Ich war gerade mal 7 Jahre alt als ich mich dazu durchrang, doch kein Astronaut oder Zeitreisender zu werden. Es gab einen ganz neuen Berufswunsch, einen Beruf, dem ich treu geblieben bin – bis heute: Journalist. Das ist mittlerweile 40 Jahre her und man kann sagen, dass sich die Welt unterdessen komplett verändert hat. Während ich damals dachte, dass ein „Reporter“ eigentlich nichts anderes sei, als ein Detektiv mit spitzem Bleistift und Notizblock, so hat mich heute längst die Realität eingeholt. Wer heute als Journalist Karriere machen will, ist weniger Detektiv als intellektueller Untertan. Ein Nachruf auf die freien Medien.

Ich kann mich noch genau an eine Unterhaltung erinnern die ich mit Mitte 20 führte, also vor rund 20 Jahren. Es ging genau um diese Frage: Wie weit ist der Journalist ein Mensch, der bereit ist den Großen sperrige Knüppel zwischen die Beine zu werfen, wenn es darauf ankommt. Ist er ein Mensch, der die Angst nicht scheut; das Gefühl gegen die Mächtigen anzutreten – selbst wenn das mit einem Nachteil verbunden ist, beruflich, finanziell, sozial und vielleicht sogar gesundheitlich? Wie weit darf man gehen? Soll man, muss man gehen?

Mein Gegenüber damals sagte so etwas wie: „Du kannst die Wahrheit gern aussprechen, doch was ist dann? Willst Du Deine Wirkung darauf beschränken, irgendwann flammende Reden vor dem Kadi zu halten?“ Er stellte also die eigene Unversehrtheit und die Furcht vor möglichem Misserfolg über den persönlichen und moralischen Anspruch. Heute arbeitet er für eine Tageszeitung im Osten und gilt als „Kenner der politischen Szene“ in Berlin.

Doch ist es das? Reicht ihm das? Ich frage mich häufig, an welcher Stelle auch bei ihm das Maß voll sein wird und er sich nicht mehr gemein macht. Zieht er die Sache durch, obwohl er vielleicht weiß, dass er mehr und mehr zum politischen Hofberichterstatter wird, dass er sich vor den politischen Karren spannen lässt und am Ende damit vielleicht sogar selbst vor einem Kadi zu verantworten hat? Der politische Wind kann bekanntlich schnell seine Richtung wechseln.

Wann wird aus Vernunft Dummheit, wann aus Geradlinigkeit ein Höllenritt?

Ich bin sehr unzufrieden mit der Entwicklung. Wirklich sehr. Und das äußert sich nicht nur durch ein leichtes Grummeln in der Magengegend, sondern vielmehr in der Frage: Wie weit ich das mit ansehen kann was sich in der Medienwelt tut? Wie lange bleibe ich auf dem Hosenboden sitzen und „verzeihe“ den anderen, die entweder mit dem Brustton der Überzeugung Lügen verbreiten und dies als Wahrheit verkaufen, oder aber diese „Wahrheiten“ bereit sind zu fressen, ohne sich daran verschlucken?

Wie lange bleibe ich still und sehe es den anderen nach, obwohl mich vielleicht mal ein Kind der Zukunft fragen wird: „Und, was hast Du getan? Warum habt Ihr das alles überhaupt mit Euch machen lassen?“ Und es wird nicht allein den Niedergang der freien Presse meinen, sondern alles das Schlimme das unwidersprochen geschehen konnte und noch geschehen wird: Ungerechtigkeit, Neid, Streit, Gewalt, Kriege – die Liste ist lang, und bitter. Dieses Kind sitzt irgendwie schon die ganze Zeit im Geiste vor mir und schaut mich mit seinen fragenden Augen an. Und ich? Was tue ich? Was kann ich überhaupt tun?

Als ich ein kleiner Junge war, war mir das alles natürlich nicht so bewusst. Für mich gab es die Bösen und die Guten die ihnen das Handwerk zu legen hatten – unterstützt, zumindest moralisch, von den Menschen… der Gesellschaft. Das sich diese selbst so weit verändern lassen würde, dass sie was das betrifft gar nicht mehr so wählerisch ist, dass hätte ich niemals auch nur vermutet.

