Jetzt hat die liebe Seele Ruh? Von wegen: Es geht weiter mit der medialen Schlacht um Karl-Theodor zu Guttenberg, mit den erhitzten Diskussionen um Moral, Fehler, Entschuldigungen und Comebacks. Die Silhouette des größten politischen Talents seit – ja seit wem eigentlich? – beginnt sich gerade mal in der eigenen Vorstellung vom Heiligenschein zu lösen, da wird ein neues Bild bemüht. Er kommt wieder,… länger,… besser, weiter… Mich erinnert das etwas an die Drohung vom Terminator: I´ll be back! Doch während sich die Menschen (seit Wochen) streiten, entsteht ein immer tiefer werdender Graben in der Gesellschaft. Eine Spaltung die gewollt ist? Guttenbergs Erbe wird uns wohl noch eine ganze Weile beschäftigen.
Man kann keinen Radio- oder Fernsehsender einschalten, keine Zeitung aufschlagen, ohne das man mit diesen Thema noch immer behelligt wird. Doch mal ehrlich: Wen in der großen weiten Welt interessiert diese Frage überhaupt? Handelt es sich nicht um einen Sturm im Wasserglas, den die Pro-Gutti-Fraktion mit allen Mitteln am Leben hält? Ich meine mitnichten, denn es geht nur oberflächlich um Argumente, um die sachliche Auseinandersetzung zweier Gruppen die beide (!) die Moral gepachtet zu haben meinen. Darunter schwelt ein Konflikt, der ganz und gar gesellschaftspolitisch, aber gar nicht förderlich ist.
Deutschland macht sich platt
Eigentlich haben wir ja handfeste Probleme im Land – von Europa und der übrigen Welt mal ganz zu schweigen. Ein guter Trick der Mächtigen war es schon immer, diese Art Probleme zu schaffen und dann eine Lösung anzubieten. So unterstützten sie auch gern mal finanziell beide Seiten eines Konfliktes, so wie sie auch an beiden Seiten gut verdienten. Solange so ein Konflikt schwelt, und sich noch nicht an der Oberfläche entzündet, bemerkt man dieses Treiben im Hintergrund kaum. Denn nur selten wird darüber in den Medien berichtet. Sobald aber der Streit offen ausbricht, heißt es „Butter bei die Fische geben“, müssen die Menschen, Medien und auch Politiker Farbe bekennen. Was sie dabei wohl nicht bemerken ist, dass sie genau mit dieser Art Streitigkeit einen Keil in die Gesellschaft treiben. Denn nicht Lösungen stehen auf dem Programm, sondern der innige Wunsch, Recht zu behalten und sich durchzusetzen.
Im Streitfall Guttenberg lässt sich das bestens ablesen. Bereits in der sarrazinschen Debatte wirkten die gleichen Kräfte, driftete die Gesellschaft auseinander, wo sie sie doch eigentlich umso enger zusammenrücken hätte müssen. Daran haben die Medien, ganz gleich welche Haltung sie hier einnahmen, einen großen Anteil. Denn es ging ja gar nicht um die Frage, ob die Thesen Sarrazins richtig oder falsch waren – zumindest nicht im Nachhinein. Es ging um die viel größere Frage, was sie mit uns als Gemeinschaft anstellen. Und so ist es auch beim Pro und Contra um Gutti (was für ein Kosename…). Da wirken die „Contras“ im Netz, gehen auf die Straße und regen sich – zu Recht – über die Machenschaften auf. Da wirken die „Projaner“ auf die gleiche Weise im World Wide Web, gehen ihrerseits auf die Straßen und regen sich – zu Recht – über die Hysterie der Gegner auf. Dasselbe Spiel – nur mit andere Vorzeichen. Ein Nullsummenspiel!!
So macht sich Deutschland nach und nach platt, verliert das Maß und Mitte – lässt zu, dass Boulevard-Journalismus den Alltag immer stärker dominiert, lässt sich erhitzen und ereifert sich, während es sich den drastischen Nöten gegenüber geradezu empathiefrei zeigt. Es ist wie eine Bühnenshow mit ganz viel Nebeleffekten; wie die Aufführung eines Magiers der mächtig mit den Armen rudert, um die Augen von seinen eigentlichen Tricks abzulenken.
