Immer mehr Unternehmen und Politiker*innen versprechen, sich für eine fairere und umweltfreundlichere – kurz eine bessere Welt einsetzen zu wollen. Ist also alles gut? Keineswegs. Im Gegenteil. Es ist nur eine neue Masche, um Profite zu machen, meint Kathrin Hartmann.

Parallel zu dem gleichnamigen Film „Die grüne Lüge“ erscheint das Buch von Kathrin Hartmann – bekannt geworden unter anderem durch ihr Buch „Das Ende der Märchenstunde“. Ihrem Thema bleibt Hartmann neu: Sie richtet ihren Blick dorthin, wo all jene lieber nicht schauen, die nur allzu gerne glauben, dass es reicht, Bio-Produkte zu kaufen – und schon ist unsere Welt gerecht und gerettet. So ist es natürlich nicht.

Vier Branchen stehen Pate

Anhand von vier Branchen – der Energiebranche, der Modeindustrie, der Palmölindustrie und der Fleischindustrie – seziert Kathrin Hartmann die aktuellen Zustände. Sie zeigt, wie perfide die Propaganda des Ölkonzerns BPs ist. Und warum die Obama-Regierung fleißig mit vertuscht habe, wie groß das Ausmaß der Umweltverschmutzung durch die Explosion auf Deepwater Horizon tatsächlich ist.

Sie hinterfragt Mode-Gags wie Kleidung aus Ozeanplastik oder Taschenkollektionen aus Flüchtlingsbooten. Sie schildert, wie zynisch Palmölkonzerne und Modeindustrie vermeintlich Umweltschutz- und Sozial-Siegel als Deckmäntelchen aufbauen. Und sie zeigt wie Fleischkonsum das Land und Leben von Menschen in Brasilien ruiniert.

Warum wir uns nach Greenwashing sehnen

Bei all dem ist ihr wichtig herauszustellen, dass diese Wahnsinn Methode hat. Und dass wir – die Profiteure dieses globalen Unrechtsregimes – uns mittlerweile ein feines Netz an Vertuschungen, Deckmäntelchen und Scheinlösungen gestrickt haben. Alles nur, um uns selbst einreden zu können, dass schon alles gut wird, ohne dass wir unser Leben drastisch ändern müssten.

„Normierung heißt, dass Verhältnisse nicht mehr wahrgenommen werden oder sogar legitim erscheinen. Vor allem, wenn alles so handeln: viel Fleisch essen, viel Auto fahren und fliegen, viele Klamotten und ständig neue, noch weiter entwickelte Smartphones und Computer, alles zu jeder Zeit und möglichst billig – das ist die DNA unserer Gesellschaft“, schreibt sie.

Das können wir uns leisten, weil Unternehmen, Politik, Verbraucher*innen und sogar NGOs die sozialen und ökologischen Folgen unsichtbar machen. Wir wälzen sie einfach auf Menschen und in Gegenden ab, die wir nicht sehen. Ja, wir reden uns sogar ein, die anderen Länder und ihre Menschen könnten zu uns „aufholen“ – und blenden dabei aus, dass wir nur deshalb über unsere Verhältnisse leben können, weil wir andere Menschen, Tiere und die Natur dafür gnadenlos ausbeuten. Würden diese Menschen zu uns „aufholen“ gäbe es unseren Reichtum nicht mehr.

Leider keine Lösung

Genau hier liegt der Knackpunkt. Denn trotz all der schönen Worte und guten Absichten: Weder unsere Politiker*innen noch die Menschen in Europa oder einer anderen Industrienation noch die Firmenchef*innen sind bereit, auf ihr zu dickes Stück Kuchen zu verzichten – zum Wohle aller. Alles andere ist im Grunde Kosmetik. Auf die Idee könnte man zumindest am Ende der Lektüre kommen.

Zwar verbringt Kathrin Hartmann sage und schreibe gut 1% des Buches mit konstruktiven Gedanken – einer Art Trostpflaster am Ende des Buches. Doch sie schafft es damit nicht, auch nur irgendwie Hoffnung zu verbreiten, angesichts all der Katastrophenmeldungen, mit denen sich die restlichen 99% des Buches beschäftigen.

Sicher, den Finger in die Wunde zu legen und auf Missstände hinzuweisen ist wichtig. Sicher, angesichts der Zustände in unserer Welt überfällt sicherlich jeden, der sich damit beschäftigt Wut und Scham und Trauer und Frust. Dennoch fehlen mir in diesem Buch auf jeden Fall die positiven Beispiele – und die gibt es.

Wo bleibt die Hoffnung?

Wo Hartmann die Textil-Siegel entlarvt, die reines Greenwashing sind, könnte sie doch auch gleich noch diejenigen nennen, die vertrauenswürdig und ernst gemeint sind. Wo sie die Scheinheiligkeit und die miesen Tricks der Öl- und Palmölkonzerne anprangert, könnte sie anschließend doch auch über die Firmen berichten, die es besser machen.

Sicher, die sind natürlich nicht so groß und einflussreich wie die negativen Kräfte. Und kann auch sein, dass sie keine Hoffnung hat und davon ausgeht, dass wir dieses System nicht aufhalten können. Doch dann sollte sie den Mut haben das zu schreiben. Wenn sie aber doch Hoffnung hegt – so wie sie das in ihrem letzten schmalen Kapitel angibt. Dann müsste sie die doch auch in anderen entfachen.

So aber bleibt die Leserin und der Leser am Ende nur wütend und gefrustet zurück und hat genau das Gefühl, das Hartmann auf Seite 78 selbst als neoliberalen Mythos kritisiert: Das man als Einzelner nämlich machtlos sei und nichts ausrichten könne. Und so hoffe ich auf ihr nächstes Buch. Vielleicht tritt sie da ja den Beweis an, dass dieser neoliberale Mythos tatsächlich einer ist. Mit diesem Buch hat sie ihn aber leider nur verstärkt…

Lesetipp: Die grüne Lüge von Kathrin Hartmann | für eine bessere Welt

Die grüne Lüge

Weltrettung als profitables Geschäftsmodell

Kathrin Hartmann
ISBN 978-3-89667-609-2
15 Euro
Blessing Verlag
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