Mit Mäusen fängt man Speck? Die Alternativwährung Bitcoin soll den Finanzmarkt zittern lassen…

„Bitcoin ist ein großer Organismus … es gibt nicht wirklich Geld, es gibt nur Transaktionen“, beschreibt Andreas Bogk, seines Zeichens „Senior Hacker“ im Gespräch mit Tim Pritlove, Macher der Podcasts Chaosradio des Chaos Computer Clubs (CCC). Andere sehen das nicht so nüchtern, sondern steigern sich in emotionale Ausnahmezustände: entweder in Begeisterung oder in Panikmache. Jason Calacanis vom Investormagazin „This Week in Startups“ meinte, dass die P2P-Währung das gefährlichste Projekt sei, das er jemals zu Gesicht bekommen habe.

Seitdem ist die Alternativwährung in den Schlagzeilen. Kein Wunder, denn wohl spätestens seit Napster zittert die Wirtschaft – spätestens seit Wikileaks die Regierungen (und die Wirtschaft) vor Aktivitäten der „weltverbessernden“ Hacktivisten. Denn ähnlich wie Napster die klassische Musikindustrie kurzerhand umging, will auch der Bitcoin die klassischen Banken umschiffen: Über eine Opensource-Software kann man Mitglied des Bitcoin-Netzwerks werden und – sobald man Bitcoins gegen eine klassische Währung eingetauscht hat – mitmachen.

Der Vorteil: Wie bei Bargeld bleiben die Menschen anonym. Das wiederum veranlasst Bedenkenträger natürlich zu der Vermutung, mit dem Bitcoin würden künftig Geldwäsche, illegale Geschäfte und Steuerhinterziehung exorbitant zunehmen. Ganz zu schweigen von den unbeschreiblichen Möglichkeiten, die sich dann dem internationalen Terrorismus böten. Sicher, derlei Möglichkeiten sind nicht von der Hand zu weisen – mir ist allerdings auch schon zu Ohren gekommen, dass alle diese Dinge auch im klassischen (stark liberalisierten) Finanzmarkt möglich seien…

Abgesehen davon hat der Bitcoin jedoch noch einen weiteren, für manchen aus der Aktivisten-Szene bedeutsamen Vorteil: abgesehen davon, dass die Transaktionskosten geringer ausfallen – schließlich entfallen Kontoführungsgebühren etc – und die Überweisungen zudem wesentlich schneller erfolgen (nämlich sofort anstatt innerhalb einiger Tage) können Konten nicht eingefroren werden. Ein Grund wohl, warum Wikileaks laut sueddeutsche.de bei Bitcoin eingestiegen ist, der in Sachen PayPal ja bekanntermaßen recht schlechte Erfahrungen gemacht hat.

Und so hat der Bitcoin in den vergangenen Wochen einen erstaunlichen Höhenflug hingelegt: Dümpelte der Preis pro Bitcom lange Zeit bei 50 Cent bis 1 US-Dollar, so stieg er zeitweilig bis auf über 30 US-Dollar / Bitcoin und liegt heute bei etwa 20 US-Dollar/Botcoin. Und das bei entsprechenden Umsätzen, die Bogk auf bis zu 1 Mio. Dollar pro Tag beziffert! „Ein ungewöhnlicher Erfolg für eine alternative Währung“, resümiert er ganz richtig.

Nichts desto trotz ist auch er skeptisch, da die Hacker hinter dem Bitcoin zum Teil „Anarcho-Kapitalisten“ seien, die Forderungen hegten wir die komplette Abschaffung des Staats oder freier Waffenbesitz für jeden… Gestern dann berichtete Heise.de vom ersten Bitcoin-Diebstahl: rund 25.000 Bitcoins (aktueller Wert rund 500.000 US-Dollar) seien über Nacht verschwunden, was die public Logfile belegten… Nicht unbedingt vertrauensfördernde Entwicklungen.

Bei all dem Charme, den die Vorstellung hätte, einige der so unsäglich zerstörerischen und gehasten Banken zu umgehen und damit in ihrer Macht zu beschneiden (wenn dies die Regierungen schon nicht tun). Der Hype um den Bitcoin auch und vor allem durch dieses Misstrauen und den damit verbundenen Rachegelüsten entspringen – anstatt einer echten, vertrauenswürdigen Alternative.

Die Bitcoin-Bewegung führt damit vor allem vor, was technisch möglich ist. Das ist faszinierend und inspirierend. Ob die Sache auf ausreichend demokratischen und sozialen Füssen steht, kann ich bislang nicht sagen. Dazu müsste man wohl diesen Ansatz kombinieren mit den Ideen und Gedanken der ersten Demokratischen Bank Österreichs – oder den zahlreichen Regional- und Alternativwährungen, die es bereits seit Jahren im RL (real live) gibt (siehe dazu auch unser Audio-Interview inklusive Link-Verzeichnis).

Bild: Andrea Märker, www.pixelio.de