Es ist schon etwas schizophren: Diverse Bundespolitiker stellen sich vor die Kameras und garantieren uns, dass ihre Schutzschirme, Konjunkturprogramme und anderen Maßnahmen gut und richtig seien – ob man ihnen glaubt, ist noch eine andere Sache… Doch darüber, dass noch nicht einmal der Bundestag darüber entscheiden kann, wie die Gelder letztlich verwendet werden, erfahren wir nur am Rande.

Sie unterstützen also etwas, dass sie – zumindest offiziell – nicht beeinflussen können? Das erstaunt nicht nur, sondern sollte Anlaß zu großer Sorge sein. Denn: Nehmen wir mal an, alles geht den Bach herunter, wer ist dann der Bock und wer der Gärtner? Das Parlament entmachtet sich in dieser wichtigen Frage selbst. Und das soll bei uns das Vertrauen mehren? Wer sind denn nun diese Experten, die unsere Gelder verteilen? Sind sie seriös? Handeln sie klug? Handeln sie überhaupt in unserem Interesse? Wir werden es wohl noch früher erfahren als uns lieb ist.

Die Bundesregierung hat ihr Gesetz zur Rettung angeschlagener Banken (Finanzmarktstabilisierungsfonds-Gesetz) und die Rechtsverordnung zu dessen Umsetzung (Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung) bereits verabschiedet. Doch wie das Ganze abgewickelt wird, wer hier in unser aller Namen entscheidet und ob diese Maßnahmen nicht gleich im nächsten Desaster enden könnten, das erfahren wir nicht.

Fachleute bleiben unter sich

Allgemein, so heißt es, entscheidet das Bundesfinanzministerium, dem ein „hochkarätiges“ fünfköpfiges Team – der so genannte „Lenkungsausschuß“ unterstellt ist. Weisungsbefugt ist man gegenüber die „Finanzmarktstabilisierungsanstalt“, die wiederum bei der Bundesbank angesiedelt ist. So erhofft man von der Kompetenz der Fachleute zu profitieren, wahrt zudem auch ihre Unabhängigkeit. Kann funktionieren, wenn die Entscheidungen richtig sind. Kann aber auch fürchterlich in die Hose gehen, wenn es die falschen Entscheidungen sind. Wie aber will man dies parlamentarisch kontrollieren, wenn doch das Gremium zur Verschwiegenheit verpflichtet ist?

Die im Eilverfahren verabschiedeten Rettungsfonds beinhalten Bürgschaften und Finanzhilfen in Höhe von 480 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der Bundeshaushalt für 2008 wurde zunächst mit rund 283,2 Milliarden Euro festgelegt! Die Staatsschulden, für deren Ausgleich wir ja mehrere Jahre Steuererhöhungen hingenehmen, zugleich auf Staatsleistungen etc. verzichten und den Gürtel enger schnallen mussten, explodieren in ungeahnte Dimensionen. Das schuldhafte Verhalten des Finanzmärkte, welches zu schuldhaften Investitionspraktiken bei den Banken führte, die wiederum nun ihre Schulden durch Staatsvermögen tilgen und so die Staatsverschuldung erhöhen, bringt den Strudel erst so richtig in Fahrt. Schlechtem Geld noch mehr Geld hinterher zu werfen… keine gute Idee.

Und bei allem gilt es nicht zu vergessen, dass die Quellen dieser neuen Gelder, die Zentralbanken mit der Lizenz zum Gelddrucken, nicht staatlich, sondern in privater Hand sind. Die Schuldzinsen kommen also nicht mal dem Staat zugute, sondern lediglich einigen Privatinvestoren. Der Staat darf sich dann erneut verschulden, um diese Schulden abzuzahlen. Die politischen Vertreter von heute sind dann nicht mehr greifbar – wahrscheinlich muss man sie mit dem Fernglas suchen.

Und in diesem verfilzten Geflecht aus Nutznießern, Krisengewinnlern und moralisierenden Politikern bleiben die ahnungslosen, ängstlichen Bürgern außen vor. Sie dürfen bürgen (sind ja nun mal Bürger) und zahlen was die ReGIERungen indirekt über ihre „Kompetenzteams“ beschließen – auch wenn sie keinerlei Details erfahren, geschweige denn in irgend einer Weise Mitspracherecht hätten.

