Was wir am besten könnten – so tönten EU-Politiker angesichts der Proteste für Demokratie in Ägypten vollmundig – das sei die Demokratie selbst. Nein, keine Waffen, auch keine Technik, sondern eines der zivilisatorischen Errungenschaft der Menschheit schlechthin: die „Volksherrschaft“. Nun gut – da mag manch einer angesichts des Lobby-Sumpfs Brüssel gründlich am Kopf kratzen. Oder doch zumindest zaudern und zagen. Doch auch wir lassen uns das nicht länger gefallen – oder doch? Die Organisation LobbyControl macht es uns jedenfalls so einfach wie möglich: sie hat eine neue Aktion gestartet. „Seitenwechsel“ heißt sie. Und sie ist unbedingt unterstützenswert.

„Das Parlament muss verhindern, dass die aus dem Amt geschiedenen Kommissare ihre Kontakte und Kenntnisse auch zukünftig an den Meistbietenden verkaufen und ihnen damit privilegierte Zugänge in die EU-Kommission gewähren können“, fordert Nina Katzemich von LobbyControl und ergänzt: “Denn wo strategische Vorteile bei der politischen Einflussnahme erkauft werden können, geraten gesamt gesellschaft liche Interessen leicht unter die Räder.“ Ursache ihrer Forderungen ist der jüngste Entwurf für einen neuen Verhaltenskodex für EU-Kommissarinnen und –Kommissare, der am 10. Februar von Fraktionsvorsitzenden, Präsident das EU-Parlaments und der EU-Kommission diskutiert werden soll.

Diese Forderungen sind umso brisanter und dringlicher, als laut LobbyControl im vergangenen Jahr sechs von dreizehn Kommissaren  innerhalb weniger Monate nach ihrem Amtsende in gutbezahlte Tätigkeiten wechselten, in denen Lobbyarbeit zumindest eine Teilaufgabe ist (weitere Informationen zu den einzelnen Fällen finden Sie in unserer Lobbypedia-Datenbank www.lobbypedia.de/index.php/Seitenwechsler_auf_EU-Ebene)

LobbyControl geht dieser Entwurf allerdings nicht weit genug. Im Mittelpunkt des offenen Briefes, den LobbyControl an die „Konferenz der Präsidenten“ schickte, waren vor allem drei Kernforderungen:

1// EU-Politiker sollten nach ihrer Amtsniederlegung nicht 1,5 Jahre, sondern 3 Jahre lang Rechenschaft über ihre Tätigkeit abgeben. Schließlich könnten die Kommisare laut LobbyControl auch drei Jahre Übergangsgelder von der EU-Kommission beziehen, die ihnen zum Erhalt der Unabhängigkeit beim Wechsel in einen neuen Job dienen sollen.

2// In diesen drei Jahren sollen ehemalige Kommissarinnen und Kommissare keinerlei bezahlte Lobby- oder Lobbyberatungstätigkeiten übernehmen dürfen – auch nicht zu Themen außerhalb ihres früheren Zuständigkeitsbereichs. Denn auch außerhalb ihrer Themenbereiche geben sie ausgezeichnete Türöffner ab und haben interne Kenntnisse über die Funktionsweisen der Kommission.

3// Das Ethik-Komitee, das über mögliche Interessenkonflikte entscheidet, muss aus unabhängigen Expertinnen und Experten zusammengesetzt sein. Zudem muss es eigene Nachforschungen betreiben, statt den Aussagen der ehemaligen Kommissare zu den Inhalten ihrer neuen Tätigkeiten einfach Glauben zu schenken. Die Empfehlungen des Komitees und die Entscheidungen der Kommission müssen veröffentlicht werden.

Weitere Einzelheiten zur Kritik am vorliegenden Entwurf liefert LobbyControl unter: www.lobbycontrol.de/blog/index.php?p=5573

Den offenen Brief unterzeichnen kann man hier: www.lobbycontrol.de/blog/

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