Ein Lexikon gegen die Sprachmacht der Greenwashing-Mythen

Die Sprachmacht des Greenwashing ist groß. »Worte können sein wie winzige Arsendosen: sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da«, schreibt Viktor Klemperer in seinem Buch »LTI Notizbuch eines Philologen«. Denn welche Worte wir nutzen entscheidet über unsere Wahrnehmung von der Welt und dem, was wir als Realität wahrnehmen.

Über Sprachmacht

Die Nazis waren sicher nicht die ersten, die Sprache für die Manipulierung und Indoktrinierung der Menschen missbrauchten. Doch sie markieren u.a. den Anfang einer genauen Untersuchung der Macht der Sprache. Legendär ist der Deutsche Romanist Viktor Klemperer, der die schleichende Veränderung der Sprache im Dritten Reich untersucht und dokumentiert hat. Seinen Beobachtungen zufolge kommt es zu:

  • Wiederholung und »Einhämmerung« ausgewählter Schlagwörter
  • Übertreibungen und Superlative, wie historisch, global oder alternativlos
  • Wortneuschöpfungen und deren Abwandlungen
  • Bedeutungsveränderungen: Positive Begriffe bekommen eine negative Note
  • Euphemismen (bspw. »Kollateralschäden« statt »Toto von Zivilisten«)
  • Übernahme von Begriffen aus Fachbereichen (Medizin, Technik)
  • Übernahme des Sprachgebrauchs des (Box-)Sports und der Religion

Aus diesen und anderen Erfahrungen und Erkenntnissen hat nicht zuletzt die PR- und Werbe-Industrie gelernt. Sie wissen: Wiederholungen glauben wir Menschen eher als die Wahrheit. Das fand u.a. der Psychologe Norbert Schwarz aus Michigan, USA heraus. Sie fanden heraus, dass Menschen zum Beispiel falsche Kriegspropaganda glauben, je öfter sie diese hörten. Ja, unser Gehirn hört sogar irgendwann auf die Quellen dieser Informationen zu unterscheiden. Es ist also egal, ob wir diese Informationen von vielen Menschen hören oder von nur einem – aber das immer wieder.

Dabei nützt es Nichts, die falschen Informationen zu korrigieren, indem man sie in negierter Version wiederholt: Unser Gehirn kann die Negation nicht wahrnehmen. Vielmehr verfestigt sich dadurch die Falschinformation – und was einmal in unserem Kopf ist, kommt dort unglaublich schwer nur wieder heraus. Das alles macht uns bedauerlich anfällig für Manipulationen. Die Sprachmacht des Greenwashing.

Die Sprachmacht des Greenwashing

Erstaunlich und erschreckend ist, wie gekonnt und ausdauernd sich Politiker und Werbe-Wirtschaft diese Erkenntnisse zunutze machen, wenn es darum geht, das zum Teil umweltschädliche, tier- und menschenfeindliche Handeln zu verschleiern – oder sogar grün zu waschen.  Allen voran der stark gestiegene Gebrauch von Euphemismen – also Worten, die eigentlich negative Dinge und Umstände positiv erscheinen lassen.

So können wir mittlerweile »klimaneutral« fliegen, Fleisch aus »artgerechter« Tierhaltung essen, »recyclebare« Produkte und »abbaubare« Plastiktüten. Wir erleben, dass der »New Deal«, der zu Zeiten Rooesvelts die Wirtschaftskrise in den USA bezwingen half, zum »Green New Deal« umgedichtet wird – und die Debatte um Gerechtigkeit wird allzu schnell zur »Neiddebatte« sowie der Demonstrant zum »Wutbürger« deklassiert wird (Wortneuschöpfungen und Abwandlungen).

Wir bemerken, dass ehemals positiv besetzte Begriffe nach und nach einen negativen Anklang finden – wie zum Beispiel »Nachhaltigkeit« oder »Reform« (womit meist allerdings ein Sozialabbau gemeint ist – es handelt sich also zusätzlich auch noch um ein Euphemismus). Oder dass bestimmte, ehemals unschuldig positiven Begriffe abgenutzt und dubios erscheinen – wie etwa »umweltfreundlich« oder »umweltschonend«. Nun, weitere erhellende Begrifflichkeiten und Hintergrundinformationen findet ihr zum Beispiel bei neusprech.org, beim BUND oder in den Politikforen.de. Das folgende Video zeigt die Sprachmacht des Greenwashing:

 

Ein Lexikon für sauberen Sprachgebrauch

Alles schön und gut – aber was kann man gegen diese Sprachmacht des Greenwashing tun? Natürlich sollte man stets wachsam sein, die Dinge hinterfragen und sich die Manipulationsmechanismen immer wieder bewusst machen. So ganz wird sich niemand dagegen zur Wehr setzen können. Doch wir können versuchen, wieder mehr unsere eigene Sprache zu pflegen und bewusst zu nutzen.

Eine Idee stammt von den US-amerikanischen Filmemachern, Schriftstellern und Ziegenmilchfarmern Douglas Gayeton und Laura Howard-Gayeton: Sie haben viele Vordenker des (nun aber wirklichen) nachhaltigen Lebensstils dazu gebracht, an einen sogenannten »Sustainable Lexicon« zu arbeiten. Damit führen die Amerikaner das fort, was schon die Humanisten mit ihren ersten lexikalischen Werken im Sinn hatten: Den Menschen die Möglichkeit geben, Neues zu denken und Bestehendes zu hinterfragen.

Denn nur, wenn man genau weiß, was zum Beispiel »Freilaufende Hühner« oder »Eier aus Bodenhaltung« genau bedeuten (und das ist in Wirklichkeit nicht so positiv, wie die Formulierungen nahelegen), kann man sich entscheiden, welche Eier man denn nun wo kauft. Und nur wenn wir für Ideen und Alternativen auch die richtigen Begrifflichkeiten kennen, können wir darüber nachdenken und diskutieren. Dazu regen übrigens auch die Aktivisten vom Sustainable Lexikon an: Man kann eine eigene Slideshow der wirklich wunderschönen Bilder (siehe auch Aufmacherbild oben) von Douglas haben, um in seiner eigenen Gemeinde einen Diskussionsabend zu veranstalten.

ilona

ist freie Jour­na­lis­tin, Publizistin, Projekt­ma­che­rin und Medienaktivistin. Seit über zehn Jahren schreibt sie Bücher, Blogposts, macht Podcasts, gibt Workshops und hält Vorträge. Zudem begleitet und berät sie öko-soziale Organisationen, Gemeinschaften, Künstler:innen, Kreative und Aktivist:innen bei der ganzheitlichen und nachhaltigen Planung und Kommunikation ihrer Projekte und Bücher.

1 Kommentar

  • Vor allem in den Hän­den und Köp­fen von krea­ti­ven Men­schen kann Per­ma­kul­tur mei­ner Mei­nung nach eine ganz beson­dere Kraft ent­fal­ten. Die Per­ma­kul­tur kann hilf­rei­che Anre­gun­gen für die Gestal­tung unse­rer Kom­mu­ni­ka­tion – sei es nun via Social Web, Texte, Bil­dern, Fil­men, Büchern oder was auch immer – sein. Sie lässt sich sogar – wie ich beim Work­shop letzte Woche gese­hen habe – auf Thea­ter­stü­cke und Per­for­man­ces ausweiten.

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