Das Konstrukt der SoFFin

Der „Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung Finanzmarktstabilisierungsanstalt“, kurz SoFFin genannt, wird vom so genannten „Leitungsauschuß“ verwaltet, doch die eigentliche Entscheidungskompetenz liegt beim „Lenkungsauschuß“, in dem ein Vertreter des Bundeskanzleramtes, der Bundesministerien für Finanzen, Justiz, Wirtschaft und Technologie sowie ein Vertreter der Länder sitzen.

Jede Leistungsentscheidung des Leitungsausschusses muss vom Lenkungsausschuß genehmigt werden. Ein unsinnig kompliziertes Konstrukt, dass durch seine Geheimhaltung nicht durchsichter und gewiß auch nicht erfolgreicher wird. Mal ganz abgesehen davon, dass sich die Ausschüsse untereinander wohl auch nicht immer ganz einig sind.

Man wird bei alledem den unbestimmten Gedanken nicht los, dass hier einige Spekulanten erst am Niedergang der Kapitalmärkte verdient haben und nun noch einmal durch die Übernahme der von ihnen gemachten Schulden – und ein drittes Mal, sofern sie zu denen gehören, die hier die Märkte mit (natürlich verzinsten) Millarden überschwemmen. Wer nicht zurück zahlen kann, wird an die Wand gefahren oder enteignet. Mal sehen, ob man hier bei den Banken halt macht…

Deutschland ist verschuldet und das nicht zu knapp. Bereits im Juni, also noch vor den Horrormillardenpaketen, schrieb hierzu die WirtschaftsWoche, dass die Zahlen ernüchternd seien. So wäre jeder neu geborene Deutsche bereits mit Schulden in Höhe von 18.000 Euro durch Bund und Land belastet. Dazu käme:

Rechnet man zu den Schulden der öffentlichen Hand noch die „verdeckte“ Staatsverschuldung hinzu, also ungedeckte Zusagen aus den Sozialversicherungen für die kommenden Jahrzehnte, steckt jeder Bürger von Staats wegen sogar mit 63.000 Euro in der Kreide. In absoluten Zahlen summieren sich die öffentlichen Schulden in Deutschland mittlerweile auf 1,506 Billionen Euro, wovon auf den Bund 938 Milliarden Euro, die Länder 482 Milliarden und die Gemeinden 79 Milliarden entfallen. (wiwo.de)

Ein Faß ohne Boden

Denken wir an unsere Kinder, so kommt zu den selbst in guten Zeiten schlechten Aussichten nun noch ein Problem mit Langzeitwirkung hinzu: die Schuldenfalle. Es geht gar nicht mal um die oben erwähnte Pro-Kopf-Verschuldung von 63.000 Euro, sondern um die Perspektive für Wirtschaft, Staat und Politik, und damit der Gesellschaft. Während die Wirtschaft streng nach ihrer Gewinnmaximierungsphilosophie ein gnadenloses System etablierte, in der es für junge Menschen heute nur noch Platz gibt, wenn sie unreflektiert und ohne Murren Teil des Systems werden, kommt nun der Faktor Hoffnungslosigkeit hinzu.

Denn längst ist die gesamte Gesellschaft von den Folgen des kapitalistischen Systems und der daraus resultierenden Krise betroffen… und durch die Schuldenlast wird es noch schlimmer. Unseren Kindern fehlen die Möglichkeiten, sich ihr Leben anders zu gestalten als das System es erzwingt und sie haben so gut wie keine Chance, sich dagegen zu wehren – selbst wenn es ihre gesellschaftliche Pflicht wäre. Doch es ist nicht ihre Pflicht, nicht die der Kinder, sondern die Pflicht der heute Verantwortlichen. Von diesen ist allerdings nicht viel zu erwarten, denn die selbst ernannte Elite ist viel zu sehr damit beschäftigt kurzfristige Profite anzustreben und alle Gegenwehr lahmzulegen. Langfristiges Denken…Fehlanzeige.

So schmeisst man lieber immer mehr Geld in das berühmte Faß ohne Boden, sorgt so dafür dass die Verursacher noch zusätzliche Belohnungen erhalten und stimmt gleichzeitig den Bürger auf harte Zeiten ein. Von der Jugend darf man nicht erwarten, dass sie die Zügel und damit ihre Zukunft in die Hand nehmen. Ein großes Glück, dass es viele von ihnen trotzdem tun…

Die Erwartungen für die eigentliche Rettung richtet sich an uns und zwar nicht zur Rettung des schon vor der Krise maroden Systems, sondern zur Rettung der Gesellschaft an sich. Nicht die Brieftasche ist das Hauptthema, so schmerzlich der Verlust auch ist, sondern die Erhaltung sämtlicher sozialer Errungenschaften die eine Gesellschaft zusammen halten. Das ist keine Frage der Bildung, denn wo sind denn bitte die guten Jobs, die eine gute Bildung garantieren soll?

