Detlef Mielke setzt sich seit Jahrzehnten für Abrüstung, gewaltlose Konfliktlösung und soziale Gerechtigkeit ein. Für ihn ist Frieden kein Zustand, sondern ein Prozess. Wir wollten mehr wissen.

Was können wir hier in Deutschland tun, um den Frieden zu vermehren?

Wir müssen erkennen, dass die Kriege von der NATO und damit auch von der BRD ausgehen. Es ist eine Lüge, dass die NATO oder die Bundeswehr die „gute“ Armee ist. Dann müssen wir uns wehren … Dafür habe ich leider auch kein Erfolgsrezept. Man kann sich zunächst äußern und mit anderen Mitmenschen austauschen. Und man muss sich organisieren. Es gibt doch Menschen, die aktiv handeln – zum Beispiel in unserem Netzwerk.

So gab es unlängst zum Beispiel ein Spektren übergreifenden Camp mit 250 bis 300 Menschen bei dem Gefechtsübungszentrum nördlich von Magdeburg. Wir sind da drauf gegangen und bekommen demnächst die Rechnung: Zirka 120 Euro „Eintrittsgeld“ für das Gelände, das Betreten ist eine Ordnungswidrigkeit. Aber 300 Menschen – das ist natürlich noch viel zu wenig. Mit mehr Menschen wäre es natürlich wesentlich besser.

Wichtig ist auch, dass wir den Rekrutierungsabsichten der Bundeswehr entgegenwirken: Sage den 18- bis 19-Jährigen, die sich mit dem Gedanken tragen zur Bundeswehr zu gehen – und am Ende vielleicht noch denken, sie tun da etwas Gutes – was Du von dem Kriegshandwerk hältst.

Wann und warum bist Du eigentlich zu Deinem Engagement gekommen?

Zu meinem politischen Engagement kam ich während meiner Ausbildung. Damals bin ich in die DGB-Jugend gegangen. Außerdem war ich auch und zwar sehr ungern Wehrpflichtiger bei der Bundeswehr. Seit dieser Zeit beschäftigen mich die Themen „Rekrutierung“, „Frieden“ und „Gerechtigkeit“.

Die Erfahrungen als Soldat waren also schon ein auslösendes Moment dafür, dass ich so lange in diesem Bereich politisch aktiv bin. Für mich gehören dazu auch noch die Themen „Antifaschismus“ und „Anti-Nationalismus“. Nationalismus sehe ich als zentrale Kriegsursache und auch als zentrales Merkmal für weltweite Ungerechtigkeit. Dieses Sich-Einmauern. Bestimmte Nationen leben ja durchaus in Reichtum und mauern sich gegenüber MigrantInnen ein. Das gehört auch zum Thema Frieden oder vielmehr Unfrieden dazu.

Kannst Du Dir eine Welt ohne Waffen vorstellen?

Ja, das kann ich. Aber da muss man tiefer gehen. Auch gewaltfreie Aktionen können eine Waffe sein, die sich sowohl für positive und wie für negative Dinge einsetzten lässt. Es kommt auf die Haltung an, die dahinter steckt. Negative Ansätze gibt es auch bei gewaltlosem Vorgehen – zum Beispiel unter dem Stichwort „Soft Power“ ohne Gewaltanwendung Herrschaft ausgeübt werden.

Umgekehrt kann auch eine „Waffe“ friedlich genutzt werden. Ein Gewehr ist ja beispielsweise auch nichts anderes, als ein etwas anders konstruierter Bolzenschussapparat. Ich habe Elektriker gelernt und da habe ich immer geschossen: Nämlich Bolzen in Beton, um daran Kabel zu befestigen. Es geht also nicht darum, dass es keine Schussgeräte oder beispielsweise Drohnen mehr gibt. Diese Dinge sind da und werden auch nicht mehr verschwinden. Es geht darum, wie und wozu man sie benutzt – und auch, dass man auf die Benutzung verzichtet.

Frieden ist schließlich nichts Statisches. Es ist nicht so, das wir ihn einmal erreichen und dann wie im Paradies leben. Frieden ist ein Prozess der Konfliktbewältigung. Eine Auseinandersetzung der sozialen Wesen „Mensch“. Eine Welt ohne Waffen heißt, dass wir uns hin zu einer Gesellschaft entwickeln, die ihre gesellschaftlichen Konflikte ohne Einsatz von Gewalt löst. Das beginnt erst einmal mit dem Verzicht auf „personale Gewalt“, wie man das nennt. Also der Verzicht auf den Einsatz von verletzender oder tötender Gewalt gegen Menschen.

So ein Konfliktlösungsprozess hat doch ganz viel mit Kommunikationsfähigkeit und Empathie zu tun, oder?

Ja, das stimmt. Aber es hat auch viel mit Wollen und Interessen zu tun. Ich unterstelle ganz vielen Menschen, die Kriege wollen, dass sie durchaus in der Lage sind zu kommunizieren – und dass sie auch in der Lage sind als Menschen andere Menschen wahrzunehmen. Aber dass sie sich dennoch entscheiden, andere Menschen zu töten – oder dass sie töten lassen für ihre Interessen. Man lässt ja heute eher töten, beispielsweise in Afghanistan – das ist der neue Trend.

Was ist da im menschlichen Herzen im Argen, dass Menschen so etwas entscheiden?

Als ich früher Pädagogik studiert habe, da dachte ich, eine Entwicklung zu gewaltfreien Menschen würde über Erziehung funktionieren. Seit dem ich mit Kindern zusammen gelebt habe, habe ich erlebt, wie komplex die Persönlichkeitsentwicklung und das menschliche Miteinander ist. Es ist ein immerwährender Prozess, der auch immer wieder Rückschläge erfährt. Doch aus diesen Rückschlägen können wir auch immer wieder Erkenntnisse gewinnen.

Der Traum von einer gerechten Welt ist schon da. Aber es wird ein fortwährender Prozess der Auseinandersetzung sein. Es reicht nicht, alle Menschen friedlich zu erziehen. Wir müssen auch den Mut haben, miteinander um Macht zu streiten. Und das wiederum beinhaltet Unfrieden. Es gibt also keine eine ganz einfache, platte Antworten.

Was ist Dein Traum von einer besseren Welt?

Eine Welt, in der Menschen unabhängig von ihrer Nation unterschiedliche Kulturen leben – in der sie diese unterschiedlichen Kulturen als Bereicherung erleben. Dabei meine ich nicht nur, was gemeinhin darunter verstanden wird: ethnisch oder weltanschaulich begründeten Kulturen. Ich verstehe darunter Ähnlichkeiten unter Menschen, die auch weit von einander entfernt leben können.

So war es für mich beispielsweise in meiner Jugend eine Fahrt von der Kleinstadt nahe Hamburg in der ich lebte in einen sozialen Brennpunkt in Billstedt kulturell weiter, als zu Menschen in Lyon, die ähnlich lebten wie ich nahe Hamburg. Ich meine Also auch die innerstaatlichen Kulturen. Die gegenseitige Wahrnehmung, der gegenseitige Respekt und eine interkulturelle Zusammenarbeit – das ist für mich eine Voraussetzung für den Prozess des Friedens und eine bessere Welt.

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