„Wie kann ich andere zum Weltverbessern bringen?“ Diese Frage beschäftigt viele, die sich für eine bessere Welt engagieren. Uns auch. Doch hilft uns das weiter? Ein paar Gedanken…

Gerade komme ich von einem sehr intensiven Workshop zurück: Ein verlängertes Wochenende lang haben sich 17 Menschen darüber Gedanken gemacht, wie und ob sie die SDGs (Sustainable Development Goals) praktisch verwirklichen könnten. Es kamen Menschen aus der Naturschutzbewegung zusammen, aus Gewerkschaften, sozialen Organisationen, der Kirche und vielen weiteren, zivilgesellschaftlichen Zusammenhängen.

Eine bunt gemischte Gruppe also. Doch alle beschäftigte Fragen wie: Was können wir tun, um anderen Menschen begreiflich zu machen, dass sie ihr Leben fairer und nachhaltiger gestalten müssen? Wie können wir ihnen zeigen, dass das nicht schlimm ist, sondern mit einem Plus an Lebensqualität und Zufriedenheit verbunden? Und wie können wir Menschen motivieren und begeistern und dennoch mit schwierigen Themen und Gefühlen konfrontieren, die mit den aktuellen Entwicklungen nun mal verbunden sind?

Darf ich anderen sagen, was sie tun sollen?

Auch ich stellte und stelle mir diese Fragen immer wieder. Es ist immerhin mit ein Grund, warum ich zusammen mit Marek Bücher schreibe, diesen Blog hier betreibe und den Video-Blog bei jetztrettenwirdiewelt.de Und auch ich kenne das Gefühl von Ohnmacht und Verzweiflung, wenn ich Menschen um mich herum beobachte, wie sie gedankenlos und vermutlich unwissend für millionenfaches Leid sorgen.

Zugleich aber stehe ich diesem Anliegen auch skeptisch gegenüber. Ich weiß, dass Katastrophen wie die Klimakrise oder das Artensterben ein Ausmaß und eine Geschwindigkeit angenommen haben, die langes Zaudern eigentlich verbieten. Und dennoch bin ich nicht davon überzeugt, dass ich andere Menschen zu einem umweltfreundlichen Lebensstil überreden kann. Der Wunsch zur Veränderung muss von ihnen ausgehen. Andernfalls kann ich die Menschen nur durch Druck dazu bewegen.

Und dieser Druck kann bereits sehr subtil sein: Schuld und Scham zu erwecken ist ein gängiges Mittel, um andere dazu zu bringen, sich so zu verhalten, wie man selbst das für richtig hält. Doch dann werden sich die Menschen im „besten“ Falle nur so lange an meine Vorgaben halten, wie ich (oder jemand anderes) hinguckt. Die Veränderung des Verhaltens ist dann aber nur von außen motiviert und nicht von innen.

Wer sich auf diese Weise unfreiwillig ökologisch und sozial verhält, der erfährt das tatsächlich als eine Art von Verzicht. Der lernt niemals die Bereicherung kennen, die mit dem gleichen Verhalten verbunden sein kann – wenn ich sie denn wirklich freiwillig und aus innerer Einsicht heraus tue.

Weltverbessern fängt bei mir an

Es kommt aber auch noch ein zweiter Punkt hinzu, warum ich skeptisch bin, ob es sinnvoll ist, in Gedanken so oft bei der Bewertung anderer zu verweilen. Und das ist meine Beobachtung, dass wir uns alle – auch diejenigen, die umweltfreundlich und fair leben wollen – auf einem Weg befinden. Ein Beispiel: In diesem Workshop berichtete mir eine Teilnehmerin von ihrer Nachbarin, die zwar Bio-Lebensmittel kauft, aber ansonsten ein ziemlich umfangreiches Konsumleben führt – also nicht gerade die Umwelt schützt.

Während wir im Gespräch waren, fiel mir mein Mehrweg-Coffee-to-go-Becher aus der Tasche. Sie fragte mich, was das sei und ich erklärte ihr, dass ich keine Einweg-Coffee-to-go-Becher mehr benutzen möchte, um unnötigen Müll zu vermeiden. Ihre Reaktion überraschte mich: „Das brauche ich nicht. Ich kaufe mir nur ab und zu einen Kaffee zum Mitnehmen – und die paar Becher…“.

