Die Geschichte des jungen Kanadiers Tom Szaky muss einfach in den USA spielen. Das bestätigt er selbst in seiner Auto-Unternehmensbiografie. Sie muss in den USA spielen, denn sie erfüllt nahezu perfekt das Klischee vom amerikanischen Traum: vom Tellerwäscher zum Millionär. Nur, dass die Geschichte Ende des letzten Jahrzehnts spielt und deshalb heißt: vom Müllschipper zum Recycling-Millionär. Alles ganz grün und ökologisch natürlich. Wie retten die Welt und verdienen dabei Millionen! Das perfekte LOHAS-Startup…

Nun gut, es stimmt: Wir alle hier in unserer westlichen Konsumwelt erzeugen viel zu viel von dem, was wir „Müll“ nennen. Also Dingen, die wir auf eine Deponie bringen und verbrennen. Erst gestern haben wir zum Beispiel darüber berichtet, dass über die Hälfte aller Lebensmittel in Deutschland kurzerhand zu Müll erklärt werden (obwohl sie noch zu gebrauchen wären!). Dagegen sollte man nicht nur etwas machen. Dagegen müssen wir einfach etwas machen! Nur was?

Tom Szaky hat für sich und alle anderen, die nach einer möglichst bequemen Lösung suchen, eine Antwort gefunden: Wir alle können einfach weiterhin so viel Müll produzieren wie wir wollen – wir müssen ihn nur umdeklarieren und wieder verwenden. So kam Szaky zum Beispiel auf die innovative Idee, Essensabfälle mittels Würmern in Kompost zu verwandeln, diesen Kompost-Dünger in leere Getränke-Plastikflaschen zu füllen und – zunächst US-weit, mittlerweile aber auch in einigen europäischen Ländern – bei Wall-Mart oder The Home Depot zu verkaufen.

 

Abgesehen davon, dass Plastik eine Abbauzeit von 450 Jahren hat – es also nicht damit getan ist, die Flasche einfach zwei oder auch dreimal zu benutzen –, neu ist die Idee natürlich nicht. Unsere Eltern können uns vielleicht nicht mehr davon erzählen – aber auf jeden Fall unsere Großeltern: Wie Mutti damals nach dem Krieg den Anzug von Vati zu Kostümchen für’s Töchterchen umgeschneidert hat. Wie sie Lebensmitteln komplett verarbeitet haben – also etwa auch aus den Blättern von Kolrabis und roten Beeten schmackhaftes Gemüse zubereiteten. Und wie man einen Komposthaufen hinter’m Haus hatte… Das alles ist eigentlich normal. Wir wissen es nur nicht mehr.

Mir scheint, dass für uns das, was in den weitaus meisten Regionen dieser Erde ein vollkommen normales Verhalten ist, eine vollkommen innovative, noch nie da gewesene Idee ist: Ja, man kann sparsam mit Materialien umgehen, sie wieder verwenden, flicken oder reparieren. Und das Beste daran ist, dass wir eigentlich noch nicht mal einen findigen Jungunternehmer brauchen, der uns den Kompost in Plastiflaschen quer durch’s Land oder vielleicht sogar über den Atlantik hinweg zu schickt… Nein, wir alle können uns ganz einfach einen kleinen Kompost auf dem Balkon, im Hinterhof oder im Garten anlegen und die so erzeugte Erde für unsere Balkonkästen, Zimmerpflanzen und Blumen- oder Gemüsebeete nutzen. Das spart sogar die Plastikflaschen und den Sprit…

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Es ist schön, dass es Menschen wie Tom Szaky gibt, die ihren Traum von einer besseren Welt verwirklichen – gegen alle Widerstände. Und sein Traum vom Millionenbusiness (zu dem natürlich auch gehört, dass er standhaft ein Funding von einer Millionen abgelehnt hat, weil er dann seinen Plastikflaschen-Recycling-Gedanken hätte fahren lassen müssen) hört sich sicherlich auch nur  für Deutsche anrüchig an. Ich freue mich aufrichtig für ihn, dass er es geschafft hat, die ganz Großen – wie Wal-Mart, Kraft Foods und Capri Sonne – ins Boot zu holen und dass er es als Shooting-Star auf die Titelseiten von Inc. Magazine und Newsweek geschafft hat. Aber wird man damit die Welt retten?

 

Können gesammelte Plastikflaschen, Kugelschreiberhülsen und Trinktüten ein Wirtschaftssystem umweltfreundlich, menschenfreundlich und zukunftsfähig gestalten, das Ausbeutung, Umweltverschmutzung, Egoismus und grenzenlose Gier fördert (wobei ich mich auch frage, wer um alles in der Welt eine Tasche aus Capri-Sonne-Trinktüten haben möchte)? Reicht es, dem kritischen Verbraucher Binsenweisheiten im neu geschmückten Gewand als innovative Geschäftsidee zu präsentieren – und schon werden wir alle zu naturverträglichen Öko-Konsumenten, die sich nahtlos und dem Cradle-to-Cradle-Prinzip entsprechend in den natürlichen Kreislauf der Ökosystem eingliedern?

Keine Frage: es ist besser, Plastikkugelschreiber einzusammeln und wieder zu verwenden, anstatt sie in einer Mülldeponie zu verbrennen (oder was auch immer damit passiert). Sicher: es macht Spaß, sich zu „Terrcycling-Brigaden“ zusammen zu schließen und sein Gewissen durch das Einsammeln eben jeder Plastikprodukte zu erleichtern. Wir dürfen dies nur nicht verwechseln mit einer ringend notwendigen, echten Lösung unserer tatsächlich existentiellen, globalen Probleme.

Wer nun immer noch Plastikkugelschreiber einsammeln und bei Terracycle einreichen will – was ich besser finde, als gar nichts machen zumal es dafür dann auch noch einen kleinen Spendenbetrag an eine gemeinnützige Organisation gibt –, der kann sich entweder auf der Website http://www.terracycle.de.com/ umschauen und / oder die überaus unterhaltsam geschriebene Autobiografie von Tom Szaky lesen.

Bildquelle: Danke an Rike, Andrea Kusajda und Christa Nöhre via pixelio.de