So, nun haben wir es mal wieder: Das KanzlerInnen-Duell. Das allseits beliebte Wahlkampf-Spektakel. Die Medien machen natürlich einen Riesenrummel um die Sache – schließlich sind sie auf Einschaltquoten aus – und die Politiker machen natürlich freudigst mit: Mit keiner anderen politischen Fernseh-„Diskussion“ lassen sich so viele Menschen, wie mit diesem Duell. Das hat damit eindeutig eine große mediale Bedeutung – doch welche politische Auswirkung hat es tatsächlich?
Aber erst mal der Reihe nach: Zu verdanken haben wir derartige Duelle … natürlich den Amerikanern. Dieses so innovationskräftige Völkchen kam 1960 das erst mal auf die Idee, Vizepräsident Nixon gegen den Jung-Senator Kennedy in die Arena zu schicken – und dieses Wortgefecht, so meinten zumindest Medien-Experten, habe damals die Wahl entschieden: Smart und mediengewandt kam Kennedy rüber, Nixon dagegen eher verkrampft und gezwungen. Und Kennedy zog mit knappem Sieg ins Weiße Haus ein. Ähnlich zum Verhängnis wurde ein derartiges TV-Duell auch Lech Walesa – Präsidentschaftskandidat 1995 in Polen und eigentlich Favorit – bis ihm ein Wutausbruch vor der Kamera die Wahl kostete, sagt zumindest rbb-online.
Heißt das also, dass Illner (ZDF), Plasberg (ARD), Kloeppel (RTL) und Limbourg (SAT.1) „unsere“ Angie stürzen könnten??? Sicherlich nicht. Denn viel Handlungsspielraum werden die Journalisten in der genauestens durch geplanten und geprobten Darstellung nicht haben. Von der Redezeit über die Gestaltung der Kulisse bis hin zu den Fragen ist sicherlich alles bereits en detail im voraus festgelegt. So lange also keiner der beiden „freiwillig“ in Fettnäpfchen stapft, unflätig wird oder in sonstiger Weise entgleist, sind wohl, von Nuancen abgesehen, keine besonderen Vorkommnisse – und damit eben auch keine besondere Überzeugungskraft in die eine oder andere Richtung zu erwarten.
Ähnliches bestätigen auch Medienwissenschaftler: Viele Duell-Zuschauer haben sich schon entschieden und wollen sich nur noch mal „ihren“ Kandidaten live ansehen. Da hilft auch kein „Sieg“ im Streitgespräch…: „Der von den Meinungsforschungsinstituten erkorene Sieger kann sich freuen. Aber nur über eine Art Fernsehpreis als politischer Entertainer. Für den Wahlausgang besagt sein Triumph nichts“, meint der Kölner Medienwissenschaftler Dietrich Leder. Und Jan Kercher von der Uni Hohenheim kann in seiner Diplomarbeit – einer Analyse des Duells 2005 und seiner Auswirkungen – berichten, dass sich von derlei Medienspektakel nur Menschen in ihrer Meinung beeinflussen lassen, die – da wenig politisches Interesse – kaum Vorkenntnisse haben, sprich sehr unpolitisch sind.
Und die Kandidaten selbst? Werden sie die Chance tatsächlich nutzen, um Programm zu machen? Von Merkel wissen wir, dass sie im letzten Duell nicht viel mehr als positiv-klingende Allgemeinplätze von sich gab – und so, wie der Wahlkampf der CDU/CSU bis jetzt aussah, würde es nicht überraschen, wenn sie diese Taktik auch dieses Mal wieder zum Einsatz bringt. Und Steinmeier? Ihn haben wir noch nicht in einem Duell kennen lernen dürfen. Besonderes Charisma traut ihm wohl dennoch keiner zu – geschweige denn die Inszenierung des „Schröderianers“ als sozial-umweltbewusster Politiker…
Aber es gibt noch jemanden, der von dem Duell und der damit einher gehenden Aufmerksamkeit profitieren: NGOs und politisch Engagierte. Das ist jedenfalls das, was beispielsweise die Initiative „KlimakanzlerIn gesucht“ versucht. Der Zusammenschluss aus über 100 Organisationen will zum Drehort und – in weißen Overalls und grünen Arbeiterhelmen gekleidet – beide Kandidaten auf die Dringlichkeit des Klimaschutzes und die Möglichkeit, durch grüne Industrien neue Arbeitsplätze zu schaffen, hinweisen. Ob das was bringt? Wer weiß. Aber immerhin ist es eine Möglichkeit, um das Beste aus der Sache zu machen. Denn irgendwie wünscht man sich als politischer Mensch – bei aller Unterhaltung -, dass dieses sinnfreie Spektakel doch endlich eine sach- und inhaltsbezogenen Diskussion und Lösungssuche weichen sollte…
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