Eine vergleichbare Reaktion kann jemand anderes bestimmt auch bei mir beobachten. Ich erzähle diese Geschichte nicht, um mich über die Teilnehmerin zu stellen. Sondern um eine allgemeine Eigenart von uns Menschen zu dokumentieren: Uns fällt es allen leicht, die Fehler der anderen zu sehen. Dummerweise entgeht uns dabei genau das, was wir verändern können: unser eigenes Verhalten.

Zivilcourage ist notwendig, aber…

Ich will damit nicht sagen, dass wir niemals andere korrigieren oder für unsere Werte und Überzeugungen einstehen sollten. Zum Beispiel finde ich, dass wir zu den immer häufiger zu hörenden anti-muslimischen, rassistischen Äußerungen von immer mehr Menschen nicht schweigen dürfen. Wir brauchen Menschen mit Zivilcourage, die scheinbar unterhinterfragbares hinterfragen. Zum Beispiel: Ist unser Lebensstandard, der ganz offensichtlich nur auf Kosten anderer Lebewesen möglich ist, ethisch tragbar?

Doch mir scheint, dass wir die Debatte öffentlich und losgelöst vom Individuum führen müssen. Wir verwenden in Gesprächen und Gedanken viel Energie darauf, über andere zu urteilen – ja, sie sogar zu verurteilen. Sollten wir da nicht vielmehr unsere Zeit und Energie darin investieren, die allgemeinen Rahmenbedingungen zu verändern: geschriebene und ungeschriebene Gesetze.

… wir sollten unseren Handlungsspielraum sehen

Und wir sollten unbedingt auch bei uns selbst anfangen: In oben geschilderten Fall könnte die Frau ganz einfach etwas zum Umweltschutz beitragen, in dem sie sich auch einen Mehrweg-Coffee-to-go-Becher holt, anstatt über ihre Nachbarin zu klagen. Warum uns das so schwer fällt, ist aus meiner Sicht unter anderem dadurch begründet, weil wir in unserer Konkurrenzgesellschaft ungerne Fehler eingestehen und diese als Schwäche und nicht als Möglichkeit des Wachsens sehen.

Mit anderen Worten: Würde diese Frau (sich selbst) eingestehen, dass es nicht so gut war, dass sie bislang Einweg-Coffee-to-go-Becher genutzt hat, würde sie sich schlechter fühlen, als wenn sie darüber nachdenkt, dass sie es viel besser als ihre Nachbarin macht. Diese Haltung – die wir alle mehr oder weniger haben, weil sie uns von Kindesbeinen an eingebläut wurde – ist Teil des Problems. Es hindert uns daran, uns so schnell und so positiv (für uns und andere) wie möglich weiter zu entwickeln.

Ermutigung ist ein Schlüssel

Ermutigung ist dabei ein wichtiger Schlüssel: Sich selbst zu ermutigen auf dem eigenen Weg, trägt dazu bei, dass man leichter eigene Fehler und Schwächen eingestehen kann. Wer sich selbst ermutigt – also das sieht, was er oder sie an Positiven schon erreicht und vollbracht hat – kann erkennen, dass aus Fehlern und Schwächen etwas Gutes erwachsen kann.

Und wer andere ermutigt, der sieht, dass auch sie sich auf einem Weg befinden. Vielleicht sind sie weiter. Vielleicht sind sie noch nicht so weit gekommen. Aber das spielt keine Rolle, denn es kommt dann auf die Schritte – vielleicht sogar auch nur auf das Bemühen darum an. Wer sich und andere so sehen kann, entwickelt eine – wie ich finde – ungemein wichtige Fähigkeit: Die sich selbst und andere zu lieben. Oder als Vorstufe dazu zumindest, zu akzeptieren.

Das wiederum ist der erste Schritt hin zu Gemeinschaft. Und erst in der Gemeinschaft können wir die drängenden Fragen unserer Zeit klären. Keiner von uns wird die Welt als Individuum retten können. Und doch sehen wir uns ständig selbst so: Als von den anderen getrenntes Lebewesen, das kämpfen muss, um seine oder ihre Sichtweise durchzusetzen.