Die Amerikaner sind nicht zimperlich, heißt es. Ob bei der Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen mit Panzern und Raketen, ob diplomatisch beim Tauziehen um den „Better Way of Life“, wirtschaftlich gegenüber kleineren Staaten oder eben politisch beim Ringkampf zwischen Konservativen und Demokraten.

Neben den Massenmedien, die wie Fernsehsender FOX kein Blatt vor den Mund nehmen, fiel in der letzten Zeit immer wieder die rechtskonservative Gallionsfigur der Tea-Party-Bewegung, Sarah Palin, auf. Nach dem Attentat auf die Demokratin Gabrielle  Giffords kochen abermals die Gemüter hoch. Denn kurz zuvor hatte Palin eine „Target-List“ verwendet, um Stimmung gegen unliebsame Demokraten zu machen.

Was ist los mit unserem Vorbild?

Was ist denn da los in Amerika? Unserem großen Vorbild? Jetzt haben wir doch immer gelernt, dass hier irgendwie die Wiege der Demokratie läge, von der sich andere Länder haben inspirieren lassen. Ein Land, von dem man sich eine Scheibe abschneiden könne. Ein Land, in dem jeder alles sein und werden kann, was er will. Ein Land, dass für fortschrittliches Denken und den freiheitlichen Geist stünde – so ganz anders als Russland. Und dann gibt es doch auch noch Barack Obama, den ersten schwarzen Präsidenten in der Geschichte des Landes, den Erlöser der Gebeutelten und Geknechteten, den Messias der westlichen Welt, den wir am liebsten „ganz Deutschland“ gleich mit gewählt hätte. Und nun das.

Erst hören wir, dass das mit der Befreiung der Welt nun mal doch nicht so einfach sei und etwas länger dauere. Dann wundern wir uns darüber, dass Herr Obama sein Kabinett aus Bankern und alten Chicago-Boys besetzt. Nun denn, wenn es der Sache hilft, haben wir natürlich alle gedacht. Und als Obama einen Neustart der Krankenversorgung für gaaaaaanz Amerika durchsetzen wollte, war das doch klasse oder nicht? Wenn jemand sagte, dass hier massive Lobby-Arbeit stattfand, dann hatte er einen an der Murmel. Tja, und dann kommen die Fans der verrückten Tea-Party und machen irgendwie alles kaputt.

Von wegen, erst mal abwarten und Tee trinken…

Mal ehrlich, auch die Teetrinker machen nicht gerade einen seriösen Eindruck. Man beruft sich zwar namentlich auf die „Boston Tea-Party“, bei der als Indianer verkleidete Bostoner Bürger – ach o Schreck – 1773 aus Protest gegenüber der britischen Kolonialpolitik drei Ladungen Tee im Hafen versenkten… Doch bei alledem was die heutigen Namensvetter so von sich geben, ist der Vergleich äußerst zynisch gewählt. Denn die heutige Bewegung ist eine vom rechten Establishment lancierte Propagandabewegung gegen die Demokraten, gegen Obama und seine Politik.

Wenn man so von Draußen auf das Geschehen schaut, dann fragt man sich was das Ganze wirklich soll. Immerhin sind die USA finanziell so ziemlich am Ende, pfeifen aus dem letzten Loch und sind bis unter die Hutschnur verschuldet. Und daran sind die Konservativen nicht ganz unschuldig, wenn man sich vor Augen hält, wer an der Regierung war und durch seine Gesetze und Fiskalpolitik die weltweite Krise mit anfachen half. Irgendwie ist in diesem Spielchen keiner der Good Guy, geht es gar nicht wirklich um die Menschen, nicht mal um das Land, so wie beide Seiten Glauben machen wollen.

Was aber bei dem ewigen Gezänke und die Macht deutlich wird ist, dass die in den letzten Monaten immer weiter dramatisierende Rhetorik die Köpfe vergiftet hat. Das politische Klima hat auf das gesellschaftliche Klima abgefärbt, dass beginnen die Menschen zu merken – hofft man. Von wegen, erst mal abwarten und Tee trinken…

Palin, Palin

Ganz vorne weg die konservative Politikerin Sarah Palin, immerhin Vizepräsidentschaftskandidatin beim Wahlkampf gegen Barack Obama. Eine Frau, die man nicht unbedingt als Raketenforscherin bezeichnen kann und die schon häufig mit politischem Unwissen und peinlichen Situationen aufzufallen wusste. Doch irgendwie scheint ein gewisser Teil der Konservativen auf diese Frau abzufahren.

Palin war 2006 bis Juli 2009 immerhin (erste) Gouverneurin des US-Bundesstaates Alaska, weiß wie man einen Elch erlegen und häuten kann, sie forderte die Todesstrafe für Julian Assange, dem WIKILEAKS-Gründer, und geht auch ansonsten nicht gerade zimperlich mit politischen Gegnern um. Das sie dabei auch schon mal Nord- und Südkorea verwechselt trägt man ihr nicht nach, hat sie doch das Herz auf dem rechten (!) Fleck.

Genau diese Sarah Palin hatte März 2010 durch das Politische Action Committee „PACSarah“ eine sogenannte „Target-Liste“ zeigen lassen, auf der angezeigt wurde, wo sich die verhassten demokratischen Gegner (und Befürworter von Obamas Gesundheitsreform) befinden. Sehr bitter, wurden deren Distrikte doch mit kleinen Zielscheiben dargestellt. Dazu wurde die kämpferische Parole „Nicht zurückziehen, durchladen!“ ausgegeben. Wie sollte man das nur verstehen? War das ein Aufruf zum politischen Mord, oder gar zu einem echten?

