Vor drei Tagen geisterte eine Meldung durch die Medien: der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestages und CDU-Mann Siegfried Kauder hatte „angeregt“ aufgrund der Terrorgefahr doch einfach mal die Pressefreiheit einzuschränken. Vordergründig ging es um einen Artikel im Spiegel, in welchem von einem möglichen Anschlag auf den Reichstag in Berlin die Rede ist. Zwar wurde der Mann schon kurz darauf von seinem großen Bruder und Unions-Fraktionschef Volker Kauder zurück gepfiffen, aber es bleibt mehr als ein „Geschmäckle“ zurück.

Manchmal reicht es ja, wenn ein Politiker eine Buch mit aus der Kiste gekramten biologistischen Thesen auf den Markt bringt, schon steht das ganze Land Kopf. Da wächst zwar irgendwann Gras drüber und die Gemüter kühlen wieder ab, doch es bleibt immer ein Restsatz in den Köpfen der Menschen zurück. Im Fall Sarrazin mag es der Gedanke sein, dass es eine Wahrheit gibt, die man aus falscher Bescheidenheit nicht äußert und ganz sicher auch der leise Verdacht, dass an den Aussagen schon irgendetwas dran sein muss.

Und so erlebt man es in der Politik immer wieder: Politiker – meist aus der zweiten, dritten, vierten Reihe – platzieren eine gewagte These oder Forderung (meist ein Mischmasch aus beidem) und man guckt was passiert. Gibt es Zustimmung, dann kommen mit einem Mal immer mehr Politiker aus ihren Löchern, wagen sich vor und machen sich mit der These gemein. Regt sich Widerstand bleiben sie entweder auf Tauchstation oder nutzen die Gelegenheit, um sich selbst ins beste, was heißt mehrheitsfähige Licht zu rücken.

Wie frei ist die Presse?

In diesem Fall ging es um nicht weniger als das Rütteln an einem wichtigen demokratischen Grundpfeiler – der freien Presse. Nun ist leider unsere Presse in Deutschland meist gar nicht wirklich frei, unabhängig oder überparteilich, doch im Vergleich zu manchen anderen Ländern ist die Bandbreite zumindest noch gegeben. Und das heißt natürlich auch, dass sich Widersprüche gegen die Meinungen und Handlungen der Politiker auftun, dass sie sich einer genauen Überprüfung der Fakten stellen und letztlich ihre Position verteidigen müsse.

Manche Publikation hat hier keine Probleme, da sie mit den politischen Akteuren in einem Boot sitzen und geradezu freudig ihre Agenda unterstützt. Manche große Zeitung macht sich so jedoch nicht nur unglaubwürdig, sondern schreddert dabei hart am Rand der Volksverhetzung vorbei; wie im aktuellen Sarrazin-Fall. Andere finden in gespreizter Sprache oder intellektueller Überhöhung ein Schlupfloch, doch das ist nicht eben häufig der Fall.

Nehmen wir an die Presse würde eingeschränkt und dürfte – darum geht es ja – sensible Themen nicht mehr auf den Tisch bringen… Würde das die Glaubwürdigkeit erhöhen oder wäre das Resultat nicht ein größeres Misstrauen gegenüber den Politikern und ihrem Tagesgeschäft? Eine rhetorische Frage, denn man braucht ja nur nach Russland schauen, um zu sehen, was daraus werden kann, wenn der Staat die Presse dominiert. Und auch in den USA gibt es einen starken Mainstream, der kaum Widerspruch zulässt. Schon jetzt aber ist die Nachrichtenlage zur Terrorgefahr in unseren Medien mehr als nebulös. Man sagt, noch nie seien die Hinweise so konkret wie jetzt, doch verraten tut man genauso wenig wie sonst.

Good Cop – Bad Cop-Spielchen

Der aktuelle Kauder-Fall erinnert ein wenig an das Good Cop-Bad-Cop-Spielchen, dass man aus Krimis kennt und bei dem sich der eine verhörende Polizist möglichst einschüchternd verhält und sein Kollege dafür umso freundlicher. Der Verhörte wird sich, so der Wunsch, irgendwann dem netten Beamten öffnen und geständig. Hier ist es ähnlich: Erst kommt die These: „weniger Presse“, dann die Antithese „auf keinen Fall“ und zum Schluss die (gewünschte?) Synthese in unseren Köpfen, die sich irgendwo dazwischen abspielt. Dieses mal war die Gegenwehr groß, doch das heißt ja noch lange nicht, dass man es später nicht noch mal versuchen kann.