Das Abdriften des Moralischen
Die Bundeskanzlerin, die sich keiner Fehler in dieser Sache bewusst ist, kann sich seine Rückkehr vorstellen – schließt diese zumindest nicht aus. Und obwohl nun eine gesalzene Anzahl an Strafanzeigen vorliegen und der Staatsanwalt ermittelt, zeigen sich einige Bundes-, Landes-, Kreis-, Stammtisch- und Wohnzimmerpolitiker tief entsetzt bist grollig: Der Skandal läge ja gar nicht in dem Copy-Paste-Skandal, nicht in der möglichen Plagiatstätigkeit, sondern in den gemeinen Anschuldigungen die es von allen Nörglern, Neidern und Niederschreibern hagele. Die Geschichte mit dem Abschreiben sei ja ein verzeihlicher Fehler, darüber zu richten nicht. Geradezu verblüffend, wie sich mit der Attitüde der moralischen Empörung, so mancher Politiker in den Vordergrund grantelt.
Doch wenn man sich nun die geifernde Opposition anguckt, die sich einen politischen Vorteil erhofft. Wenn man sich die Stimmungslage bei allen Diskutanten anschaut, die sich in ihre moralischen Schützengräben verziehen, bekommt man eine Vorstellung davon, was als Nächstes auf uns zu kommt.
Beide Lager haben die Moral auf ihrer Seite und zeigen das! Und wenn es schon keinen anderen Grund gibt, auf der Straße Rabbatz zu machen, dann sollte man doch wenigstens die sogenannte „Street Credibility“ (Straßenglaubwürdigkeit) für oder eben gegen Gutti austoben. Warum denn nicht, Mensch?
Doch was beiden Lagern dabei mächtig abgeht ist, dass a) es weitaus wichtigere moralische Fragen gibt die es dringend zu klären gäbe (Stichworte: Doppeltes Spiel in Libyien, Drohende Todesstrafe für den WikiLeaks-Informanten Bradley Mannings, Unbehagen über Chinas Militärhaushalt uswusf.) Die Welt ist ein Pulverfass – ohnehin schon. Doch bei uns macht man es sich entweder bei DSDS bequem oder streitet sich im sinnlosen Kleinklein. Und doch, genau hier liegt der Hund begraben… hier zeigt sich bereits ein Bild, dass wir in Deutschland die kommenden Monate noch häufiger erleben werden: Ein Unversöhnliches, Unvereinbares und Unangemessenes. Ein Kopfkino-Actionfilm der zunehmend die Gemüter am Schlawittchen packt, sie wütend macht – auch wenn sie vielleicht gar nicht so recht wissen warum.
Kopfschmerz trotz Doppelspalt
Die Meinungen sind gespalten, gleich zwei Mal, und das bereitet Kopfschmerzen. Es ist absolut unverständlich, warum sich die Menschen so sehr vereinnahmen lassen, warum die Medien berichten wie zu besten DDR-Zeiten und namhafte, prominente Köpfe ihren Verstand augenscheinlich an der Studiotür abgegeben. Sollte das Profane am Ende siegen? Sollten die in Wut verzerrten Gesichter womöglich Recht behalten? Ist es mit der Vernunft vorbei und es ist egal? Da kann einem das Grauen kalt den Rücken herunter laufen – oder um es der Situation angemessen profaner darzustellen: Da kann einem das Blut in den Adern gefrieren.
Uns scheint nichts banal genug, aber müssen wir das der ganzen Welt beweisen?
„Alles ist verloren!“ rufen die einen. „Wir sind gerettet!“ die anderen: Eine letzte Hoffnung taucht am Horizont auf. Ein letzter Lichtschimmer in der geistigen Umnachtung… ein Heilsbringer, wo die Verwundung unheilbar schien…
Die Lösung gibt es hier!
Bildquelle:
Pixelio.de, Gerd Altmann
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