Warum sollte sie das auch tun? Warum sollte sie selbst böse Menschen verehren, nur weil sie viel Geld haben? Warum sich selbst böse verhalten, nur weil sie sich davon Vorteile verspricht. Eine solche Gesellschaft hatte mit 7 Jahren nicht vor Augen, nicht in meiner Zukunft. Doch wenn ich heute die Fragen nach dem Warum an die Menschen stelle, so bleibt die Antwort zumeist aus. Im Gegenteil, wird die Frage als unangemessen betrachtet, das Thema gewechselt oder ganz einfach nur mit nachgeplapperten Argumenten gekontert. Und daran sind zu einem großen Teil die Medien schuld.

Wer ist der Held und wer der Schuft?

Ich höre andauernd, dass man heute eben nicht mehr so klar in gut und böse aufteilen kann, das alles viel komplizierter geworden sei und man eigentlich gar nichts Genaues sagen könne und vielleicht deshalb besser den Mund halten sollte. Das ist Schmarren, blanker Unfug. Ich behaupte mal, dass jeder Mensch ein sehr genaues Gefühl für Ungerechtigkeit hat. Vielleicht sind wir abgestumpft, kann sein. Vielleicht hat uns das ewige Geschrei um das Geld blind gemacht für die Dinge die wichtiger sind.

Vielleicht sind wir als Gesellschaft irgendwie degeneriert und haben das Maß der Dinge verloren… Doch wir wissen sehr genau was gerecht ist, welche Handlungen Gutes bewirken und welche zerstörerisch sind. Das wissen wir, doch sind wir eben nicht mehr bereit, daran was zu ändern. Und auch daran sind die Medien zu einem großen Teil Schuld.

Klar, und es heißt auch immer, dass natürlich niemand die Schuld habe, man sich niemanden heraus picken dürfe, denn – siehe oben – die Welt sei viel komplexer. Doch genau das ist blanker Hohn, mit einer Brise Zynismus. Denn die Zahl der Menschen die unter Ungerechtigkeit zu leiden haben wächst und schrumpft nicht.

Und im Kiosk türmt sich der Wortmüll bis zur Decke

Ich gehe in einen Kiosk und sehe gefühlte Kilometer mit Schundliteratur. Bunte Blättchen die jungen Frauen irgend einen Unsinn andrehen wollen, die ihnen sagen, was sie kaufen sollen, damit sie weiter dazu gehören. Und ich weiß genau, dass diese Machwerke nur eins im Sinn haben: Die Interessen ihrer Kunden und Partner. Die wollen keine zufriedenen und selbstbewussten Frauen die allein entscheiden, sondern abhängige Fashion-Sklavinnen, die am besten jeden kurzlebigen Trend mitmachen.

Heute ist blau in, morgen rot, übermorgen grün. Und die Leserinnen ziehen los und kaufen erst Blaues, dann Rotes und danach Grünes, da sie sich in der roten Klamotte einfach nicht mehr wohl fühlen. Sie alle werden betrogen von einer Industrie die nur davon lebt, dass das Rad sich weiter dreht und immer fleißig konsumiert wird.

In der nächsten Reihe im Kioskregal sehe ich Tageszeitungen – und es nur noch traurig was ich lese. Es steht zwar groß „unabhängig“ und „überparteilich“ drauf, aber das Gegenteil ist drinnen. Auch hier geht es nur noch um das Verkaufen. Entweder werden uns subtil irgendwelche Produkte aufgeschwatzt oder Meinungen. Unabhängiger Journalismus war gestern, heute führt die Feder der Lobbyisten, der Spin-Doktoren, der PR-Agenturen das Wort. Das ist Meinungsmache pur, ohne einen Anspruch auf eine eigene Haltung. Und da kommt wieder die Frage auf, wer von diesen Journalisten kann es sich überhaupt leisten gegen den Mainstream zu schreiben? Wie lange bleibt er dann im Job?

Natürlich gibt es sie, die Leitartikler, die Köpfe hinter den Meinungsartikeln, Menschen die uns vorgeben wollen, wie wir zu denken, zu fühlen und zu handeln haben. „Ganz Deutschland will dies…“, „Ganz Deutschland will das…“ Ich kann diese Zeilen nicht mehr lesen. Ich kenne genügend Menschen die es komplett anders sehen. Doch das Propagandarad dreht sich. Wir kennen diese Tageszeitungen die dafür bekannt sind mit Worten großen Schaden anzurichten.