Unsere Pressefreiheit steht ohnehin auf einem wackeligen Bein, denn Profitzwang und Kumpanei hinterlassen auch ihre publizistischen Spuren. Da wird dann gern mal ein PR-Text für irgendein Unternehmen als journalistischer Beitrag getarnt oder die politische Agenda nahestehender Parteien durch subtile Berichterstattung voran getrieben. Das Schlimme: Je renommierter das Medium, die Zeitung, das TV-Magazin, die Radiosendung, desto größer die Gefahr, dass wir es nicht merken. Denn nach außen sieht natürlich alles aus wie bisher. Und so leben zum Beispiel achtbare Magazine allein von ihrem Ruf, obwohl sie dem trojanischen Pferde gleich journalistisch längst ausgehöhlt wurden und eine ganze andere Melodie pfeifen.

Das Internet als wirksame Gegenkraft

Man kann sich fragen wie es um unsere Pressefreiheit stünde, gäbe es das Internet nicht. Und man kann erkennen, dass viele Politiker und natürlich Medienmenschen das freie Netz gar nicht wollen, denn es bedeutet Konkurrenz und damit natürlich noch mehr Arbeit, um sich mit seinem eigenen Meinungsmedium durchzusetzen. Wir können uns glücklich schätzen, dass es gerade in diesen unruhigen politischen Zeitungen hunderte, wenn nicht tausende weitere Kanäle gibt, über die wir uns informieren können.

Und genau das dürfte auch der Grund sein, warum ein Politiker nun mit seiner Forderung vor prescht. Denn eine Beschneidung der Berichterstattung würde selbstverständlich nicht nur die großen Treffen, sondern genau auch diese Gruppe kleinster Quellen, wie Blogs, Web Magazine, Social Media-Portale, kleine WebTV-Sender u.s.w. Das ist noch nicht der Fall und so lange sich bei den großen Verbänden, Gewerkschaften, Organisationen und nicht zuletzt Bürgern Widerstand gegen eine Zensur regt, wird es lediglich zur Selbstverpflichtung kommen.

Unsere Zeit braucht starke Medien, denn auf die Stimme der Bürger wird nicht unbedingt gehört. Es müssen schon Zehntausende auf die Straße, um aufzufallen – oder sie müssen sich über alternative Kanäle informieren und organisieren. Der politischen Willkür lässt man nicht mehr alles durchgehen und das ist gut so, denn was wir in den letzten drei Jahren erlebt haben zeigt, dass die politischen Entscheidungen immer mehr ans Eingemachte gehen und den Bürgern den Teppich unter den Füßen wegzuziehen droht.

Menschen machen Medien

Deswegen muss das Engagement der Menschen noch größer werden. Gerade in einer Krise zeigen uns die Medien auf welcher Seite sie stehen. Wenn wir es gewohnt waren zu glauben, dass wir nichts als die Wahrheit von ihnen hören, erleben wir in diesen Tagen so manche Überraschung. Doch der kommerzielle Druck auf die Medien und die selbst gewählte Verpflichtung, sich zu Agitatoren zurecht stutzen zu lassen, rächt sich nun.

Der Verkauf der Print-Medien ist rückläufig, Anzeigenverkäufe brechen ein, immer weniger Menschen sind bereit, sich belügen zu lassen und strafen die Akteure mit Nichtbeachtung – treffen sie dort wo es weh tut. Trotzdem und um so mehr versuchen die Verlage, Radio- und TV-Anstalten ihr Ding durchzuziehen. Und sie erreichen auch noch genug Menschen die ihnen alles abkaufen, doch die Zahl sinkt.

Es ist gut, dass also der Vorfall aktuell uns zeigt, dass es manchmal die Medien selbst trifft, wenn es um die Phantasien der Politik geht. Vielleicht ein Grund aufzuwachen und sich seiner journalistischen Grundprinzipien zu erinnern, vielleicht aber auch nicht. Wir können dies in aller Ruhe beobachten, und wenn wir das Gefühl haben, hier werden wir nicht ehrlich und anständig informiert, dann lassen wir eben die Zeitung im Regal, Fernseher und Radio ausgeschaltet, und gehen andere Wege, um uns zu informieren. Das Jahr 2010 hat gezeigt, dass das sehr wohl geht und könnte damit _ Journalisten aufgepasst – ein neues Zeitalter des freien Journalismus eingeläutet haben. Dieser speist sich aus tausenden von Quellen und gibt dem Bürger die Möglichkeit zu partizipieren. Ein urdemokratischer Prozess und Model für die Probleme, die mit Sicherheit noch auf uns zukommen.