Handlungsmustern steckt, kann schon mal verzweifeln (ähnlich wie beim Sexismus oder Speziezismus). Aber das geht natürlich nicht. Jedenfalls nicht, wenn wir ernsthaft eine bessere Welt anstreben wollen.
Und jetzt du. Ratgeber gegen Alltagsrassismus
Mit diesen Gedanken schlenderte ich neulich durch die Bücherei und hielt direkt auf das neue Buch »Und jetzt du« von Tupoka Ogette zu. Sie ist seit vielen Jahren Beraterin und Trainerin für Rassismuskritik. Ihr erstes Buch »exit RACISM« (das es hier auch als kostenloses Hörbuch gibt: www.exitracism.de) hat mir u.a. damals dabei geholfen, die Augen zu öffnen und die Welt mal aus der Perspektive von Black, Indigenous, People of Color (BIPoC) zu sehen.
Seit dem bin ich auf dem Weg und lerne ständig dazu. Zum Beispiel eben durch »Und jetzt du«. Das Buch baut auf »exit RACISM« auf und will konkrete Beispielideen liefern, was weiße Menschen tun können, um Alltagsrassismus zu beenden. Dabei ist klar, dass niemand eine Schritt-für-Schritt-Anleitung dafür liefern kann, die man einfach »abarbeiten« kann und dann war’s das: Aufgabe gelöst, schlechtes Gewissen adé – nein, so läuft das leider nicht. Ich schätze, die Verzweiflung angesichts dessen, wie die Welt ist, bleibt. Aber mir persönlich hat es doch eine wertvolle Hilfestellung gegeben.
Der Beginn: Das Bewusstsein
Ja, aber wie mache ich es denn nun richtig? Diese Frage ist schwer zu beantworten. Denn uns selbst ist ja niemals klar, welche Muster, Stereotypen und Klischees wir so den lieben langen Tag benutzen. Frauen verhalten sich ja zum Beispiel auch nicht immer emanzipiert, nur weil sie sich als Feministin bezeichnen und sich um eine gleichberechtigte Lebensführung bemühen. Die Denk- und Gefühlsmuster haben sich im Laufe unserer Sozialisierung einfach so tief in unser Unterbewusstsein eingegraben, dass es schwer, vielleicht sogar teilweise unmöglich ist, sie vollkommen zu verändern.
Nichts desto trotz ist sicherlich der erste wichtige Schritt: Die Selbsterkenntnis. Klar, niemand möchte rassistisch sein. Doch wenn du etwas ändern willst, dann musst du dir erst mal eingestehen, wo du es eben doch bist. Diesem Thema widmen sich die ersten beiden Kapitel von »Und jetzt du«. Hier geht es um Themen wie »weiße Zerbrechlichkeit«, Privilegien, Perspektivwechsel und die Frage »Was ist ein Ally?«
Dann: Rassismuskritik in der Praxis
Im dritten Abschnitt steigt Tupoka Ogette dann zunächst in das Privatleben ein und die Frage: Wie können wir in unserem privaten Umfeld Alltagsrassismus (a) erkennen und (b) dagegen angehen? Ogette teilt ihre Erfahrungen, wie du zum Beispiel ein Gespräch über Alltagsrassismus mit Familienangehörigen, Kindern oder Partner:innen führen kannst.
Im vierten Abschnitt widmet sich Tupoka Ogette dann den beruflichen Umfeldern. Zum Beispiel was in Kitas und Schulen so schief laufen kann – und was Erzieher:innen sowie Lehrer:innen besser machen können. Sie benennt Missstände im Bereich »Gesundheit« und was Ärzt:innen und Pflegende dagegen unternehmen können. Und sie nimmt sich natürlich auch Werbung, Medien, Musik, Literatur und Theater vor. Überall immer jeweils nicht nur mit den Hinweisen darauf, wie sich Alltagsrassismus hier zeigt. Sondern eben immer auch mit Ideen dazu, wie es besser laufen kann.
12 Tipps, die du jetzt gleich umsetzen kannst
Die folgenden zwölf Tipps von Tupoka Ogette ersetzen auf keinen Fall die Lektüre des ganzen Buches. Sie sollen dir vielmehr Appettit auf das Buch (und weitere zu dem Thema) machen:
- Führe ein rassismuskritisches Tagebuch, in dem du täglich notierst, was dir aufgefallen ist, was du dir vornimmst, was dir gelungen ist oder was du besser hättest tun können.
- Erwarte keine kostenlos Nachhilfe von Schwarzen Menschen und BIPoC. Nutze Ressourcen, die es bereits gibt (wie zum Beispiel die Bücher oder das Hörbuch von Ogette oder die Zusatzmaterialien auf ihrer Website), um dich zu informieren.
- Lies Bücher zum Thema – nicht nur von einer Person, sondern von Menschen mit unterschiedlichsten Perspektiven und Erfahrungen.
- Lies generell mehr Bücher von BIPoC. Also nicht nur zum Thema »Alltagsrassismus«, sondern auch zu anderen Themen. Ogette schlägt eine 50-50-Prozent-Regel vor. Kleine Nebenübung: Geh doch jetzt gleich mal zu deinem Bücherregal und schaue, wie viele Bücher von PoC du dort hast …
- Wer sind deine zehn engsten Bezugspersonen? Wer davon ist BIPoC? Es ist nicht schlimm, wenn alle weiß sind – nur mach dir mal bewusst, dass das bedeutet, dass du manche Perspektiven schlicht nie mitkriegst.
- Abonniere bewusst Social-Media-Kanäle von BIPoC
- Kaufe bei BIPoC-Unternehmen ein
- Hast du BIPoC-Vorbilder? Auch außerhalb des Unterhaltungsbereichs?
- Gib BIPoC keine ungefragten Ratschläge.
- Sag keine Dinge wie »Ihr seid alle so schön« oder »Ihr könnt alle so gut …«. Wenn du einem BIPoC ein Kompliment machen möchtest, dann mach es persönlich.
- Vermeide Stereotypen, Exitisierungen und Dämonisierungen.
- Nimm Rückmeldungen zu deinem eigenen rassistischen Verhalten als eine Gelegenheit, dazu zu lernen, an. Atme einmal tief durch, entschuldige dich und mach es das nächste Mal einfach besser.
Autorin: Tupoka Ogette
Umfang: 336 Seiten
ISBN: 978-3-328-60218-7
Preis: 22 Euro (Hardcover) / 13 Euro (Paperbeck)
Verlag: Penguin
die Annäherung an das Thema Rassismus ist für meinen Geschmack unballanciert. Damit meine ich nicht einmal nur, dass nur vom Rassismus weißer Menschen gegenüber Andersfarbigen die Rede ist. Damit meine ich, dass eine spezielle Form des lieblosen Verhaltens gegenüber den Mitmenschen herausgegriffen wird und mit Tagebuch etc ein großes Gewicht bekommt. Meiner Meinung nach ist es besser generell in die Herzöffnung gegenüber den Mitmenschen zu kommen. Es gibt ja auch genügend abwertendes Verhalten zwischen Geschlechtern und Altersgruppen, Arm und Reich. Alles mögliche. Das ist aber eine Frage des inneren Reichtums, der inneren Liebe, des inneren Gehaltenseins. Da empfiehlt sich die Arbeit mit dem Inneren Kind beispielsweise, um Mängel zu erkennen und zu heilen