Wir kennen die großen Überschriften die nichts anderes sind, also das pure rhetorische Gift das sich über die Gesellschaft ergießt, um zu hetzen, zu spalten, zu denunzieren, Menschen fertig zu machen, zu lügen, Worte zu verdrehen und mit kalter Hand so zersetzend auf die Gesellschaft wirken, dass sie in einem gerechten Staat schon lange ein Fall für den Verfassungsschutz wären. Denn sie greifen täglich die Grundwerte der Gesellschaft an und geben damit ihr publizistisches Ziel preis: die Zerschlagung demokratischer und vor allem solidarischer Strukturen.

Ich sehe im nächsten Regal all die ach so intellektuellen und investigativen Wochenpublikationen. Sie geben sich den Anschein tiefer Recherche und Gewissenhaftigkeit, mit langen Artikeln, verstiegenen Sätzen, geheimnisvoller Wortwahl – doch alles hat nur ein Ziel: Die Menschen zu überzeugen die sich für schlauer als den Rest der Welt heißen. Dabei ist das so was von durchschaubar.

Die politischen Wochenmagazine blasen in das gleiche Horn wie die Tagespresse. Doch das Ergebnis ist noch fataler, denn hier wird nicht nur Nahrung für den Stammtisch geliefert, sondern auch der ethische Unterbau für das Verhalten derer, die in gewichtigen Positionen sitzen. Für sie wird ein intellektuelles Gerüst gezimmert, dass sie auf jeden Widerstand das geeignete Argument finden lässt und ihnen dabei noch das Gefühl gibt, im Recht zu sein. Dabei käme es eben gar nicht darauf an, ob man im Recht ist, sondern wie man meint mit anderen umgehen zu dürfen, von denen man das nicht glaubt, bzw. denen man das nicht zugestehen will.

Versagen auf ganzer Linie

Gut, wenn es mal die Ausnahme ist, man sich verrannt oder getäuscht hat, bitte schön, das kann passieren. Aber so häufig wie die Medien in den letzten paar Jahren nicht nur komplett in der Analyse daneben lagen, sondern darüber hinaus noch kackfrech das Gegenteil vom Offensichtlichen heraus posaunten, kann es keine Entschuldigungen mehr geben.

Ob Finanzkrise, Wirtschaftskrise, Bankenkrise, Eurokrise, Atomkraftausstieg, Sarrazin, Stuttgart 21 oder jetzt Wikileaks, was man zu sehen, hören und lesen bekam war oft unter aller Sau. Ich könnte auch im Fall Wikileaks einige Links posten. Diese würden zu renommierten Webseiten führen, den Platzhirschen der deutschen Publizistik und in allen Fällen nichts als Gedankenmüll beinhalten. Nicht das nicht scharf argumentiert wird, nein, das geschieht schon. Aber es fehlt jede Logik, Weitsicht und vor allem jedes Mitgefühl – von der Weitsicht mal ganz zu schweigen.

Wo bitte schön ist der Unterschied zu China, zur DDR oder Russland? Da gibt es eine Organisation wie Wikileaks die die Lügen der Regierungen, ihre schmutzigen Geheimnisse und offensichtlich unheilvollen Absichten anprangert und was geschieht? Man kloppt auf sie ein. Dabei ist die Frage noch nicht mal, ob die Infos von Wikileaks authentisch sind… Gerade jetzt sollte man deshalb umso mehr hinterfragen und sich mit der Ethik des politischen Geschäftes beschäftigen.

Doch man schlägt einfach drauf, noch bevor man weiß, was daran wahr ist und was nicht. Das ist menschliche Niedertracht und hat mit Journalismus nichts zu – nicht mal im Ansatz. Und solche Menschen sitzen in den Redaktionen? Glauben sie selbst was sie da sagen? Geht eigentlich nicht, da sie ja nicht genaues wissen. Stoßen sie einfach nur in das selbe Horn? Ja, das wird es sein. Sie geben mir das Gefühl, dass sie unredlich und unaufrichtig mit uns sind und das genau wissen.

