Der Journalist und Fotograf Geza Holzinger (www.holzinger.ws) zeigt schon seit Jahren Menschen und Missstände, die wir noch zu lösen haben – die uns vor allem aber zunächst einmal bewusst sein müssen. Deshalb engagiert er sich zum Beispiel auch in der Initiative »Shoot4Change« (www.shoot4change.net). Wir sprachen mit ihm über seine Arbeit, ihren Sinn und ihren Erfolg.

soziale brennpunkte

Diese Bilder entstanden in einem slowakischen Roma-Ghetto: rund 8.000 Menschen leben hier. Wasser und Strom gibt es nur eine Stunde lang pro Tag. Den Abfall werfen Sie aus dem Fenster und so gibt es hier viele die Ratten. Das kleine Mädchen oben ist z.B. von einer Ratte im Schlaf gebissen worden und bekam eine Infektion.

Wie kam es, dass Sie dachten: ich muss mich mit meiner Fähigkeit, Fotografieren zu können, für eine bessere Welt engagieren? Was ist ihr Motiv? Was treibt Sie dazu an?

Mit dem Fotografieren habe ich schon im Kindesalter die ersten Erfahrungen gemacht. Nach vielen Aussetzern begann ich Mitte der 90er Jahre wieder aktiv zu fotografieren – vor allem für meine wissenschaftlichen Artikeln. Ich reiste viel und habe dabei nicht nur schöne Landschaften gesehen. Ich sah auch viel Leid. Also wollte ich helfen. Aber ich wusste nicht, was ich für diese Menschen tun kann. Erst einige Jahre später wurde mir klar, daß die Fotografie der beste Weg ist, die Hungersnot, die Armut und vieles mehr in unsere Welt zu zeigen.

Meine Arbeiten sollen die vielfältigen, sozialen Probleme unseres Zeitalters wieder zu spiegeln und Aufmerksamkeit zu erregen. Die Presse- und Dokumentationsfotografie vermittelt den Menschen besser das wahre Gesicht der Kriege und Katastrophen – seien sie humanitärer Art oder eine Umwelt- oder Naturkatastrophe. Sie hilft ihnen somit auch, daraus Konsequenzen zu ziehen. Aus diesem Grunde ist es sehr wichtig mit beeindruckenden Bildern und Texten die Menschen zum Nachdenken zu bewegen. Erst dann können wir unsere Mitmenschen zu Hilfsbereitschaft zu motivieren und zu Taten – immer dann, wenn die Not das erfordert.

soziale probleme

Dieses Bild entstand in den Gebieten des rumänischen Goldminen-Projektes (Rosia Montana). Die Not ist laut Holzinger so groß, dass den Menschen nichts anderes bleibt als  zu fliehen. »Die Leute sind sehr arm und hoffnungslos«, meint er.

Was tun Sie genau, um sich für eine bessere Welt zu engagieren? Was fotografieren Sie – und warum?

Ich fotografiere immer aktuelle Themen. Zum Beispiel zeigt eine meiner früheren Arbeiten eine Goldmine mit Zyanidtechnologie in Rumänien: Mich interessierte dabei hauptsächlich der Hintergrund der Situation Ich wollte die Ursachen finden, warum hier so eine Lebensmittelnot vorherrscht. Und ich wollte die Menschen darauf aufmerksam machen, dass es keine Not gäbe, wenn die Landwirtschaftsprodukte nicht anderweitig verbraucht würden – abgesehen von dem nicht funktionierenden Vertriebssystem und vielen, weiteren Problemen. Die Situation ist jedenfalls noch viel schlimmer, als wir denken. Die Folgen sind momentan noch nicht überschaubar.

Sie sind Mitglied von Shoot4Change: Was ist das für eine Organisation? Wer macht da mit und was ist Sinn und Ziel der Initiative?

Shoot4Change (S4C) ist eine gemeinnützige Organisation, die professionelle Fotografen gegründet haben. Sie alle nutzen einen Teil ihrer Zeit, um Fotos für humanitäre Berichterstattungen für NGOs und andere soziale Organisationen zu schießen. S4C selbst ist keine karitative Organisation, sondern eine Plattform, über die diese Fotografen Erfahrung und Best-Practis teilen können. Außerdem ist die Mission von S4C ein Bewusstsein zu schaffen und die Aufmerksamkeit auf soziale Probleme zu lenken.

obdachlos

In Ungarn wurden viele Roma-Wohnungen abgerissen, berichtet Geza Holzinger – ohne, dass diesen Menschen neue Unterkünfte angeboten wurden.

Wie sind Sie darauf gestoßen und wann haben Sie sich warum entschieden, dort mit zu machen?

Ich bin der Organisation kurz nach ihrer Gründung beigetreten, weil ich glaube, dass unsere Zielsetzungen und Wege gleich sind: wir wollen die Menschheit durch unsere Bilder aufmerksam machen.

Welche Bedeutung haben Fotografien heutzutage Ihrer Meinung nach bei der Aufklärung, der Meinungsbildung, der Dokumentation?

Das Sprichwort »Ein Bild sagt mehr als Tausend Worte« gilt immer noch. Ein Foto oder eine Fotoserie muss ohne Wörter eine Geschichte erzählen können. Schafft ein Fotograf das, dann beeindruckt und fasziniert das den Zuschauer unbeschreiblich. Allerdings sind die Printmedien am aussterben. Es geht immer weniger darum, gute Bilder zu veröffentlichen, sondern immer mehr darum, möglichst billiger oder sogar kostenlose zu bekommen. Das geht natürlich nur auf Kosten des Durchschnittsniveaus. Und so sehe ich in vielen bekannten Magazinen schlecht komponierte und sinnlose Bilder, die lieber in den Papierkorb gelandet wären.

wassernot

In vielen ungarischen Roma-Siedlungen viele Häuser noch keine Trinkwasser-Leitungen haben, gehen die Kinder auf den Straßen zu trinken.

Was macht für Sie ein großes Foto aus? Wann können Bilder ihre Spuren in der Welt hinterlassen – vielleicht das Bewusstsein vieler Menschen verändern? Oder sogar Politik machen?

Ich glaube, dass gute Fotografien einen tiefen Eindruck bei den Menschen hinterlassen. Ich habe in einem kleinen Dorf in Nordungarn, in dem die Bevölkerung zu 95 Prozent aus Romas besteht, fotografiert und einen Artikel über ihre Situation geschrieben. Kurz nach Erscheinen des Magazinartikels bekam ich einen Anruf von einem Leser: er hatte auf einem der Fotos ein Kind gesehen, das ihm so gut gefallen hat, dass er der Familie Beistand und Hilfe angedeihen lassen wollte. Deshalb glaube ich, dass ich mit dem was ich leiste, eine gute Richtung eingeschlagen habe.