Der Attentäter der nun die Kugeln auf Gabrielle Giffords abgegeben hat, mag selbst nicht viel von Palin halten. Es heißt, er habe sich seine „Inspiration“ von anderen Einpeitschern geholt. Doch eins wird durch die Tragödie deutlich: Amerika befindet sich nicht nur wirtschaftlich, sondern gleichfalls politisch und gesellschaftlich im Ausnahmezustand. Durch die von beiden Seiten, Demokraten und Republikanern, hoch geschaukelte Dramatik, wie auch dem durch aggressive Rhetorik angestachelten gesellschaftlichen Klima kommt es immer häufiger zu Hassausbrüchen, gewaltätigen Übergriffen, scheint ein demokratischer Diskurs immer schwieriger.

Politisch, taktisches Kalkül gebärt gesellschaftliche Ekzesse

Klar, Frau Palin will am liebsten Präsidentin werden (mal ordentlich durchladen), und Obama will den Stuhl nicht hergeben. Doch bei dem taktischen Kalkül beider Seiten bleibt der soziale Friede auf der Strecke. Man müsste doch politisch klug genug sein zu erkennen, das die USA gerade in diesen Zeiten Zusammenhalt dringend nötig haben. Ansonsten kann man es doch gleich wie in Russland machen und jedwede Opposition im Keim ersticken.

Politische Diskussion und ein freier Austausch von Meinungen sind Grundlage der Demokratie – auch in den USA. Hier haben sich die USA ohnehin seit 2001 auf einen zweifelhaften Kurs begeben (Patriot Act & Co.) Die Tea-Party-Bewegung warnt zwar vor dem dräuenden „Kommunismus“ der durch Obama über das Land zu kommen drohe, doch das ist nichts als heiße Luft…

Wenn man sich die Vorgehensweise der konservativen Kräfte – auch schon zu Zeiten von Präsident Bush – ansieht, so stellt man doch umso deutlicher fest, dass man hier überhaupt nicht zimperlich war, auch „kommunistische“ Machtstrukturen zu etablieren. Ein Präsident der sich nicht nur zum Rambo der freien Welt erklärt, sonder darüber hinaus alle demokratischen Gepflogenheiten, wie zum Beispiel das Recht auf freie Rede, einzuschränken in der Lage war… ist der nun demokratisch? Ich benutze das Wort nicht gern, aber mir erscheint dieses Gerede um Demokratie und Kommunismus als reines „Gesülze“.

In Wahrheit gibt es keinen Unterschied. In Wahrheit, auch hier in Europa und Deutschland, ziehen alle Politiker der „großen Volksparteien“ am selben Strang, haben alle einen Rückgang der tatsächlichen Demokratie betrieben und sich gegen Kernsätze der Freiheit ausgesprochen und verhalten. Nur weil Amerika das so wollte und die Welt mit ihrem Terrorkampf ganz wuschig machte.

Vorbild für Europa?

Das Vorgehen der Konservativen in den USA könnte jedoch auch irgendwann zum Vorbild für die Konservativen hier bei uns in Europa werden, wenn es das nicht schon längst ist. Die größte Gefahr besteht in der Verführung schlichter Gemüter zur Gewalt, zur Eingrenzung von Sichtweisen und damit auch zur Intoleranz gegenüber Andersdenkenden. Das wäre abscheulich und genau das Gegenteil von dem was wir im Moment brauchen. Es gibt eine ganze Reihe von politischen Kräften die hier eine Rhetorik etablieren, die schlimmer ist, als ein Schwert in der Hand eines Wahnsinnigen. Was daraus werden kann, sieht man jetzt in den USA. Wobei dies, wenn es so weiter geht, nur eine Ouvertüre ist.

Wie immer gäbe es auch hier eine Lösung, doch diese geht (wie meistens) nicht von der politischen Szene aus. Auch bei uns in Deutschland haben Politiker und Medien die Rhetorik verschärft, beginnen sich nun Demagogen die demokratischen Masken herunter zu reißen. Wahrscheinlich eine ganz logische gesellschaftliche Entwicklung, denn wenn erst einmal durch die (gemachte) Wirtschaftskrise alle Strukturen weg brechen die der Mensch braucht, um sich sicher und geborgen in der Gesellschaft zu fühlen, dann ist Zeit für die Hassprediger – aller erdenklichen Couleur. In diesen Zeiten erkennt man recht schnell wer es gut und ehrlich mit den Menschen meint. Jeder der Hass predigt, egal, welches politische oder religiöse Konzept er vorschiebt ist, kann kein Befürworter friedlicher Lösungen sein.

Und immer wieder: Wer die gigantischen Probleme die wir haben ernsthaft lösen will, muss ein Menschenfreund sein! Er muss ehrlichen Herzens Gutes für alle wollen, nicht nur für sich und seinesgleichen. Man sagt zwar das sei wider die Natur, doch dem ist nicht so. Auch wenn es ein schwieriges Geschäft ist, so braucht es Menschen die immer dann Milde und Einsicht, Güte und Weisheit bieten – wo andere nichts als Hass und Wahnsinn einbringen.

An diesen Menschen, an diesen Vorbildern müssen wir uns orientieren, um selbst als Gesellschaften, Kulturen und gar als Spezies überleben zu wollen, und das nicht für uns allein, sondern im Einklang mit der Welt die uns umgibt. Wer die Menschen die das zu erreichen hoffen als „Gutmenschen“ bezeichnet und sie so zu diskreditieren wünscht, kann nur selbst ein „Bösling“ bezeichnet werden und gehört nicht in verantwortungsvolle Position. Dafür ist die Lage zu ernst und unser aller Zukunft zu wichtig!!