Es ist keine Frage funktionierender Banken, denn ihre Wertschöpfungsmethoden waren auch schon vorher nicht seriös. Es ist auch keine Frage funktionierender Märkte, denn diese konnten nur gedeien, weil es anderen Menschen und Ländern umso schlechter ging. Es ist eine Frage grundsätzlicher menschlicher Werte, die wir nach und nach über Bord geworfen haben. Die Einschränkung der Freiheit durch Überwachung, Spionage und Manipulation der Massen, aber auch tiefe Zerwürfnisse innerhalb der Bevölkerung, sind erst der Anfang. Was nun kommt ist existenzieller und betrifft uns nicht allein als Individuen, sondern ganze Völker, vielleicht sogar die menschliche Spezies als solche.

Bock auf Gärtnern?

Jeder kennt den Spruch vom Bock, welcher zum Gärtner gemacht wird. Und genauso erleben wir es in dieser Zeit. Ich erinnere an dieser Stelle noch mal gern an das prophethische Lied von der Linde, in dem es für die heutigen Tage heisst:

Und wer im Land die größten Sünden hat, fühlt als Richter sich und höchster Rat.

Genau das erleben wir. Wir lassen die Böcke weiter in unseren Gärten grasen und ihren endlosen Hunger stillen. Während wir entweder schimpfen, schlottern oder irgendwie versuchen, noch einen trockenen Unterschlupf zu finden. So geht es nicht. Das wird nicht reichen. Heute ist viel mehr Engagement gefragt, ob im großen oder im kleinen Kreis. Ganz gleich. Wer heute so weiter macht, still hält oder lediglich mit Wut und Aggression reagiert, wird zum Katalysator des Chaos.

Heute sind tatsächlich die Gärtner gefragt (mir fällt da irgendwie der herrliche Film „Welcome Mr. Chance“ ein), also Menschen die nicht an ihren Wahlerfolg oder kurzfristige Profite denken, sondern bereit sind die Saat für eine bessere Zukunft zu setzen. Gärtner die etwas säen, was sich hinterher auch ernten lässt – und zwar von allen. Gärtner, die Ruhe und Weitsicht, vielleicht sogar Milde und Güte dahin zurück bringen, wo im Moment Kurzsichtigkeit, Egoismus und Herzenskälte herrschen. Gärtner, die in größeren Dimensionen denken, die ein Gefühl für die Umwelt und ihre Erfordernisse haben und bereit sind, selbst die schwächste Pflanze zu umhegen und zu umsorgen, auf dass sie eine Chance auf Unversehrtheit, Wachstum, Individualität und – ja – auch auf Lebenssinn und Glück hat.

Es bedarf jedoch genau dieser Weisen und Milden, die an einen Tisch zu holen und zu ermuntern unsere Aufgabe ist. Ein runder Tisch muss her, an dem die besten unter uns – und damit ist nicht der wirtschaftliche, sondern der menschliche Erfolg gemeint – zu neuen Lösungen kommen müssen. Ein echtes Krisenmanagement! Doch wer hat Bock auf Gärtnern?

Unsere Welt ist genau die, vor der uns nicht nur die Propheten warnten, sondern all diejenigen die über Jahre und Jahrzehnte mahnten, um dafür ausgelacht zu werden. Es ist eine Welt, die wir irgendwann, angesichts der kommenden Ereignisse, vielleicht als das eigentliche Dunkle Zeitalter der Menschheit bezeichnen werden – jedoch nur, wenn wir auch die Chance bekommen, sie im Nachinein zu bewerten.

Denn das historische Fenster, das sich vor kurzem auftat, beginnt sich bereits zu schließen… Wenn wir jetzt nicht Handeln, gemeinsam und ohne Rücksicht auf all die persönlichen Egoismen, werden wir es nur noch schlimmer machen.

Der Kopf muss endlich aus dem Sand!

Bildquelle: dieterhaugk, Pixelio.de