Die Medien haben nun mehrfach auf kompletter Linie versagt. Und das tut weh. Es gibt wie immer Ausnahmen, doch die Mehrheit verhält sich wie Schafe auf dem Weg zur Schlachtbank: Sobald ein Schaff fragt: „Warum tun wir das überhaupt?“, wird es sofort in die Reihe zurück geboxt. Linientreue zählt, denn nur wer mit den Wölfen bereit ist zu heulen, wird weiter machen dürfen. Was war also in der DRR anders? Was unterscheidet unsere Medien von denen in Russland? Höheres Gehalt, mehr Ansehen, mehr Wohlstand für die produzierten Lügenmärchen? Vielleicht, aber darauf stolz zu sein, ist für mich ein Zeichen von Dummheit, denn es zeigt lediglich, wie käuflich die Gesinnung geworden ist.

Die Wende ist da

Das Internet hat tausende von Berichterstattern die mit mehr Elan und dem Wunsch nach Wahrheit ans Werk gehen. Und sie haben Erfolg damit. Das Meinungsmonopol der Großen schwindet dahin, nur wollen sie sich das in ihrer arroganten Art nicht eingestehen. Selbst der Gossenjournalismus verliert Leser und muss sich immer weiter verbiegen, für Schlagzeilen und Aufreger sorgen, damit sich jemand interessiert. Was bleibt sind die Lügen die im Namen der „Unabhängigkeit“ verbreitet werden. Doch immer mehr Menschen pfeifen auf sie.

Wikileaks hat ein Fass aufgemacht, welches zu verschließen schwer fallen dürfte. Natürlich wurde nun zur Hatzjagd aufgerufen, denn die Gefahr die Wikileaks angedichtet wird, ist zunächst einmal die Gefahr für all die Unredlichkeit mit der heute nun mal Politik betrieben wird. Wenn man liest was sich die USA erlaubt, ist doch klar, dass hier „nationale Interessen“ auf dem Spiel stehen. Es geht um das Recht das Recht brechen und beugen zu dürfen. Wäre es sonst eine Gefahr, wenn die Menschen wüssten was Regierungen, was Politiker über ihre Köpfe heimlich verabreden, was sie hinter ihren Rücken tun – und auf ihre Kosten. Klar dass das nicht sein darf.

Doch so wie der brutale Polizeieinsatz in Stuttgart und damit verbundenen Fotos in unserem Unterbewusstsein haften bleiben, so wird auch haften bleiben, was diese Regierungen ihren Bürgern antun. Und das hat überhaupt nichts mit Ideologien zu tun – worauf das Journalisten immer gern reduzieren. Denn wir wissen, dass sich die Regierungen hier nicht unterscheiden: Ob USA, Russland, China, Frankreich, Deutschland, Europa uswusf. – sie alle sind identisch gestrickt. Natürlich wollen sie das nicht hören und schon gar nicht nachgewiesen bekommen. Da geben sie auch kein Pardon. Wer aufbegehrt und ihre Machenschaften thematisiert ist böse und wer mitmacht, schweigt und unterstützt ist gut. Hier klappt es dann anscheinend doch mit der Aufteilung in Schwarz und Weiß.

Ich würde mir weiß Gott eine andere Medienwelt wünschen als wir sie heute vorfinden, doch diese gibt es im Moment nicht. Und noch scheint es die meisten nicht so arg zu stören. Man kann davon ausgehen das es in demselben Stil weiter geht und die Medien nun zunehmend frecher werden. Denn noch ist das Ziel ihrer Agenda nicht erreicht. Doch weiter verbiegen geht auch, man hört jetzt schon das Knacken.

Doch wir wissen um diese Ziele und wir können uns entscheiden weg zu sehen, aus zu schalten oder zu widersprechen – wenn wir mutig sind. Klar ist, wir werden immer mehr Mut aufbringen müssen. und das Wort „Zivilcourache“ wird womöglich in der nächsten Zeit eine Renaissance erleben…

Wer wissen will, wie das aussehen kann, dem sei der Film „Good Night und Good Luck“ empfohlen.

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Bildquelle: Pixelio.de, Rainer Sturm